piwik no script img

Nach tödlichem Schuss auf GeflüchtetenAman A. ist nicht vergessen

Aman A. ist tot und sicher ist nur: Er starb durch eine Polizeikugel in der Flüchtlingsunterkunft Stade-Bützfleth. Der Flüchtlingsrat fordert Aufklärung.

Sollte nur im Notfall zum Einsatz kommen: die Polizeiwaffe Foto: dpa

Bremen taz | Aman A. ist tot und immerhin das ist sicher: Er starb durch eine Polizeikugel in der Flüchtlingsunterkunft Stade-Bützfleth. Weil aber die Vorgeschichte auch zwei Monate nach dem tödlichen Schuss erheblich weniger eindeutig klingt, wollen A.s Freunde und der Flüchtlingsrat Niedersachsen am 12. Oktober mit einer Demonstration in Stade für Aufklärung kämpfen.

Mit der ist bislang die Cuxhavener Polizei beauftragt, damit nicht die unmittelbaren Kollegen und Kolleginnen des Todesschützen ermitteln. Mit dem, was an Ermittlungsarbeit so sichtbar wurde, sind die Angehörigen allerdings alles andere als zufrieden. Der Flüchtlingsrat kritisiert etwa, dass bislang nur einer von A.s Mitbewohner angehört worden sei – und das unmittelbar nach der Tat und ohne geeigneten Dolmetscher.

Soweit ist die Geschichte bekannt: Die Polizei soll wegen eines Streits zur Unterkunft gekommen sein und habe zunächst versucht, den Afghanen A. durch ein geschlossenes Fenster anzusprechen. Der habe nicht reagiert, so der Polizeibericht, und die Beamten hätten die Wohnung betreten. Dort seien sie von A. mit einer Hantelstange angegriffen worden. Als A. auf Pfefferspray nicht reagierte, habe ein Beamter die Waffe gezogen und geschossen.

Dass die Polizei überhaupt mit zwei Streifenwagen zu der Unterkunft kam, liegt an einer Vorgeschichte, die bei der Bild verkürzt so lautet: „Eisenstangen-Angreifer war polizeibekannt“. Bekannt war in der Tat, dass A. wegen akuter psychischer Probleme in psychiatrischer Behandlung war, und in der Krise etwa seine Tischlerausbildung abgebrochen hatte. Der Flüchtlingsrat schreibt, ein Jugendlicher habe die Polizei überhaupt nur gerufen, um A. zu helfen, der einen akuten psychotischen Schub erlitten habe.

A.s Tod ist ja kein Einzelfall

Unabhängig von der juristischen Frage, ob der mutmaßliche Totschlag nun unter Notwehrbedingungen erfolgte oder nicht – die Frage ist durchaus berechtigt, warum die Polizei auf eine bekannte psychische Krise mit erhöhter Mannschaftsstärke reagiert, anstatt Experten hinzuzuziehen.

A.s Tod ist ja kein Einzelfall: Die meisten polizeilichen Todesschüsse gelten psychotischen Opfern, die auf Ungeübte möglicherweise bedrohlich wirken – zumindest aber unberechenbar scheinen. Das Problem ist auch bei der Polizei bekannt, wo auch Zwangseinweisungen immer wieder eskalieren. In einzelnen Landespolizeien, wie etwa Hamburg, ist der Umgang mit psychisch Erkrankten darum längst Teil der Ausbildung.

Was genau in Stade schief lief, ist noch unklar. Damit das nicht so bleibt, demonstriert der Flüchtlingsrat am 12. Oktober. Darum – und damit A. nicht als der von den Medien kolportierte polizeibekannten Schläger mit der Eisenstange in Erinnerung bleibt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Zu Ihrem Zitat "In einzelnen Landespolizeien, wie etwa Hamburg, ist der Umgang mit psychisch Erkrankten darum längst Teil der Ausbildung." passt folgende Meldung:



    'Beim Einsatz fixiert: Wieder Mann gestorben'



    www.ndr.de/nachric...rotherbaum130.html

    ...und zur Polizei Stade hier ein Beispiel, dass selbst Angreifer mit Kettensäge und Molotow-Cocktail nicht "not-wendig" umgebracht werden müssen:



    'U-Haft nach Attacke mit Säge und Molotow-Cocktail'



    www.ndr.de/nachric...tail,stade876.html

    Solange Polizist*innen - mit welcher 'Ausbildung' auch immer - glauben, selbst "qualifiziert" mit Menschen in psychischen Krisen umgehen zu können, wird das strukturelle 'Sterberisiko' solcher Menschen durch polizeiliche Gewaltanwendungen nicht wirklich gesenkt werden können - sei es durch lagebedingte Erstickungstode oder durch Schussverletzungen in selbst eskalierten Situationen.

  • Jedes Mal das Gleiche: die Angst der Polizisten vor dem Fremden lässt sie schießen. Und die Angst des Fremden vor der Staatsgewalt lässt diesen so reagieren, weil er nicht weiß wie die in Deutschland anders ist als in seiner Herkunft.

    • @nzuli sana:

      Sie haben vergessen zu erwähnen, dass der "Fremde" mit einer Eisenstange unterwegs war. :-)



      So ne Eisenstange gut platziert, kann das Licht schnell ausschalten lassen.

    • @nzuli sana:

      Wieso vor dem Fremden?



      Es geht um Hantelstangen!

    • @nzuli sana:

      "Jedes Mal das Gleiche: die Angst der Polizisten vor dem Fremden lässt sie schießen. "

      Also hat die Polizei vergleichsweise wenig Angst vor Fremden, den die Anzahl an Schussabgaben (und erst recht tödlichen) ist angesichts der Einsätze pro Jahr verschwindend gering.

    • @nzuli sana:

      Der Bedarf an Polizei ist so groß, dass Sie dort den Querschnitt der Bevölkerung vorfinden, d.h. so fehlerhafte Menschen wie "du" und "ich". Ebenso verhält es sich mE mit wandernden Bevölkerungen. Zumindest ist jeder Mensch von den Erfahrungen seines Werdeganges abhängig, sowie u.a. von dem, was wir hier "Ausbildung", oder "Vorbereitung" nennen.

      Ich bin zwar kein Maßstab, jedoch möchte ich heute nicht Polizist sein, mE schlechte weil unvollständige Ausbildungsinhalte, für wirklich scheinbar alles was die Gesellschaft nicht anders zu lösen imstande ist im Einsatz, im Mittel schlechte Bezahlung (etwa von A7 bis A 11), "80 Millionen" Schiedsrichter am Bildschirm.

      Z.B. Polizei wie Flüchtlinge benötigen mE engmaschige Angebote u.a. von Pädagogen und Ärzten. Wer aber immer das Mantra vom schlanken Staat und vom s.g. Leistungsträger vertritt, verurteilt damit (die anderen) Menschen negativ.



      So ist aber unter Nutzung der neoliberalen Wortschätzchen beispielsweise die Leistung des Flüchtlings, dass er uns für Probleme (in) der Welt sensibilisiert und die der Polizei, all das tun zu sollen, was ihr gesagt wird.

      Unerhört natürlich, dass Verantwortung für etwas an seinem leicht nachprüfbaren Geldwert, zB Unternehmer, "Bankdirektor" oder Bereichsleiter bei Aldi ;-), Scherz, ich meine zB Wertpapierhändler, gemessen wird.