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Stimmen aus Thüringen zum AfD-Erfolg„Noch mehr Haltung zeigen“

Die Zivilgesellschaft und Minderheiten sehen die gestärkte AfD als besondere Bedrohung. Man werde sich aber nicht einschüchtern lassen.

Solche Wahlergebnisse dürften niemals als „normal“ akzeptiert werden, sagt auch Charlotte Knobloch Foto: dpa

Mohammed Suleman Malik ist nicht überrascht über das Ergebnis der AfD in Thüringen. „Ich habe es kommen sehen, wir haben es kommen sehen: 23 Prozent haben einen Faschisten gewählt“, sagt Malik, Sprecher der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in Thüringen. „Aber die Mehrheit hat Antifaschisten gewählt. Das macht Hoffnung.“

Malik will sich nicht einschüchtern lassen. Grund dazu gäbe es: „Natürlich sind wir als Muslime Zielscheibe dieses Hasses“, sagt er. Malik erzählt von Bedrohungen auf Facebook. Er solle froh sein, dass er noch lebe, solle in sein Land zurückgehen.

Malik ist nicht allein – auch andere Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sind nach dem AfD-Wahlerfolg besorgt. Maliks Gemeinde kämpft schon jetzt mit konkreten Folgen. Der Muslim berichtet von der Moschee, die die Ahmadiyya in einem Erfurter Industriegebiet baut – und deren Fertigstellung sich um Monate verzögert. „Mehrere Baufirmen haben uns abgesagt. Sie befürchten Angriffe auf ihre Leute oder Maschinen.“ Andere wollten „mit einem Moscheebau nichts zu tun haben“. Zuerst hatte der Spiegel berichtet.

Gegen den Moscheebau gab es Brandreden, auch von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, es gab Protestzüge Vermummter, Schweinekadaver und riesige Holzkreuze, die neben dem Baugrundstück aufgestellt wurden. „Es gibt eine direkte Linie von diesen Angriffen zur AfD, das wissen alle“, sagt Malik. „Für uns als Zivilgesellschaft und für die demokratischen Parteien heißt das vor allem: Wir müssen noch mehr Haltung zeigen.“

Er sei als Kind vertrieben worden, in Erfurt habe er sich eine Heimat aufgebaut, erzählt Malik. „Das lasse ich mir nicht wegnehmen.“ Regelmäßig steht Malik in Fußgängerzonen, mit einem T-Shirt, auf dem steht „Wir sind alle Deutschland“, und mit dem Angebot, Menschen den Islam zu erklären. Er ist zudem als Parteiloser stellvertretender Ortsteilbürgermeister in Erfurt.

Es gibt eine Linie von den Angriffen auf uns zur AfD

Mohammed Suleman Malik, Ahmadiyya-Gemeinde

Von den demokratischen Parteien und Behörden erwartet Malik nun eine konsequentere Durchsetzung des Rechtsstaats. „Ob Christchurch oder Halle, wir haben gesehen, dass verbale Angriffe nur der Anfang sind.“

Auch andere zivilgesellschaftliche Akteur*innen finden deutliche Worte. „Wer AfD wählt, wählt den Weg in ein antidemokratisches Deutschland“, sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden. Solche Wahlergebnisse dürften niemals als „normal“ akzeptiert werden, sagt auch Charlotte Knobloch, ehemalige Zentralratspräsidentin und Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in München. „Die Minderheit der Antidemokraten ist längst eine Gefahr für die Demokratie.“

Ayman Qasarwa, Geschäftsführer des Dachverbands der Migran­t*innen-Organisationen, in Ostdeutschland warnt: „Die gesamte Arbeit der Migran­t*in­nen-Organisationen ist durch das Erstarken der AfD akut in Gefahr.“ Diese müsse nun politisch wie finanziell gestärkt werden.

Auch die Mobile Beratung in Thüringen erklärt, das Wahlergebnis zeige, dass in Thüringen „weiter ein starkes Engagement gegen völkische und menschenverachtende Ideologien“ wichtig sei. „Wir erwarten von den künftigen Regierungsparteien, dass sie vor allem jene stärken, die fest für eine demokratische Zivilgesellschaft einstehen und für unsere freie demokratische Gesellschaft kämpfen“, so Vorstand Sandro Witt. „Das Wahlergebnis ist eine Warnung, die es ernst zu nehmen gilt.“

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3 Kommentare

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  • Wenn das Hoffnung macht, dass die Minderheit, repräsentiert durch die AfD, Faschisten sind und die Mehrheit (vertreten durch CDU, SPD, FDP, Linke und Grüne) Antifaschisten, dann ist dieses Land am Ende. Mittlerweile ist der Windschatten der AfD so groß, dass die anderen Parteien ihren teils ultrakonservativen Mist in Ruhe durchsetzen können. Wer redet denn noch von Kinder- oder Altersarmut (außer Sahra Wagenknecht), von permanent wachsender Ungleichheit, von Bildungsnotstand, Hartz IV, Billiglöhnen, Menschenverleihern usw. usw.

    Die großen Verlierer der Wahl hatten am Wahlabend fast nur ein Thema, nämlich die AfD. Kein selbstkritisches Wort, höchstens etwas Wirres darüber, dass die WählerInnen einiges nicht verstanden hätten. Immer die gleichen Sprüche. Und pflichtschuldig wurde auch das Klima erwähnt, das zumindest ein Vorwand ist, dass soziale Themen erst gar nicht mehr auf der Tagesordnung stehen.

    Und jetzt steht z.B. Herr Mohammed Suleman Malik in Erfurt auf der Straße und bietet an, den Islam zu erklären. Damit die Leute nicht mehr AfD wählen?

    Immer, wenn es kritisch wird, muss die sogen. Zivilgesellschaft einspringen. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen der Gesellschaft und der Zivilgesellschaft?



    Was ist das für ein Gesellschaftsverständnis? Und wieso werden nicht erst einmal die Ursachen der Probleme wie Rassismus, Antisemitismus, Rechtsradikalismus und Faschismus bekämpft. Es muss doch Ursachen dafür geben. So ein Dreck entwickelt sich doch nicht aus dem Nichts.

    Vielleicht fangen wir endlich einmal an, darüber nachzudenken, warum in diesem Lande so einiges aus dem Ruder läuft. Beginnen wir doch einfach einmal mit der Frage: Welche gesellschaftlichen Verhältnisse begünstigen den Erfolg der AfD? Anders gefragt: Begünstigen die bürgerlichen Parteien durch ihre Politik den Zuwachs von Konservatismus, oder sogar Rechtsextremismus, Nationalismus und Faschismus?

    Ich wette: dieses Diskussion wird es nicht geben.

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Gäbe es sie - also die Diskussion - stünde das Ergebnis fest: Nein - wäre die Antwort; weder die bürgerlichen Parteien, und schon gar nicht so lustige Vereine wie die INSM oder die Bertelsmannstiftung oder wie sie alle heißen, sind verantwortlich sondern die Ökofaschisten, die Sozialneider und im Zweifel dann noch die Gutmenschen.

  • Ob die Mehrheit wirklich die Antifaschisten gewählt hat, ist für mein dafürhalten nicht klar. Im Übrigen hatte die Mehrheit in den 30iger Jahren auch nicht die NSDAP gewählt und Adolf Hitler kam trotzdem an die Macht. Und wenn ich heute lese, dass der Fraktionsvize Heym (CDU) mit der AfD liebäugle, wie es der Spiegel schreibt, dann wird mir angst und bange. Zum schlecht werden.