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Netanjahus AnnexionsplanDas Recht des Stärkeren

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Israels Ministerpräsident setzt auf die Macht des Stärkeren. Die Annexion des Jordantals wäre das endgültige Aus für eine Zweistaatenlösung.

Israels Ministerpräsident bei seinen Wahlversprechungen Foto: dpa

B enjamin Netanjahus Ankündigung, einen Teil des Westjordanlands zu annektieren, ist in ihrer Klarheit nicht zu unterschätzen. Hinter dieses Versprechen wird Netanjahu, sollte er nach der Wahl am Dienstag weiterregieren, nur schwer zurückkönnen. Wie schon mit den Golanhöhen geschehen, rückt die Annexion eines Viertels des Westjordanlands in greifbare Nähe.

Die Annexion wäre ein besonders symbolischer Schritt Netanjahus in seiner Vorschlaghammer-Politik gegenüber den Palästinensern. Statt eine verhandelte Lösung anzustreben, setzt er auf die Macht des Stärkeren – in der Überzeugung, eine einseitige Lösung des Konflikts durchsetzen zu können.

Mit Trumps voller Unterstützung baut er die illegalen Siedlungen aus und verdrängt die palästinensische Bevölkerung zunehmend in komplett kontrollierte Enklaven. Die Annexion würde das Ende der Zweistaatenlösung bedeuten, jenes Ansatzes, den die internationale Gemeinschaft seit Jahrzehnten verfolgt, der die offizielle Position der EU und auch der Bundesrepublik darstellt und in dessen Zentrum ein Palästinenser-Staat steht. Dieser wird, sollte Netanjahu siegen, endgültig unrealistisch.

Foto: Infotext Berlin

Beunruhigend ist, dass aus Europa so wenig Kritik kommt. Trumps und Netanjahus Abkehr vom Ziel einer verhandelten Lösung ist Teil eines breiteren Trends, der sich teilweise auch schon in Deutschland abzeichnet.

Während die Springer-Presse jede Gelegenheit nutzt, Palästinenser mit Terroristen und Antisemiten gleichzusetzen, mied der Tagesspiegel kürzlich sogar das Wort „Palästinenser“ und schrieb nur noch von Menschen, „die sich als Palästinenser bezeichnen“. Dahinter steht das Ziel, Palästinenser generell zu delegitimieren. Gibt es keine Palästinenser, dann können sie auch keinen Staat fordern, dann muss nicht verhandelt werden. Dann ist der Weg frei für die Annexion.

Einer friedlichen Lösung ist das nicht zuträglich. Europa muss auf einen Prozess drängen, an dessen Ende eine verhandelte Lösung steht. Alles andere führt zu noch mehr Gewalt, von der sowohl Israelis als auch Palästinenser schon genug haben.

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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10 Kommentare

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  • Eine Annexion des Jordantals würde nicht zwangsläufig das Ende einer Zwei-Staaten-Lösung bedeuten, auch wenn es natürlich ein Schritt in die falsche Richtung wäre.



    Das Beispiel der Golanhöhen, welche Israel 1981 annektierte, hat gezeigt, dass eine Annexion zukünftige Verhandlungen über das annektierte Gebiet nicht ausschließt.



    Israel verhandelte mit Syrien trotz der Annexion über eine Rückgabe des Gebietes, selbst unter rechten Regierungen und Netanyahu.



    Zwischenzeitlich war man sich sogar fast einig, lediglich bezüglich des genauen Grenzverlaufs gab es noch Unstimmigkeiten.



    Erst der Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges 2011 führte zu einem Ende der Verhandlungen.

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    Es ist mindestens peinlich, wie große Teile der Medien und die Politik die Argumentation der rechtsradikalen israelischen Regierung übernehmen. Es ist eine Frechheit, von Palästinensern so zu schreiben, als seien sie nur welche, die sich fälschlicherweise so bezeichnen, weil es sie eigentlich gar nicht gebe. Das ist ja auch eine gängige Behauptung notorischer Israelfreunde, die verbal ihre Israel--Flaggen schwenken. Nunja, vor 80 Jahren gab es auch noch keine Israelis und was die ständige Behauptung angeht, dass die Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge selbst keine Flüchtlinge seien und deshalb kein Rückkehrrecht beanspruchen dürften: Wie ist das noch mit Juden und den 2000 Jahren?! Die dürfen nach 2000 Jahren "zurück" kommen, klar. Manche sind eben gleicher.

    • @93559 (Profil gelöscht):

      Das wegschauen oder gar billigen ist wirklich widerlich.

  • Was sind „Paästinenser“ denn anderes als schlichtnormale Araber? Und gibt es nicht bereits 57 arabisch/islamische Staaten aber nur einen Staat der Juden?

    • @Frank Erlangen:

      was sind denn Österreicher anderes als schlicht normale Deutsche reicht denen nicht ein Land? Oder was sind Amerikaner, Australier, Kanadier etc anderes als schlicht normale Briten, reicht denen nicht das eine Land. Also alle enteignen und vertreiben? Seltsame Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit.

      • @ingrid werner:

        👍goldrichtig!

  • Wie will man Netanjahu daran hindern, das Jordantal zu annektieren, wenn die Weltöffenntlichkeit nicht in der Lage war, Putin an der gleichfalls völkerrechtswidrigen Annexion der Krim zu hindern? N. hat sicher mit Interesse wahrgenommen, dass alle Sanktionen nichts genützt haben und die Forderungen nach „Normalisierung“ der Beziehungen zu Russland immer lauter werden.



    „Aussitzen“ heißt das Zauberwort! N. wird es tun und weitere Staaten werden dem Beispiel von Putin und Netanjahu folgen und sich Territorien einverleiben, die ihnen nicht gehören!

  • Europa ist im Nahen Osten längst kein Machtfaktor mehr, da gibt es lediglich noch Amiland und Rußland, bedingt auch die Türkei, den Iran und China. Deswegen wären Proteste aus Europa wohl wohlfeil und unnötig. In der jetzigen Machtkonstellation kann und wird den Palästinensern niemand helfen und die Destabilisierung der gesammten Region geht weiter, was uns sehr teuer zu stehen kommen könnte

    • @Berhard Bendler:

      Dabei wäre es recht einfach, Netanyahu an den Verhandlungstisch zu zwingen, wenn die EU-Staaten sich einig wären. Ein paar ernsthafte Sanktionen würden reichen. Die EU ist mit Abstand der größte Handelspartner Israels...

      • @ulix:

        Steht zu befürchten dass sich die Europäer erst interessieren, wenn es eine Fluchtwelle gibt. Und dann wählen sind Rechtsradikale. Was soll man sagen, Reichtum führt nicht zu Intelligenz, Intelligenz nicht zu Reichtum. Somit ist das reiche privilegierte Europa auch nur eine Masse von Lemmingen.