Geld für Klima-AktivistInnen: Rebellen-Streit über Großspenden
Eine hohe Spendensumme aus den USA an Extinction Rebellion stößt in Deutschland auf Vorbehalte. Ein Kompromiss soll Frieden schaffen.
Im deutschen Ableger der Graswurzel-Bewegung Extinction Rebellion gibt es Streit ums Geld. Aber nicht etwa, weil es zu knapp wäre – sondern weil es plötzlich reichlich verfügbar ist. Denn drei vermögende PhilantropInnen aus den USA – Investor Trevor Neilson, Dokumentarfilmerin Rory Kennedy und Stiftungsmanagerin Sarah Ezzy – haben einen sogenannten Climate Emergency Fund gegründet, also einen Klimanotstandsfonds.
Mit zunächst 500.000 Dollar sollen Extinction Rebellion und andere junge Bewegungen unterstützt werden, die sich gegen den Klimawandel engagieren; insgesamt stehen noch deutlich höhere Summen im Raum. Die schlimmsten Folgen der Klimakrise ließen sich nur durch eine „friedliche, weltweite Mobilisierung“ verhindern, schreiben die Initiatoren zur Begründung. Im Beirat des Fonds sitzt unter anderem der renommierte US-Klimaschützer und Autor Bill McKibben.
Extinction Rebellion (etwa: Rebellion gegen das Aussterben) ist im vergangenen Jahr in Großbritannien entstanden. Für Aufsehen gesorgt hat die Initiative vor allem im April mit einer mehrtägigen Massenblockade diverser Brücken in London, bei der mehrere hundert Menschen festgenommen wurden. In Deutschland, wo etwa 50 Ortsgruppen von Extinction Rebellion aktiv sind, gab es neben vielen Vortragsveranstaltungen bisher diverse kleinere Protestaktionen wie Straßenblockaden oder Performances.
Bis zu 50.000 Euro pro Gruppe
Für die nächste Protestwelle, die ab dem 7. Oktober geplant ist, können sich nun auch die deutschen Gruppen um das Geld bewerben, das der Climate Emergency Fund der Organisation in Großbritannien zur Verfügung gestellt hat. In einem ersten Schritt können Ortsgruppen 5.000 Euro bekommen; längerfristig und für überregionale Strukturen sollen Summen von 50.000 Euro möglich sein. Das Geld soll den Unterlagen zufolge sowohl für die Organisation von Vortragsveranstaltungen und Aktionen verwendet werden können als auch für den Lebensunterhalt von AktivistInnen, die sich zeitweise komplett der Bewegung widmen.
Doch während die angebotenen Spenden in Großbritannien Medienberichten zufolge gern angenommen wurden, haben sie in Deutschland für heftige Debatten gesorgt. Das geht aus internen Protokollen von Extinction Rebellion hervor, die der taz vorliegen. Zum einen sorgen sich viele AktivistInnen, dass die Spenden den Charakter der Bewegung verändern. Es sei fraglich, „ob eine Grassroot-Bewegung mit stark hauptamtlich geprägten Strukturen überhaupt noch eine Grassroot-Bewegung ist“, lautet ein Kritikpunkt im internen Online-Diskussionsforum von Extinction Rebellion. Zudem berge die Annahme von Großspenden „Gefahren der Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit“. Jemand anderes bezweifelt, dass die Mittel erforderlich seien. „Wenn Geld das wäre, was Bewegungen zu einem schnellen Erfolg verhilft, dann hätte z. B. Greenpeace […] längst die Klimakrise beendet“, heißt es.
Sorge um die Glaubwürdigkeit
Kritische Anmerkungen gibt es auch zur Herkunft des Geldes. Denn eine der Mitgründerinnen des Climate Emergency Funds verwaltet auch die Aileen Getty Stiftung, deren Kapital ursprünglich aus Ölgeschäften stammt. Während einige meinen, man dürfe solche Gelder keinesfalls annehmen, um die Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden, sehen andere AktivistInnen darin kein Problem. „Praktisch betrachtet ist es besser, wenn das Getty-Geld an eine XR [Extinction Rebellion] Gruppe geht denn an eine neuen Ölraffinerie“, heißt es in einem Diskussionspapier.
Tino Pfaff, Extinction Rebellion
Tino Pfaff von der bundesweiten Presse AG von Extinction Rebellion bestätigt der taz den Vorgang. „Es gab einen intensiven bundesweiten Dialog über den Umgang mit den angebotenen Großspenden“, sagt er. Als Ergebnis sei ein Kompromiss gefunden worden, der in Kürze kommuniziert werden soll. „Wir stellen es den Ortsgruppen und einzelnen Arbeitsgruppen von Extinction Rebellion in Deutschland frei, die Gelder anzunehmen oder abzulehnen“, sagte Pfaff. Dass die Bewegung dadurch ihre Unabhängigkeit verliere, fürchte man nicht. „Wir werden keine Einflussnahme der Geldgeber*innen auf die Verwendung der Spendengelder akzeptieren“, erklärte das Mitglied des Presseteams.
Ob für die Bundesebene Geld beantragt werde, sei noch nicht entschieden, sagte Pfaff. Auch wie viele Ortsgruppen das Angebot annehmen, ist noch offen. Eine interne Übersicht von Anfang August listete fünf Gruppen auf, die Interesse hatten: Heidelberg, Leipzig und Erlangen wollten jeweils 5.000 Euro beantragen, in Köln war die Summe noch unklar. Die Berliner Ortsgruppe, die im Oktober ein großes Protestcamp plant, hat 75.000 Euro beantragt.
Ob der Streit mit diesem Kompromiss wirklich befriedet ist, bleibt abzuwarten. Im Vorfeld hatten mehrere AktivistInnen deutlich gemacht, dass es für sie keine Lösung sei, die Entscheidung auf die lokale Ebene zu verlagern. „Ich befürchte besagten Imageschaden bereits, wenn nur einzelne Ortsgruppen das Geld annehmen“, hieß es in einem Beitrag. Andere betonten dagegen, dass die dezentrale und hierarchiefreie Struktur von Extinction Rebellion es gar nicht erlaube, den Ortsgruppen Vorschriften über den Umgang mit Spenden zu machen.
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