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Parlamentswahl in der SchweizVerdienter Lohn für die Grünen

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Im Vergleich zur bundesdeutschen Schwesterpartei stehen die Schweizer Grünen für eine kompromisslose ökologische Wende. Das hat sich bezahlt gemacht.

Ausgesprochen viele WählerInnen der Grünen fanden den Weg in die Wahllokale Foto: imago images / UIG

D ie Grüne Partei der Schweiz (GPS) hat bei den nationalen Parlamentswahlen am Sonntag noch größere Zugewinne erzielt als die Partei Bündnis 90/Die Grünen bei den letzten Urnengängen. Dieser historische Wahlsieg der GPS ist der verdiente Lohn für ihr seit Jahren konsequent verfolgtes Programm nicht nur zur Bekämpfung der globalen Erwärmung, sondern auch hinsichtlich anderer für die Umwelt relevanter Ziele. Im Vergleich zur bundesdeutschen Schwesterpartei steht die GPS für eine deutlich kompromisslose ökologische Wende.

Ganz und gar unopportunistisch scheuten die helvetischen Grünen auch nicht davor zurück, anfangs höchst unpopuläre Forderungen zu stellen, wie die Einführung einer spürbaren CO2-Steuer. Damit stießen sie insbesondere bei der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) auf scharfe Kritik.

Politiker und SVP-nahe Medien bezeichneten die Grünen als „Spinner“ und „Feinde der individuellen Freiheit“. Die Forderungen der GPS seien eine „Gefahr für den wirtschaftlichen Wohlstand“ der Schweiz. Dahinter verblassen Beschimpfungen, die die deutschen Grünen etwa von der FDP zu hören bekommen.

Die Leugner der globalen Erwärmung in der SVP haben ihrer Partei seit dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg in den Jahren von 1991 bis 2003 von der kleinsten zur stärksten Parlamentsfraktion die größten Verluste beschert. Mit ihren einst erfolgreichen rassistischen, islamophoben, migrations- und europafeindlichen Parolen konnte die SVP diesmal nicht mehr punkten.

Über zwei Jahrzehnte lang waren die SVP und ihr Chefstratege und Finanzier Christoph Blocher Vorbild Ideengeber und Bündnispartner für populistische Rechtsnationalisten in Europa – angefangen bei der deutschen AfD über Le Pens Front National, Jörg Haiders FPÖ bis zu Viktor Orbán in Ungarn oder Geert Wilders in den Niederlanden. Mit der Wahlniederlage hat die SVP ihren Zenit überschritten. Man kann hoffen, dass die Schweiz nun zum Trendsetter für andere europäische Länder wird.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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10 Kommentare

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  • In der Schweiz hat die Grünliberale Partei GLP ebenfalls hinzugewonnen. Zusammen sind die Zuwächse und Stimmgewichte dann schon auf Niveau der Grünen in Deutschland.

    Und bislang sind die Grünen ja nur in Umfragen, jedenfalls nicht in Bundestagswahlen so stark. Seit der Diskussion um Wohnungsenteignungen und ähnliches sinkt der Grüne Stern ja schon wieder.

    Aus der Existenz einer zweiten ökologischen Partei kann man aber auch erkennen, dass die Schweizer-Grünen nicht ausschließlich für eine "kompromisslose ökologische Wende" stehen, sondern noch andere Themen im Gepäck haben, deren Ablehnung durch einen Teil der Wählerschaft eben gerade zur Gründung der grünliberalen Konkurrenz geführt haben.

    • @meerwind7:

      Ja, das stimmt. Der unterschied ist, dass das, was in der Schweiz im grünen Bereich in zwei Parteien organisiert ist, hier in D in einer Partei mehr oder weniger gut zusammenarbeitet, Deswegen sind die Botschaften manchmal nicht so klar wie in der Schweiz, das Wachstum der Zustimmungswerte allerdings zusammengerechnet vergleichbar,

  • Die deutschen Grünen haben ihren Stimmenanteil bei der Europawahl von 10 % auf 20 % dazugewonnen. Warum ist eine Steigerung in der Schweiz von 7 auf 13% ein "noch größerer Zugewinn"?

    • @Sven Schulze:

      Danke für die Zahlen.



      Aufgrund des zahlenlosen Artikels wähnte ich die schweizer Grünen schon bei der absoluten Mehrheit.

    • @Sven Schulze:

      Stimmt! Eigentlich müsste es heißen: "auch mit Umweltschutz Regulierungsvorsätze kann man Wahlen gewinnen" ich musste dabei an den veggie day denken und die Dominanz von Symbolpolitik in Deutschland. Weiß nicht ob's in der Schweiz Probleme mit mehr Schmackes angegangen werden?

  • Ja, das ist wirklich ein unfassbarer Wahlsieg, wenn man mit 12% auf dem vierten Platz landet. Da würden sich die deutschen Grünen wahrscheinlich auch freuen, wenn sie bei der nächsten Bundestagswahl so ein tolles Ergebnis einfahren würden!

  • Den letzten Satz: Man kann hoffen, dass die Schweiz nun zum Trendsetter für andere europäische Länder wird. unterschreibe ich gerne

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Bloss nicht! Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum mit moderner Klimapolitik, nicht die Besteuerungs- und Verbotspolitik der linken Parteien.

      • @MartinKlarblick:

        Sie haben recht, Verbote sind böse.

        Ich tät' so gerne die Gartenzwerge in so manchen Vorgärten abfackeln, ohne mit dem Gesetz Stress zu bekommen.

        Selbstverständlich würde ich peinlich auf die Verhütung möglicher Kollateralschaden achten!

        Warum nur muss das denn verboten sein?

  • Naja..."Wahlniederlage" ist ja nur relativ. Die sind leider immer noch deutlich die stärkste Partei.



    Aber es ist ja in gewisser Weise beruhigend zu lesen, dass auch hier den Rechtsnationalisten nicht mehr einfällt ausser den politischen Gegner wüst zu beschimpfen. D.h., dass sie keine Argumente mehr haben, sondern nur noch hohle Worte aus der untersten Schublade.



    Man kann hoffen, dass die Schweizer gebildet genug sind, das zu erkennen und nicht mehr auf das nationalistische Geschwätz der letzten Jahre zu hören.