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WM-Kolumne B-NoteSteilpass ins Weiße Haus

Kolumne
von Johannes Kopp

Heikle Staatsangelegenheit: Die US-Spielerin Megan Rapinoe provoziert Donald Trump, der prompt das gesamte US-Team einlädt.

Im Fall eines Titelgewinns habe Rapinoe gar keinen Bock ins „verfickte weiße Haus“ zu gehen Foto: reuters

E ine Staatsangelegenheit ist im Unterschied zum Männerfußball der Frauenfußball eher selten. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte zuletzt vor acht Jahren bei der Heim-WM ein Spiel des DFB-Teams. Seither ist sie eine Telefonfreundin des deutschen Frauenfußballs. Vor der WM hat sie die Nummer der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gewählt und ihr alles Gute für das Turnier gewünscht. Zum Viertelfinaleinzug folgte dann eine Glückwunsch-Sms.

Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven ist bereits zum Achtelfinale extra nach Paris gereist und war Augenzeuge des 1:0-Erfolgs gegen Kanada. Und nach der Partie äußerte er sich zudem durchaus fachkundig – andere meinen provokativ – zum kommenden Gegner: „Deutschland ist nicht mehr das Deutschland, das es noch vor ein paar Jahren war.“ Aber das staatsmännische Interesse für die Fußballerinnen ist eher eine skandinavische Eigenheit.

Im Land des amtierenden Weltmeisters USA könnte man ähnliche Wertschätzung erwarten, nur regiert dort ja Donald Trump. Seit Mittwoch allerdings ist der Frauenfußball in den USA ebenfalls zu einer Staatsangelegenheit geworden und das hat nichts mit irgendwelchen Erfolgen, sondern mit dem strategischen Geschick von Megan Rapinoe zu tun. Schon oft hat die US-Kapitänin ihr gutes Auge für die Schwachstellen ihrer Gegnerinnen bewiesen, im Falle von Donald Trump reichte schon eine recht schlichte Falle.

Not going

Einem US-Fußballmagazin erklärte die bekennende Trump-Gegnerin, im Fall des Titelgewinns überhaupt keine Lust zu haben, in das „verfickte Weiße Haus“ zu gehen. Und ohnehin ginge sie davon aus, dass Trump aus Angst vor Ablehnung das US-Teams gar nicht einladen werde. Trumps Reaktion kam so prompt wie berechenbar. Via Twitter verkündete er, das US-Team werde nun erst recht ganz unabhängig vom Abschneiden ins Weiße Haus eingeladen. Vorlage verwandelt. Ein tolles Zusammenspiel. Fast wünscht man sich, dass die USA gegen Frankreich im Viertelfinale 0:13 verliert. Trump beim Fototermin mit einem Loser-Team, das hätte etwas.

Megan Rapinoe wäre in jedem Fall nicht dabei. Als eine der ersten Sportlerinnen folgte die 33-jährige dem Protest des schwarzen Footballers Colin Kaepernick gegen Polizeigewalt und rassistische Diskriminierung und kniete sich wie er bei der Nationalhymne nieder. Der US-Fußballverband verbot die Geste, seither singt sie die US-Hymne nicht mit. Ihre jüngsten Einlassungen gegen das Weiße Haus verurteilte Trump am Mittwoch als respektlos.

Fast wünscht man sich eine hohe Niederlage der USA. Trump beim Fototermin mit einem Loser-Team, das hätte etwas

Sie solle erst einmal Leistung zeigen. Eingeladen ist sie nun aber so oder so. Das ist ein großer Clou und Erfolg für den Frauenfußball. Der Termin im Weißen Haus steht und es wäre nicht verwunderlich, wenn sich das gesamte Team mit dem Boykott von Rapinoe solidarisch erklären würde. Es wäre dann ein Eigentor von Trump gewesen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • Dem Männer-Fußball hat es nicht wirklich gutgetan, staatstragend zu werden, fürchte ich. Die Vorschusslorbeeren von ganz oben, jedenfalls, haben nicht all zu viel gebracht bei der letzten WM. Vielleicht ist es ja doch besser, die jeweils amtierende Kanzlerin besucht die Frauenmannschaft (!) nicht in ihrer Kabine und schaut sich auch das Spiel – wenn überhaupt – höchstens vom privaten Fernseher aus an.

    Schließlich: Entweder ist Fußball ein Spiel, dann kann auch mal eine Niederlage drin sein, die einer aufstrebenden Mittelmacht nicht unbedingt gut zu Gesicht steht. Oder er ist nurein Geschäft und also käuflich, dann ist er allerdings auch bloß kein gutes Aushängeschild für eine Politik, die an Sonntagen viel von fairem Wettbewerb schwadroniert.

    Im Übrigen hätte ich von Trump bei Gelegenheit gerne definiert, was ganz genau „respektlos“ ist. Mir scheint, der Mann hat an der Stelle eine ganze Menge praktische Erfahrung. Eine Erfahrung, die er sich selbst offenbar als „Leistung“ auslegt. Es soll, hört man, ein paar Leute in den USA geben, die darin einen „Clou“ und einen „Erfolg“ sehen, kein „Eigentor“.

    Ist eben doch immer die Frage, wer die Regeln macht, nach denen gespielt wird.

  • Respekt an Rapinoe, aber mal ehrlich: Wenn der US-Präsident Spiele einer Fußball-WM verpasst, dann ist das etwa so, wie wenn die deutsche Bundeskanzlerin beim entsprechenden Ereignissen im Tischtennis oder Alpinski fehlt. "Soccer" als Leistungssport ist in den USA geschlechtsunabhängig nicht von nationalem Interesse, schon gar nicht bei Trumps Stammwählern. "America First" heißt da im Zweifel auch, dass außer Football, Basketball und Baseball wenig interessiert.