piwik no script img

Anwältin über Verbot von „Linksunten“„Grund ist politisches Interesse“

2017 wurde die Website linksunten.indymedia verboten, Klagen gegen das Verbot laufen noch. Die Anwältin Kristin Pietrzyk zum aktuellen Stand.

Menschen demonstrieren 2017 gegen das Verbot der Plattform linksunten.indymedia.org Foto: dpa
Katharina Schipkowski
Interview von Katharina Schipkowski

taz: Frau Pietrzyk, das Linksunten.indymedia-Verbot ist zwei Jahre her. Zwar wird gegen die Betreiber seit dem 19. August nicht mehr ermittelt, Klagen gegen das Verbot laufen aber noch. Wie ist der Stand?

Kristin Pietrzyk: Es ist fast noch nichts entschieden. Die bei den Razzien sichergestellten Gegenstände konnten noch nicht ausgewertet werden, weil die meisten Speichermedien verschlüsselt sind und noch nicht entschlüsselt werden konnten. Vielleicht drücken sich die Gerichte auch darum, die Rechtmäßigkeit der Razzien zu prüfen, und warten auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

Worüber wird dabei entschieden?

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über unsere Klage gegen das Verbot, das wir für rechtswidrig halten. An anderen Gerichten laufen die Klagen gegen die Sicherstellung der Speichermedien, anderer Gegenstände und des „Vereinsvermögens“, gegen die Postbeschlagnahmung und dagegen, dass die Gegenstände, die sichergestellt wurden, vom Verfassungsschutz ausgewertet werden.

Der Verfassungsschutz?

Ich gehe davon aus, dass das Verbot eine Initiative des Verfassungsschutzes war. In den Akten steht auch nichts von Ermittlungen des Innenministeriums, es ist dabei immer nur von „Erkenntnissen des Verfassungsschutzes“ die Rede. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in Wirklichkeit das Verfahren führt – das Innenministerium stellt dem Verfassungsschutz nur seine Exekutivbefugnisse zur Verfügung. Damit macht es den Geheimdienst zu einer Behörde mit Polizeibefugnissen und verstößt gegen das Trennungsgebot.

Im Interview: Kristin Pietrzyk

Kristin Pietrzyk, 37, ist Anwältin mit den Schwerpunkten Straf-, Polizei- und Versammlungsrecht. Sie klagte unter anderem gegen die rechtsterroristische „Gruppe Freital“.

Für den Verfassungsschutz war Linksunten doch sicher eine gute Informationsquelle. Warum das zunichtemachen?

Dahinter steht ein politisches Interesse. Bei Linksunten wurden auch Nachrichten verbreitet, die die Mainstreammedien aufgegriffen haben, zum Beispiel über den geplanten Arier­nachweis der Deutschen Burschenschaft. Das rückt viele alte Herren, die in der Deutschen Burschenschaft organisiert waren, oder auch Sympathisanten der AfD in ein schlechtes Licht. Mit Blick auf die personelle Zusammensetzung beim Innenministerium und Verfassungsschutz ist es plausibel, dass es dort Bestrebungen gab, dem Portal den Garaus zu machen.

Bei Linksunten gab es auch Anleitungen zum Bau von Brandsätzen und Be­ken­ne­r*in­nen­schreiben.

Es ist unstrittig, dass einige der Beiträge sich für deren Ver­fas­ser*innen im strafrechtlich relevanten Bereich bewegt haben. Aber die Frage ist: Wie groß war dieser Anteil an der Gesamtheit aller Beiträge? Das hat das Innenministerium gar nicht ausgewertet. Es hat einfach 90 Beiträge ausgedruckt, die es für problematisch hält. Um problematische Beiträge zu sperren gibt es aber ein von der EU vorgeschriebenes Vorgehen nach dem Telemediengesetz.

Der Rechtsstreit um linksunten.indymedia

Am 25. August 2017 gab Innenminister Thomas de Maizière (CDU) das Verbot des Portals linksunten.indymedia nach Artikel 3 des Vereinsgesetzes bekannt. Der Paragraf erlaubt das Verbot, wenn „Zwecke oder Tätigkeiten des Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten“.

Die Kläger*innen sehen sich nicht als Verein. Linksunten ist auch nicht ins Vereinsregister eingetragen und hatte keine Vereinsstruktur. Sie verstehen das Portal als Open-Posting-­Plattform, also als Presseorgan.

Mehrere Razzien fanden im Zuge des Verbots bei den vermeintlichen Vereinsmitgliedern und im Freiburger linken Zentrum KTS statt. Dabei wurden Festplatten, USB-Sticks und Geld beschlagnahmt. Auch dagegen klagen die Betroffenen.

Das LKA Baden-Württemberg initiierte elf Strafverfahren gegen mutmaßliche Vereinsmitglieder. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gab am Montag bekannt, dass sie diese eingestellt hat.

Wie würde das laufen?

Dann wäre nicht das Innenministerium zuständig, sondern die ­Landesmedienanstalt. Die würde die einzelnen Beiträge sperren. Das hätte natürlich 2017, kurz nach G20 in Hamburg und vor der Bundestagswahl, keine so schöne Pressekonferenz für Thomas de Maizière gegeben.

Wie begründet das Innenministerium, dass es dieses Vorgehen nicht anwendet?

Es setzt sich gar nicht damit auseinander, dass hier Presse verboten wird und es eigentlich die Aufgabe des Staates wäre, die Pressefreiheit zu schützen. Es hält sich ja an die Tatbestände des Vereinsgesetzes. Das ist eigentlich ein Instrument gegen Rocker, islamistische Vereine oder rechte Gruppierungen.

Was bedeutet das Verbot für andere Plattformen?

Wenn das Bundesverwaltungsgericht das Verbot für rechtmäßig befindet, kann es auch andere treffen. Den Betreibern von Open-Posting-Plattformen wird sich die Frage stellen: Wie stark müssen wir moderieren, um nicht verboten zu werden? Was darf dann noch ein Blog, was darf eine nicht renommierte Onlinezeitung, was darf ein Forum? Das öffnet Tür und Tor für Zensur. Wenn man Pressefreiheit als Säule unserer Demokratie versteht – da wird ganz schön dran gesägt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Wer Linksunten kannte, der muss sagen, was mutt, das mutt.

    Ich finde es unverantwortlich das Verbot so scheinheilig zu beanstanden. Linksunten war eine Platform für Bekennerschreiben von Brandanschlägen. Normale linke Positings gab es da gar nicht mehr.

    • @Ansgar Reb:

      Hm. Schon wieder dieses undeutliche Raunen. Belege?

      • @tomás zerolo:

        Lies es halt bei Archive.org nach, was auf der Seite zu finden war, falls Du jahrelang geschlafen hast.

        • @Ansgar Reb:

          Danke für den Tip.

          Archive.org ist leider so eine javascript-infizierte Seite geworden, das macht es aufwendiger für mich: jedenfalls liegt es jetzt auf der liste meiner Projekte.

          Kann ein Weilchen dauern :-)

        • @Ansgar Reb:

          Und in der Bild findet man nur Hass, Titten und den Wetterbericht. Muss das jetzt auch weg?

          Linksunten ist die Antwort auf diese bequeme, ignorante und selbstzentrierte Gesellschaft, die ja sooo fehlerfrei ist und wenn sie mal nen Fehler macht, dann doch nur bewusst!! Wisst ihr noch, als Merkel 2010 meinte, zu 2020 würden wir definitiv die Klimaziele einhalten? Kann man es sich vorstellen, dass ich ihr das echt geglaubt habe? Und heute steht sie da und lässt was von 2030 erzählen. Soll ich wirklich noch einmal so dumm sein und das glauben? Nein, wir werden verarscht und linksunten war ein Stachel im Fleisch derjenigen, die uns mit ihrer Falschheit an der Nase herumführen. Es war die pure Bestätigung, dass linksunten unter falschen Vorwand verboten wird, während die Achse, Don Alphonso, Tichy und wie die da alle rechtsaußen auch heißen mögen lustvoll weiter ihre von Lügen, Verleumdungen und menschenfeindlicher Hetze durchsetzten Pamphlete veröffentlichen dürfen. In diesem Informationskrieg führt rechts schon soweit, dass sie entgegen der Regeln unseres Zusammenlebens veröffentlichen dürfen, während eine radikal linke Plattform natürlich gestoppt werden muss. Einfach widerlich.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Einziger Wermutstropfen an dem Interview ist die Relativierung der Anwendung des Vereinsgesetzes. Warum sollte ein Instrument gegen rechte Gruppierungen nicht auch gegen Linke Gruppierungen verwendet werden dürfen? (verkürzt formuliert).

    Gesetze und Regeln gelten doch für Alle gleichermaßen, sonst wäre es ja Diskriminierung ;-)