Ehemalige SPD-Umweltministerin: Hendricks stand auf Monsanto-Liste
Ein nun veröffentlichter Auszug enthält keine Privatdaten. Aber es gibt Zweifel, ob der Konzern die Einträge über Glyphosat-Gegner komplett offenlegt.
Diesen hat Hendricks nun von einer Anwaltskanzlei des heutigen Monsanto-Eigentümers, der Bayer AG, erhalten. Er liegt der taz vor. Die Passage enthält keine sensiblen Daten. Möglicherweise habe Bayer die Einträge nicht vollständig offengelegt, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der taz.
Bayer hatte ab Mitte Mai eingeräumt, dass die PR-Agentur FleishmanHillard im Auftrag von Monsanto Listen etwa über Industrie- und Verbandsvertreter, Politiker, Lobbyisten und Journalisten in Frankreich und anderen EU-Ländern angelegt habe. In Frankreich waren darauf dortigen Medien zufolge 2016 rund 200 Namen teils mit Privatadresse und Hobbys aufgeführt.
Ziel war es, die 2017 tatsächlich erfolgte Wiederzulassung von Glyphosat in der EU zu erreichen – obwohl die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation den weltweit meistverkauften Pestizidwirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte.
Monsanto wollte Hendricks Widerstand brechen
Die Passage über Hendricks zeigt, dass die Lobbyisten ihre „Targets“ (Ziele) je nach ihrer Position zu Glyphosat in sechs durch Farben unterschiedenen Kategorien einteilten: von „unbekannt“ (grau) über „aktiver Unterstützer“ (grün) bis „stark dagegen“ (dunkelrot). Hendricks war in der Gruppe „dagegen“ (rot), deren Mitglieder laut FleishmanHillard aber „potenziell beweglich“ waren. Die Umweltministerin sei die „stärkste Gegnerin“. Sie benutze ihr Veto, damit Deutschland der Glyphosat-Zulassung nicht zustimme.
Als Ziel setzte sich das Unternehmen deshalb: „Sie dazu zu bringen, zu einer neutralen Position zu wechseln.“ Dafür wolle man Menschen, die Hendricks beeinflussen, über Studien, Veranstaltungen und Treffen die Botschaft übermitteln: „Konventionelle Landwirtschaft darf nicht der Sündenbock sein für alle Arten von Problemen; Glyphosat ist ein wichtiger Teil von nachhaltiger Landwirtschaft.“
Aus dem Listenauszug, über den zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte, sind keine privaten Informationen ersichtlich, wie es über Fälle aus Frankreich berichtet wurde. Das trifft laut dem Gesundheitspolitiker Lauterbach auch auf die Daten aus der Liste zu, die er von Bayer über sich bekommen hat. Allerdings lässt sich von außen nicht überprüfen, ob Bayer wirklich den kompletten Listeneintrag offengelegt oder möglicherweise heikle Informationen weggelassen hat. „Es kann gut sein, dass das nur ein Teil ist“, sagte Lauterbach.
Französische Politikerin nach taz-Bericht informiert
Hendricks teilte der taz mit, „dass geradezu Dossiers über einzelne Personen angelegt werden, hat mich doch sehr befremdet“. Es habe niemand versucht, sie zu beeinflussen, „aber ich kann nicht ausschließen, dass versucht wurde, dies bei MitarbeiterInnen des Ministeriums zu tun“.
Hendricks blieb jedenfalls seinerzeit bei ihrem Nein. Doch darüber setzte sich der damalige Agrarminister Christian Schmidt (CSU) hinweg und stimmte bei der entscheidenden Abstimmung in Brüssel für die Zulassung von Glyphosat. Damit verletzte er die Geschäftsordnung der Bundesregierung, die bei unterschiedlichen Auffassungen der Koalitionspartner verlangt, dass Deutschland sich in EU-Abstimmungen enthält.
Die taz hatte am 27. Juni berichtet, dass mehrere Journalisten und Politiker, die nachweislich auf der französischen Variante der Liste genannt sind, bis dahin nicht von Bayer informiert wurden. Dabei hatte der Konzern behauptet, bis 14. Juni seien alle rund 600 Betroffenen in Deutschland und Frankreich per Post angeschrieben worden. Nach dem taz-Bericht haben die Konzernanwälte nun aber zumindest der französischen Grünen-Politikerin Michèle Rivasi bestätigt, dass sie auf der Liste stehe. Das Schreiben ist auf den 2. Juli datiert. (Mitarbeit: Rudolf Balmer, Paris)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes