piwik no script img

Ehemalige SPD-UmweltministerinHendricks stand auf Monsanto-Liste

Ein nun veröffentlichter Auszug enthält keine Privatdaten. Aber es gibt Zweifel, ob der Konzern die Einträge über Glyphosat-Gegner komplett offenlegt.

Das mochte Monsanto nicht: Barbara Hendricks kritisiert Ende 2017 die Zulassung von Glyphosat Foto: dpa

Berlin taz | Auf den „schwarzen Listen“ des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto über Gegner und Unterstützer seines Pestizids Glyphosat stand auch die ehemalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Die SPD-Politikerin müsse über andere Parteimitglieder, die so „hochrangig wie möglich“ sein sollten, und „über andere Bürokraten“ beeinflusst werden, heißt es in einem Auszug aus der Liste.

Diesen hat Hendricks nun von einer Anwaltskanzlei des heutigen Monsanto-Eigentümers, der Bayer AG, erhalten. Er liegt der taz vor. Die Passage enthält keine sensiblen Daten. Möglicherweise habe Bayer die Einträge nicht vollständig offengelegt, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach der taz.

Bayer hatte ab Mitte Mai eingeräumt, dass die PR-Agentur FleishmanHillard im Auftrag von Monsanto Listen etwa über Industrie- und Verbandsvertreter, Politiker, Lobbyisten und Journalisten in Frankreich und anderen EU-Ländern angelegt habe. In Frankreich waren darauf dortigen Medien zufolge 2016 rund 200 Namen teils mit Privatadresse und Hobbys aufgeführt.

Ziel war es, die 2017 tatsächlich erfolgte Wiederzulassung von Glyphosat in der EU zu erreichen – obwohl die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation den weltweit meistverkauften Pestizidwirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte.

Monsanto wollte Hendricks Widerstand brechen

Die Passage über Hendricks zeigt, dass die Lobbyisten ihre „Targets“ (Ziele) je nach ihrer Position zu Glyphosat in sechs durch Farben unterschiedenen Kategorien einteilten: von „unbekannt“ (grau) über „aktiver Unterstützer“ (grün) bis „stark dagegen“ (dunkelrot). Hendricks war in der Gruppe „dagegen“ (rot), deren Mitglieder laut FleishmanHillard aber „potenziell beweglich“ waren. Die Umweltministerin sei die „stärkste Gegnerin“. Sie benutze ihr Veto, damit Deutschland der Glyphosat-Zulassung nicht zustimme.

Als Ziel setzte sich das Unternehmen deshalb: „Sie dazu zu bringen, zu einer neutralen Position zu wechseln.“ Dafür wolle man Menschen, die Hendricks beeinflussen, über Studien, Veranstaltungen und Treffen die Botschaft übermitteln: „Konventionelle Landwirtschaft darf nicht der Sündenbock sein für alle Arten von Problemen; Glyphosat ist ein wichtiger Teil von nachhaltiger Landwirtschaft.“

Aus dem Listenauszug, über den zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte, sind keine privaten Informationen ersichtlich, wie es über Fälle aus Frankreich berichtet wurde. Das trifft laut dem Gesundheitspolitiker Lauterbach auch auf die Daten aus der Liste zu, die er von Bayer über sich bekommen hat. Allerdings lässt sich von außen nicht überprüfen, ob Bayer wirklich den kompletten Listeneintrag offengelegt oder möglicherweise heikle Informationen weggelassen hat. „Es kann gut sein, dass das nur ein Teil ist“, sagte Lauterbach.

Französische Politikerin nach taz-Bericht informiert

Hendricks teilte der taz mit, „dass geradezu Dossiers über einzelne Personen angelegt werden, hat mich doch sehr befremdet“. Es habe niemand versucht, sie zu beeinflussen, „aber ich kann nicht ausschließen, dass versucht wurde, dies bei MitarbeiterInnen des Ministeriums zu tun“.

Hendricks blieb jedenfalls seinerzeit bei ihrem Nein. Doch darüber setzte sich der damalige Agrarminister Christian Schmidt (CSU) hinweg und stimmte bei der entscheidenden Abstimmung in Brüssel für die Zulassung von Glyphosat. Damit verletzte er die Geschäftsordnung der Bundesregierung, die bei unterschiedlichen Auffassungen der Koalitionspartner verlangt, dass Deutschland sich in EU-Abstimmungen enthält.

Die taz hatte am 27. Juni berichtet, dass mehrere Journalisten und Politiker, die nachweislich auf der französischen Variante der Liste genannt sind, bis dahin nicht von Bayer informiert wurden. Dabei hatte der Konzern behauptet, bis 14. Juni seien alle rund 600 Betroffenen in Deutschland und Frankreich per Post angeschrieben worden. Nach dem taz-Bericht haben die Konzernanwälte nun aber zumindest der französischen Grünen-Politikerin Michèle Rivasi bestätigt, dass sie auf der Liste stehe. Das Schreiben ist auf den 2. Juli datiert. (Mitarbeit: Rudolf Balmer, Paris)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Die Liste ist m. E. logischerweise nicht "aktuell". Und wer da draufstand, ist in Bezug auf Macht- und Einflußmöglichkeiten fokuusiert.



    Das für mich Erschreckenden daran ist, dass Lobbyisten wie Bayer/Monsanto als dermaßen "normal" hingenommen werden!



    So eine Liste (egal wer draufsteht oder nicht) ist eine Grundlage für Politik neben der Politik, was genau damit gemacht wird, wage ich mir nicht einmal vorzustellen. Da geht es um blanke Macht.



    Das allein ist m. E. mehr als erschreckend, weil da jede Art von auch noch so kleinen Skrupeln fehlen dürfte.



    Sollte es nötig sein kann so ein Konzern, der seine Machtansprüche angeblich "gefährded" sieht zu ganz anderen Mittel greifen, die nie ans Licht kommen werden, weil die|der "Erpresste" kein Interesse hat die eigenen Leichen im Keller öffentlich zu machen. Und die Change, dass das auch noch so investigative Journalisten – falls es solche überhaupt noch gibt – rauskriegen ist ja maximal 50:50.



    Mir graust's.



    Ich verweise nochmal auf den Link über Vandana Shiva, sogar Indien(!) hat kapiert, was das sofortige Gebot der Stunde ist.



    schrotundkorn.de/l...zide-bis-2030.html

  • Wow, wie schockierend. Da ist eine Bundesumweltministerin gegen die (Wieder-)Zulassung von Glyphosat, vertritt ihre Position öffentlich, wie dies Minister nun einmal zu tun pflegen - und dann schreibt Monsanto das irgendwo auf. Was soll das denn für einen Nachrichtenwert haben? Es ist doch völlig selbstverständlich, dass jede Organisation sich anguckt, wer ihren Interessen nutzen und wer ihnen schaden kann. Und es ist auch selbstverständlich, dass versucht wird, Politiker und sonstige Entscheider und/oder Meinungsmacher zu beeinflussen. vor allem, wenn sie in der Bundesregierung sitzen. "Ehemalige SPD-Umweltministerin Hendricks stand auf Monsanto-Liste" ist nicht wirklich eine Schlagzeile wert.

    • @Budzylein:

      In unserem System ist das ganz normal, da gebe ich Ihnen recht, mit einer Demokratie, in der der Volkswille repräsentiert wird hat das aber dann nichts mehr zu tun. Tolerieren darf man so etwas nicht, denn das ist die Wurzel allen Übels, die dann unausweichlich zu offensiven Kriegen, Stehlen von Ressourcen und sogar potentiellen Auslöschungsszenarien wie der Klimakrise führt.

    • @Budzylein:

      So ist es. Zumal die Tatsache, dass Frau Dr. Hendricks auf der Liste steht, ein Indiz dafür ist, dass das Ding veraltet ist und keine aktuelle Bedeutung hat. Die gesamte Geschichte spinnt sich um die Mutmaßungen von Herrn Lauterbach.

      Wirklich witzig finde ich hingegen, dass prominente Glyphosat-Gegner der Grünen wie Harald Ebner und Renate Künast nicht auf der Liste stehen und "Negativ-Bescheide" bekommen haben. Das muss eine herbe Enttäuschung für die beiden gewesen sein - oder eben ein Beleg für die Nichtigkeit dieser Liste.

  • welche Politiker waren grün, welche mit, welche ohne Bestechung?