Die Erderhitzung und wir: Die neue Kraft der jungen Frauen

Der New Yorker Schriftsteller Jonathan Safran Foer sagt, dass wir zwar von der Erderhitzung wissen, aber nicht an sie „glauben“. Was meint er damit?

Klimaaktivistin Luisa Neubauer vor dem Kanzleramt

Frau for Future: Klimaaktivistin Luisa Neubauer vor dem Kanzleramt Foto: dpa

Lassen wir die großartige Greta Thunberg zunächst kurz in Frieden und ­reden über etwas wirklich Unangenehmes.

Über uns.

Der New Yorker Schriftsteller Jonathan Safran Foer hat eine spektakulär logische These, was unsere bisherige Unfähigkeit angeht, die immer größer werdende Bedrohung durch die Erderhitzung ernst zu nehmen. Wir glauben es nicht.

Doch, doch: Wir wissen es. Aber wir glauben es nicht.

Spoiler: Foer redet hier nicht von Donald Trump, der AfD und dem klaren Akt des Leugnens. Er redet von denen, die die Wirklichkeit mit dem Kopf akzeptieren und bei Partys, beim Abendessen oder bei Grünen-Parteitagen gepflegt darüber reden, was mit einer kaum gebremsten Erderhitzung auf uns zukommt: schrumpfende Wirtschaft, soziale Verwerfungen, dramatisches Artensterben, über 100 Millionen Klimaflüchtlinge, brutale Klimakriege, untergehende Mil­lio­nenstädte und Staaten. Aber in der Wirklichkeit geht auch bei uns alles „normal“ weiter.

„Wenn wir die Tatsache, dass wir den Planeten zerstören, zwar akzeptieren, sie aber nicht glauben können, sind wir nicht besser als die, die den menschengemachten Klimawandel ganz verleugnen“, schreibt er in seinem Buch „Wir sind das Klima!“. Das ist die Begründung für den „Merkel ist schlimmer als Trump“-Gedanken von Klimapolitik-Aktivistin Luisa Neubauer. Die entscheidende Differenz ist nicht rational akzeptieren oder nicht, sondern handeln und nicht handeln.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Aber was meint Foer damit, dass wir es wissen und nicht „glauben“? Ich dachte bisher, es geht genau darum: eben nicht nur glauben, sondern wissenschaftliche Fakten zugrunde zu legen.

Foer erzählt die Geschichte seiner jüdischen Familie, die in einem polnischen Dorf lebte. Alle wussten, was die Nazis tun würden. Aber nur seine Großmutter packte 1941 ihre Sachen und floh. Der Rest blieb, weil er dachte, das würde schon irgendwie weitergehen. Sie wurden alle ermordet.

Warum konnte die Großmutter sich aufraffen und die anderen schafften es nicht? Foer sagt: Sie wusste es nicht nur, sie hatte auch das Gefühl, handeln zu müssen. Die anderen wussten es nur, aber sie glaubten es nicht. Seine Folgerung: Erst wenn das Wissen mit Gefühlen verknüpft wird, wenn wir etwas spüren, werden wir handeln können.

Es ist existenziell

Diese dynamisierende Verknüpfung von Wissen und Emotionalität haben womöglich Greta Thunberg und Fridays for Future eingebracht. Es ist eine neue Kraft, die gerade von den jungen Frauen ausgeht, die ihren feministischen Zukunftsanspruch notwendigerweise mit der planetarischen Grundlage verknüpft haben. Sie spüren die Dringlichkeit von ernsthafter Klimapolitik nicht ideologisch oder kulturell, sondern existenziell. Wir spürten das bisher nicht.

Aber als ich am 20. September mit den Jungen am Brandenburger Tor streikte und wenn ich mit ihnen spreche, dann spüre ich es für Momente auch. Es könnte sein, dass wir – wie Foer vermutet – diese Emotionalität zur Ratio dazubrauchen, um als Teil einer gesellschaftlichen Bewegung politisch handeln zu können.

Und erst mal eine Bundesregierung beauftragen, ernsthafte Klimapolitik und mit Wirtschaft und Gesellschaft sozialökologisch-innovative Marktwirtschaft zu organisieren – mit dem Bewusstsein für die Komplexität und Langwierigkeit dieser Transformation.

Das Problem ist, dass Greta Thunberg, Luisa Neubauer, die Kids und gerade die jungen Frauen nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Emotionen entzünden. Während der reak­tio­näre Rand und die Shareholder des alten Wirtschaftens versuchen werden, den wachsenden Mainstream als altlinkes Süppchen zu denunzieren, wollen andere genau dieses Süppchen damit noch mal aufwärmen. Es gibt nur eine Antwort: eine ökoliberale Mehrheit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.