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Postenverteilung in der EU-KommissionDonald Tusk umwirbt die Grünen

Der Ratspräsident empfiehlt, bei den Kommissarsposten die Grünen zu bedenken. Die aber haben sich noch nicht festgelegt. Die Linke schon.

Denkbar wäre, Grüne aus nicht deutschen Ländern zu nominieren – zum Beispiel Philippe Lamberts Foto: imago images/Jens Jeske

Straßburg taz | Bekommen die Grünen einen Platz in der nächsten EU-Kommission? Dafür hat sich EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag in Straßburg ausgesprochen. Ein grüner Kommissar beziehungsweise eine grüne Kommissarin wäre „gut für Europa“, sagte der konservative Pole. Die Grünen hatten sich schon vor Wochen selbst ins Gespräch gebracht. Derweil bekräftigte die Linke, dass sie in die Opposition gehen will.

„Ich appelliere an alle meine Partner, die Grünen in den Ernennungsprozess einzubeziehen, auch wenn sie keine Staats- und Regierungschefs im Rat haben“, sagte Tusk. Er werde dies auch der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sagen, kündigte Tusk an. Allerdings kann von der Leyen sich ihr künftiges Team nicht selbst aussuchen.

Die EU-Kommissare werden von den 28 Mitgliedsstaaten benannt. Deutschland bekommt jedoch keinen neuen Kommissar, da nun von der Leyen die Brüsseler Behörde führen soll. Deshalb scheiden deutsche Grüne – wie Ska Keller oder Sven Giegold – für ein Amt in der nächsten EU-Kommission aus. Denkbar wäre es hingegen, Grüne aus anderen EU-Ländern zu nominieren – zum Beispiel den belgischen Europaabgeordneten Philippe Lamberts.

Lamberts hatte schon Mitte Juni im kleinen Kreis erklärt, dass die Europa-Grünen einen Posten der EU anstreben. „Es gibt fünf Topjobs zu verteilen, und es wäre ein seltsames Ergebnis, wenn die Grünen am Ende mit null herauskommen“, sagte er. Von der EU-Kommission hat Lamberts aber nicht gesprochen. Vielmehr brachte er für seine Partei das Amt des Parlamentspräsidenten oder des Chefdiplomaten ins Gespräch. Beide Jobs sind mittlerweile vergeben.

Giegold: Grüne sind „höchst skeptisch“

Im Europaparlament haben die Grünen stets betont, dass sie erst über Inhalte reden wollten, dann über Jobs. Ein Treffen mit von der Leyen ist am Montag in Brüssel geplant. Der Grüne Giegold sagte, die Grünen stünden der Nominierung „höchst skeptisch“ gegenüber. Er sprach sich für eine öffentliche Anhörung aus, da von der Leyen europapolitisch ein unbeschriebenes Blatt sei und die Öffentlichkeit ein Recht darauf habe, ihre Haltung kennen zu lernen.

Sollten die Grünen an einer Kommission unter von der Leyen beteiligt werden, so wäre dies ein starkes Signal nach Berlin. Auch dort wird seit einiger Zeit über eine mögliche neue schwarz-grüne Koalition spekuliert – etwa für den Fall, dass die SPD die Regierung verlässt. Zunächst dürfte es Tusk jedoch vor allem darum gehen, von der Leyen eine Mehrheit im Europaparlament zu sichern.

Die Linke will sich an diesen Machtspielen nicht beteiligen. „Wir bilden im neuen Europaparlament die demokratische Opposition“, sagte der deutsche Spitzenkandidat Martin Schirdewan. Mit von der Leyen sei man nicht im Gespräch, sagte er. Seine Fraktion werde sich einem möglichen Treffen aber auch nicht verweigern.

Die Linke will bei der Wahl des nächsten Kommissionschefs in zwei Wochen geschlossen gegen von der Leyen stimmen. Die Grünen haben sich noch nicht festgelegt. Ohne ihre Stimmen könnte es für von der Leyen eng werden.

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11 Kommentare

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  • ...alte Taktik.. If you can't beat them - buy them! Und die Wette gilt, dass sich da wer profilierungssüchtiges finden lässt......

  • Ich wette, dass die Grünen sich mit einem Posten kaufen lassen.

    • @Rolf B.:

      Du wirst wohl keinen finden der dagegen wettet :-)

  • „Es gibt fünf Topjobs zu verteilen, und es wäre ein seltsames Ergebnis, wenn die Grünen am Ende mit null herauskommen“,



    Das wäre seltsam, wenn die Grünen bei der Europawahl auf mehr als 20% gekommen wären. Das sind sie aber nur in Deutschland. In den anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten sind die Grünen viel schwächer bis gar nicht vorhanden,

    • @yohak yohak:

      Das würde ich nicht so sagen. Bis auf Schweden und Österreich überall starke Zugewinne.



      Luxemburg (18,9%),



      UK (16,3%)



      Finnland (16%)



      Österreich (14,1%)



      Frankreich (13,5%)



      Belgien (15,2%)



      Litauen (12,6%)



      Schweden (11,5%)



      Niederlande (10,9%)



      In Luxemburg, Finnland, Schweden und Litauen sind sie an der Regierung beteiligt.

      • 9G
        93649 (Profil gelöscht)
        @Ted007:

        Das sind nur neun von 28 Ländern.

        • @93649 (Profil gelöscht):

          Es sind 16 von 28. Ich habe nicht alle aufgezählt. Hier der Rest:



          Deutschland (24,1% mit ÖDP, Volt, PARTEI, Piraten)



          Tschechien (14%, Piraten, sind aber in der gleichen Fraktion)



          Dänemark (13,2%)



          Irland (11,4%)



          Lettland (6,2%)



          Portugal (5,5%)



          Spanien (4,8%)



          Die Fraktion von der AfD ist ja auch nur in 9 Ländern vertreten.

  • Ich hoffe, dass die Grünen sich nicht auf Tusks unmoralisches Angebot, die Demokratie in Europa für einen armseligen Platz in der nächsten EU-Kommission zu verkaufen, einlassen werden.

    Andernfalls würden sie nicht nur unmittelbar Teil des von der Opposition so vehement kritisierten Postengeschachers hinter verschlossenen Türen und damit zu einem Komplizen bei der Aushebelung demokratischer Verfahren und Prinzipien in Europa.

    Sie würden darüber hinaus auch noch ihre nach den Europawahlen historische Position in der Wählergunst für nen Appel und ein Ei verkaufen. Das Signal, das sie damit nach außen senden, dürfte sogar der ungebildetste alles "Fridays for Future"-Demonstranten verstehen. Die Quittung gäbe es dann spätestens bei der nächsten Bundestagswahl.

    • @Grandiot:

      Das nennt man Kompromisse eingehen. Ich hoffe die Grünen nehmen das Angebot an.

      • @Ted007:

        Das sehe ich auch so. Man könnte es auch antizipierende Realpolitk nennen. Nur wer dabei ist, kann auch mitgestalten und Einfluss verschiedenster Art z.B. als (gar nicht so armseligen) Umwelt-/Climate Change-/ o.ä.- kommissar ausüben. Der Spatz in der Hand ist eben besser als die berühmte Dachtaube

  • Eins verstehe ich nicht: "... ein stakes Signal nach Berlin. Auch dort wird seit einiger Zeit über eine neue schwarz-grüne Koalition spekuliert - etwa für den Fall, dass die SPD die Regierung in Berlin verlässt." Bekanntlich haben CDU/CSU und Grüne keine Mehrheit im Bundestag, Jamaika ist gescheitert und Frau Merkel hat für sich als Bundeskanzlerin eine Minderheitsregierung ausgeschlossen. Worüber dann da spekuliert wird wäre sicher interessant, über eine Minderheitsregierung unter AKK? Über Koalitionsmöglichkeiten nach Neuwahlen, von denen noch niemand spricht?