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Verfassungsschutzchefin über Polizei„Höchste Aufmerksamkeit geboten“

Rechtsradikale Vorfälle in der Polizei häufen sich. Strukturen will Beate Bube, Chefin des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg, aber nicht erkennen.

Rechtsextremistische Netzwerke bei der Polizei seien dem Verfassungsschutz nicht bekannt, sagt Bube Foto: dpa
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Müssen wir mit Rechts­extremist*Innen bei der Polizei leben?

Beate Bube: Nein, Beamte sind zur Verfassungstreue verpflichtet. Besonders bei den Sicherheitsbehörden ist dies wichtig. Die Bevölkerung würde das Vertrauen in die Polizei verlieren, wenn dort Verfassungsfeinde tätig wären. Es bestünde dann auch die Gefahr, dass sicherheitsrelevantes Wissen in die falschen Hände gerät.

Gesinnungsgenossen könnten gewarnt und politische Gegner ausgespäht werden …

Ja, hier ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Extremisten bei der Polizei darf es nicht geben.

Existieren in der baden-württembergischen Polizei tatsächlich keine rechtsextremistischen Netzwerke?

Es gab zwar Einzelfälle von Rechtsextremisten bei der Polizei, Netzwerke sind aber keine bekannt.

Was ist mit den Polizisten, die beim Ku-Klux-Klan waren? Einer der beiden war ja Gruppenführer der 2007 in Heilbronn vom NSU erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter.

Auch bei diesem Fall aus den Jahren 2001/2002 handelte es sich um Einzelerkenntnisse im Zusammenhang mit Polizisten, nicht aber um eine rechtsex­tre­mistische Struktur innerhalb der Polizei.

Sind Sie sicher, dass Sie heute alles wissen?

Natürlich nicht. Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet extremistische Bestrebungen, und wenn uns dabei ein Polizist auffällt, sagen wir seinem Dienstherrn Bescheid. Aber wir beobachten extremistische Gruppierungen und suchen nicht systematisch bei der Polizei nach Extremisten.

Sie sind doch der Verfassungsschutz …

Unsere Aufgaben sind beschränkter, als viele denken. Zunächst muss jede Institution – auch die Polizei – für sich selbst bestrebt sein, dass keine extremistischen Strukturen entstehen. Das ist eine wichtige Aufgabe auch für jede Führungskraft. Bei Bedarf hilft der Verfassungsschutz dann mit Informationen und Einschätzungen.

Warum so bescheiden? Nie war der Ruf nach dem Verfassungsschutz so laut wie heute.

Eine überzogene Erwartungshaltung führt absehbar zu vermeintlichen Misserfolgen. Und dann heißt es wieder: „Der Verfassungsschutz hat versagt.“ Da will ich rechtzeitig gegensteuern. Wir haben in Baden-Württemberg rund 30.000 Polizisten, die können wir nicht alle ständig durchleuchten, das ist weder unsere Aufgabe noch besteht dafür ein Anlass. Es gibt in Baden-Württemberg keinerlei Anlass für einen Generalverdacht.

Wird kontrolliert, ob Ex­tre­mis­t*Innen bei der Polizei eingestellt werden?

In den 1970er Jahren gab es vor jeder Einstellung im öffentlichen Dienst die Regelanfrage an den Verfassungsschutz, ob etwas vorliegt. Dann aber wurde der Radikalenerlass abgeschafft. Allerdings muss ein Polizeianwärter unterschreiben, dass er keiner extremistischen Gruppierung angehört. Dieser Erklärung ist eine Liste mit verfassungsfeindlichen Organisationen beigefügt, damit es keine Missverständnisse gibt.

Im Interview: Beate Bube

54, ist seit 2008 Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg.

Steht auch die AfD auf dieser Liste?

Nein, die AfD als Gesamtpartei ist kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz. Auf der Liste steht seit einigen Monaten allerdings die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“, die in Baden-Württemberg seit November 2018 beobachtet wird.

Wird nicht auch der von Björn Höcke dominierte AfD-„Flügel“ vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet?

Richtig. Der „Flügel“ ist seit Januar 2019 Beobachtungsobjekt.

Und was gilt für die Einstellung von Mitarbeiter*Innen bei Ihrer eigenen Behörde, dem Landesamt für Verfassungsschutz?

Hier gibt es bei der Einstellung tatsächlich eine deutlich strengere Sicherheitsprüfung, die alle Mitarbeiter durchlaufen müssen, vom Abteilungsleiter bis zum Pförtner. Wer erpressbar ist oder extremistische Tendenzen hat, wird erst gar nicht eingestellt. Die Prüfung wird auch regelmäßig wiederholt. Solch eine strenge Überprüfung hat auch eine abschreckende Wirkung – die Wahrscheinlichkeit, dass ein Extremist ausgerechnet beim Verfassungsschutz arbeitet, ist also recht gering.

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9 Kommentare

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  • "... die Wahrscheinlichkeit, dass ein Extremist ausgerechnet beim Verfassungsschutz arbeitet, ist also recht gering."

    Andreas T. der in Kassel an einem Tatort des NSU war, belegt klar das Gegenteil.

    Und hier arbeitete die Polizei sehr gut - an wie vielen Stellen und wie häufig das nicht der Fall, wissen wir ja nicht.

    Ach ja in den 1950ern und 1960ern setzten die Gheimdienst-Mitarbeiter aus dem NS-Staat oft genug ihrer Karriere bei bundesdeutschen Geheimdiensten fort. Die Rechtsauslage dieser Dienste ist keine Erfindung.

    Was diese Frau hier im Interview sagt, kann alles sein, aber es erscheint mir nicht wahr, sondern wie eine Beschönigung.

    Wer zur Polizei geht, glaubt an einen Ordnungsstaat und was schreibt die Polizei, wenn sie Personal sucht: Sie gibt eine Beschreibung wie für einen Sozialarbeiter ab. In Hamburg warb die Polizei mit Bildern, die suggerierten, hier wäre mächtig was los, Waffen und Action.

    Das Problem ist doch, dass die Polizei ein mehr als merkwürdiges Verhältnis zu eigenen Identität hat. Sozialarbeiter sind sie nicht, aber die knallharten Bullen wollen sie auch nicht sein. So wie die Polizei Personal sucht und was sie mit den Uniformen, Dienstgraden und der Hierarchie tatsächlich ist, zieht sie Menschen mit staatszentrierten und autoritären Ideen magisch an.

    Dazu kommt noch, dass Polizeiübergriffigkeit meist durch ein 'Bruderschaftssystem' geschützt wird. Damit haben es 'schwarze' Schafe bei der Polizei nochmal leichter zu überleben. Der Teppich unter den gekehrt wird, ist gewaltig groß.

    Und deswegen glaube ich kein Wort von diesem Interview dort.



    Selbst im Geheimdienst arbeiten Menschen mit Glauben an autoritäre, rechte Staatsideen.

    Ich behaupte, dass heute immer noch ein Mensch mit rechtsextremen Ideen dort angestellt werden kann, solange er sich nicht organisiert und engagiert. Und der fällt kaum auf, da es sehr hierarchisch ist, ist seine echte Meinung dort kaum gefragt - kriegt keiner mit.

  • eine so wunderschöne Formulierung:



    "Strukturen will Beate Bube aber nicht erkennen."

  • Der letzte Satz sollte richtig lauten:



    Die Wahrscheinlichkeit, dass ein allzu dummer Extremist...

  • Zitat: „Die Bevölkerung würde das Vertrauen in die Polizei verlieren, wenn dort Verfassungsfeinde tätig wären. Es bestünde dann auch die Gefahr, dass sicherheitsrelevantes Wissen in die falschen Hände gerät.“

    Ich verstehe nicht, was der Konjunktiv soll. Mir scheint, diese Verfassungsschutzchefin schützt nicht die Verfassung, sondern sich selbst und ihre Mitarbeiter. Davor, sich überfordert zu fühlen mit einem Job, der zwar ihrs Auskommen sichert, der aber anstrengend sein könnte, wenn die Verantwortlichen die Augen aufmachen und die Finger aus den Ohren nehmen würden.

    Wenn die Aussage „Extremisten bei der Polizei darf es nicht geben“, bereits die „höchste Aufmerksamkeit“ manifestiert, zu der Beate Bube fähig ist, und die Frau über „Einzelfälle“ hinaus keine rechtsextremistischen „Netzwerke“ kennt, war es womöglich doch nicht besonders klug, sich eine Frau auf den Posten zu wünschen.

    Man muss natürlich Prioritäten setzen. Aber nicht unbedingt die falschen. Vielleicht haben gewisse Menschen beim Blick auf Frau Bubes Foto in der taz das gute Gefühl, sie hätten Erfolg gehabt. Das rechtfertigt aber nicht, die Verfassung schutzlos zu lassen. Nicht mal in Baden-Württemberg.

    Dass nicht sein kann, was nicht sein darf, ist jedenfalls kein guter Grund, nicht systematisch nach Extremisten zu suchen bei der Polizei. Die Polizei, schließlich, ist dank ihrer Strukturen (starre, steile Hierarchien mit viel unkontrollierte Macht an der Spitze und ebenso viel Ohnmacht an der Basis, Quasi-Heiligsprechung von Waffengewalt etc.) genau so attraktiv für Rechte wie die Armee. Sie sollte also ruhig eine Extra-Portion Aufmerksamkeit abkriegen.

    Im Übrigen liegt es nicht in der Natur des Menschen, ausschließlich und umgehend das zu tun, was gut und richtig ist. Schon gar nicht, wenn ein „System“ Druck erzeugt und zugleich Freibriefe ausstellt. Wer das nicht weiß als Verfassungsschutzchef*in und sich auf die angeblich abschreckende Wirkung von Drohungen verlässt, ist: eine Fehlbesetzung.

  • Dass die deutschen Polizeien (gesamtdeutsch) ein strukturelles Problem mit Faschisten haben, ist spätestens seit dem Mord an Ohnsesorg gar nicht mehr zu bestreiten. Genauso die Komplizenschaft der Justizorgane.

  • "Die Bevölkerung würde das Vertrauen in die Polizei verlieren, wenn dort Verfassungsfeinde tätig wären. Es bestünde dann auch die Gefahr, dass sicherheitsrelevantes Wissen in die falschen Hände gerät."

    Ach wie schön ist doch der Konjunktiv...

  • Frau Bube scheint eine Skeptikerin zu sein, getreu dem Motto "Es kann nicht sein, was nicht sein darf". Eigentlich verständlich, denn, sollte es doch sein, dann müsste sie ja aktiv werden und Veränderungen in Gang setzen.

    Aber Menschen, die so an die alteingesessenen Strukturen gewöhnt sind, fürchten Veränderungen. Erstens kosten diese meistens viel Geld, das man nicht hat oder für Reformen ausgeben möchte, und zweitens weiß man vorher ja gar nicht, ob man hinterher möglicherweise persönlich schlechter dasteht, weil man z.B. Kompetenzen abgeben muss und dadurch an Einfluss verliert.

    Alles so zu lassen wie es ist, könnte einem vor diesem Hintergrund als die kostentechnisch lukrativere Variante erscheinen. Vielleicht mit ein Grund, warum sich nichts ändert und nie was passiert...

    • @Grandiot:

      Schlag ich doch glatt mal ne machbare Veränderung vor.

      Frau Beate Bube spricht dankenswerter- & korrekterweise durchweg von Extremismus.



      Nur. Sollte sie dann konsequenterweise dann auch zur ursprünglichen & allein “korrekten“ Bezeichnung “Extremismuserlaß“ zurückkehren - statt weiterhin & zumindest mißverständlich - der erst später - aus nur zu durchsichtig reaktionären Gründen - gewählten Bezeichnung “Radikalenerlaß“ - zu benutzen.

      unterm——



      “Insgesamt sind etwa 1000 Bewerber – vor allem Mitglieder der DKP – wegen mangelnder Verfassungstreue nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt worden. Nach dem Ende der DDR wurde der Extremistenbeschluss nicht wieder belebt.“ - wiki -



      &



      Schon 1978 erfreute ich bei Einstellung den höchsten Verfassungsrichter eines Flächenlandes mit dieser so offensichtlichen & korrekten Unterscheidung & (“…im Gegenteil - radikales Denken tue Not in heutiger Zeit!“)

      So geht das - 😈

      ——ansonsten —



      Ist mir diese Abwieglungssuppe doch ziemlich dünn geraten.



      Angesichts der bundesweit unabweisbaren personellen & organisatorischen Kontinuität der Polizei in den einzelnen Ländern von den Polizeibataillonen der NS-Zeit & deren Übergänge & strukturelle Kontinuität in die Nachkriegspolizei - ist es etwas durchsichtig mittels “ …kein Generalverdacht…“ org-soziologisch bekannte strukturelle Kontinuität - Stichwort Korpsgeist Ckmlosed-Shop-Mentalität etc - derartiger selbstreferenzieller Systeme beseite wischen zu wollen & gebetsmühlenartig auf “Einzelfälle“ zu rekurrieren.

      Ein Oil of Olaf I. aus HH - der keine polizeiliche Gewalt gesehen haben will - als rechtsinaffine Echowand & neustens - “Einmal-Polizist-Immer-Polizist“-AusweisMentalität - als klassische antidemokratische Verirrung - tun ein übriges.

      kurz - Problembewußtsein & Ansätze zu demokratisch notwendigen strukturellen Veränderungen - können nur gelingen. Wenn über eine derartige Engführung wie hier auf extremistisch das Ganze lösungsorientiert in den Blick genommen ist/wird.