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Kolumne B-NoteMehr Ungehorsam auf dem Rasen!

Kolumne
von Johannes Kopp

Englands Trainer tobte: „Diese 90 Minuten waren eine Schande.“ Dabei sollte man die Kamerunerinnen doch gerade für ihre rebellische Haltung lieben.

Die Kamerunerinnen sind mit der Schiedsrichterinnenleistung gegen England gar nicht zufrieden Foto: dpa

L ob und Tadel erfreuen sich insbesondere bei der Kindererziehung großer Beliebtheit. Gelobt und getadelt wird aber auch gern, wenn es um den afrikanischen Fußball geht. Die Fortschritte, die die Fußballerinnen in Südafrika, Nigeria und Kamerun gemacht haben, wurden bei dieser Weltmeisterschaft in Frankreich vor allem von den europäischen Gegnerinnen mehrfach gelobt. Und zugleich wurde missbilligt, dass mancher Erfolg in diesem Turnier mit einer sehr körperlichen Spielweise erreicht wurde.

Am Sonntagabend hatte der englische Trainer Phil Neville dann das dringende Bedürfnis, mal ein Machtwort zu sprechen, weil Kameruns Frauen sich zweimal kurzzeitig weigerten, weiterzuspielen. Sie fühlten sich jeweils von den Entscheidungen der Videoschiedsrichter benachteiligt. Neville tobte: „Diese 90 Minuten waren eine Schande. Ich schäme mich.“ Die Kamerunerinnen hätten sich wie Kleinkinder aufgeführt.

Und er klagte, sie würden kein gutes Vorbild für all die jungen Fußballerinnen abgeben. Wenig später aber relativierte Neville, ganz Pädagoge, seinen Rüffel. Es sei ein Einzelfall gewesen. „Sonst habe ich eine lachende Truppe gesehen, die singt und tanzt, die Spaß macht. Genau das lieben wir doch am afrikanischen Fußball.“ Nun wissen die afrikanischen Teams, wie sie sich zu verhalten haben, was geht und was nicht geht.

Dabei sollte man die Kamerunerinnen doch gerade für ihre rebellische Haltung lieben. Der Videobeweis hat sich bei dieser WM mitsamt den absurden Regeln beim Handspiel im Strafraum oder der einzuhaltenden Linientreue der Torhüterinnen beim Elfmeter der Lächerlichkeit preisgegeben. Auch wenn die Entscheidungen im konkreten Fall der Partie von Kamerun gegen England richtig gewesen sein mögen, haben die Videoschiedsrichter als letzte Instanz längst jegliche Autorität verspielt.

Regeln sind Regeln, hat Englands Oberlehrer und Nationalcoach Phil Neville den Kamerunerinnen erklärt

„Regeln sind Regeln“, hat Oberlehrer Neville den Kamerunerinnen erklärt. Ein Problem ist aber unter anderem, dass die Videobeweis-Regeln bei dieser WM maßgeblich von Europäern bestimmt werden. Von den 15 Plätzen besetzen sie 11, aus Afrika ist niemand an den Bildschirmen, dabei wird der Videobeweis derzeit auch beim Afrika-Cup angewandt. Auch solche Umstände mögen dazu führen, dass Kameruns Spielerin Raissa Feudjio nach der Partie sagte: „Afrika ist hier nicht willkommen.“

Natürlich ist bei den europäischen Teams der Unmut über die Videoschiedsrichter ebenfalls groß. Aber wenn die Fifa es will, würden sie wahrscheinlich künftig auch mit erhobenen Armen zum Freistoß antreten. Protestieren bitte erst nach dem Spiel! Das erinnert an die Forderung deutscher Politiker an die Fridays-for-Future-Demonstranten, doch bitte erst nach Schulende zu protestieren.

Der Protest muss möglichst dann stattfinden, wenn er wirksam ist. Die Zerstückelung und Verballhornung des Fußballs in Frankreich erfordert zivilen Ungehorsam. Jeden Mist muss man schließlich nicht mitmachen. Europas Fußballerinnen sollten sich ein Beispiel an den Kamerunerinnen nehmen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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16 Kommentare

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  • Da müssen sich die Europäer endlich daran gewöhnen, dass Afrikaner freundlichere und fröhlichere Menschen sind.

    Das hat man hier vor lauter Flüchtlingsangst und auch bei Begegnungen mit den in Ernsteuropa assimilierten Afrikanern noch nicht kapiert.

    Hoffentlich bleiben sie noch lange so, wie man sie im Kontinent selbst kennen lernen kann.

    • @unSinn:

      Ich bezweifele, dass man Rassismus wirksam bekämpfen kann, indem man genauso pauschale, den ganzen Kontinent über einen Kamm scherende Behauptungen aufstellt.

      Die sind nämlich inhaltlich genauso unhaltbar wie die negativen Klischees und legitimieren diese damit in den Augen ihrer Vertreter gleich doppelt: Zum Einen weil man sie locker mit ein paar der zahlreichen Gegenbeispiele widerlegen kann und zum Zweiten weil sie die Verwendung des Klischees zur Beurteilung eines ganzen Kontinents als Mittel Wahl bestätigen.

  • „Sonst habe ich eine lachende Truppe gesehen, die singt und tanzt, die Spaß macht. Genau das lieben wir doch am afrikanischen Fußball.“

    Na klar, die Afros singen und hopsen den ganzen Tag durch den Busch.

    Positiver Rassismus par exellence.

    • @teip hausen:

      Nuja, die Damen der afrikanischen Mannschaften singen und tanzen TATSÄCHLICH - und das KANN dem Zuschauer auch Spaß machen (wenn er seinen Blick mal aus dem eigenen moralinsauren Politsud über den Tellerrand erhebt). Es macht jedenfalls allemal mehr Spaß, denen beim Betreten des Stadions zuzuschauen als den weit überwiegend bierernsten Europäerinnen. Was ist daran rassistisch, das zu erwähnen?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @teip hausen:

      Eine interessante Auslegung.

      Dann ist es wohl auch "positiver Rassismus", wenn ich davon schwärme, wie sich viele schwarze und braune Menschen beim Tanzen bewegen, während wir weißen Deutschen häufig so aussehen, als hätten wir entweder einen Kleiderbügel im Kreuz implantiert ... oder wären im Gefrierungsprozess ???

  • Blödsinn. Die Kamerunerinnen haben sich schlicht als schlechte Verlierer gezeigt - mehr muss man da nicht reindeuten...

  • Bei allem Verständnis für Alt-68er, die von Ihrer "Das Private ist politisch"-Dogmatik und der Grundsympathie für jede Form von Rebellentum nicht ablassen können: Im Sport ist die ständige Politisierung und vor allem die Behandlung der Abläufe gleich politischen Auseinandersetzungen schlicht fehl am Platz.

    Sport macht keinen Sinn, wenn er als interessengeleiteter Kampf um die besseere Position verstanden wird. Es SCHADET ihm ausschließlich, wenn irgendwer sich legitimiert fühlt, dem Schiedsrichter die vermeintlich "richtige" Entscheidung mit Protesthaltung abpressen zu wollen - Emotion gerne und hadern mit unerwünschten Entscheidungen ist einfach menschlich, aber Spielverweigerung ist von grundauf kontraproduktiv und im wahrsten Sinne des Wortes "unsportlich". Die Regeln und ihre Hüter sind da, um den Wettstreit zu ermöglichen, nicht um Gegenstand des Wettstreits zu werden. Es kommt immer wieder vor, dass Sportler - insbesondere solche, die mit dem Sport viel Geld verdienen - das vergessen. Aber man sollte in solchen Fällen nicht auch noch Beifall klatschen und Parallelen zu politischem Protest ziehen.

    Und wenn wir schon bei internationaler Toleranz für nationalen Eigenheiten sind, sollte man einem Trainer aus dem Mutterland der "Stiff Upper Lip" vielleicht auch zufgestehen, dass er auf Respektlosigkeit gegenüber Schiedsrichterentscheidungen besonders empfindlich reagiert. So sind sie halt, die Briten... ;-)

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      Wie ich gerade lese, wird die Rubrik: "Ich habe ja Verständnis für die Alt-68er, aber ..." mal wieder ausführlich bedient.

      Wie wäre es mal damit: "Ich habe KEIN Verständnis für die Alt-68er und zeige dies auch. Zumindest denen, die genau lesen können, auch gerne zwischen den Zeilen"?

      :-)

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Wieso sollte ich mich so verbiegen?

        Ich HABE doch Verständnis für diese Grundeinstellung, sehe selbst die Notwendigkeit von Veränderung, die Zähigkeit von gewachsenen Strukturen und damit die Existenzberechtigung von Rebellentum. Ich vertrete auch selbst häufiger den Standpunkt, dass zumindest vieles Private hochgradig politisch ist (Beispiele: Rollenverteilung in der Familie, Konsumentscheidungen, persönliche Einstellung zu Erfolg und Wettbewerb...).

        Aber auch das ist halt ein Gaul, der mit einem durchgehen kann. So hier geschehen, weil sportlicher Wettbewerb nunmal dieser Herangehensweise wesensfremd ist - nach MEINER Wahrnehmung.

        Auch dafür kann ich mir übrigens Verständnis zusammen hypothetisieren: Wer immer und überall gleichmachen will und frustriert zusehen muss, wie das im wahren Leben nicht funktioniert, der mag vielleicht auch nicht den Wesensunterschied zwischem sportlichem und ökonomischem Wettbewerb (oder gar darwinistischer Auslese auf Leben und Tod) begreifen. Das ist durchaus plausibel und "verständlich".

        Nur heißt "Verstehen" eben nicht notwendigerweise "Übereinstimmen". Ich habe auch "Verständnis" für meinen Sohn, der sich am liebsten nur von Würstchen und Eis ernähren würde...

        • @Normalo:

          Statt an WL - gleich direkt - 68bashing

          “Kopp, Jahrgang 1971, geboren und aufgewachsen in Baden-Württemberg, machte nach Studienjahren in Freiburg sein Examen in Berlin und kam schließlich zu seiner Passion, dem Sportjournalismus.…“ o Normal -

          unterm—Passionata juvenil - 🎭



          taz.de/Personenfue...nnes-Kopp/!137550/ wie heiter:



          Gibt schon schön hinkende Vergleiche



          Hier ist eher de ahl Pferdeleiche vande



          Prinzipienreiter und so weiter - mal.

          • @Lowandorder:

            Selbst Absolvent der Uni Freiburg kann ich bezeugen, dass man dort nicht notwendigerweise 1968 schon eingeschrieben gewesen sein muss, um deren geisteswissenschaftliche Fakultäten als "68er" zu verlassen ("unterm ___", wie Sie sagen würden). Von daher...

            Es ging mir - hoffentlich erkennbar - mehr um eine Geisteshaltung, die die ursprünglichen 68er hochgebracht haben und die selbst ikonisch und auch ein wenig zum Selbstzweck geworden ist. Geblieben is so ein Plastik-Revoluzzertum, das Che-Poster an der Wand hängen hat und jedesmal mechanisch aufjubelt, wenn irgendwo eine als "etabliert" verstandene Autorität in Frage gestellt wird.

            • 7G
              76530 (Profil gelöscht)
              @Normalo:

              Schreiben Sie hier über einen Teil bundesdeutscher Realität - oder doch eher über ...

              ... Chimären???

              Die von Ihnen wahrgenommenen Ikonen sind mir seit vierzig Jahren nicht mehr über den Weg gelaufen. Scheint eher, als würden Sie in einer unendlichen Zeitschleife festhängen.

              Nun, gut. Einem Jedem seine eigenen Windmügelflügel.

              "Rosinante, weiter geht's!"

              • @76530 (Profil gelöscht):

                Schnoober mal mit im Hafersack -

                Sport macht keinen Sinn&wesensfremd

                Mal ab von schlecht-falschem Deutsch



                Mich deuch - da is nochweit - wie apart! Angejahrteres - als Alt68er - am Start.

                & dess is aach inne taz en vouge - Gelle.



                Dazu gehört das alberne Sich-Laben



                Am Dissen der dreist sich selbst hiistellt



                68er-Pappkameraden - aaf die Stelle.



                &



                Dess is bekanntlich - un kaa Fraare:



                🥚jòò. Sojet billig - Gähn & negligable.

                • 7G
                  76530 (Profil gelöscht)
                  @Lowandorder:

                  Wohl wahr, wohl wahr.

                  Mein Eindruck ist ohnehin, dass 'der Deutsche an sich' über kein Potenzial verfügt, um seinen Stammesbrüdern und -schwestern 1968 und die dazu gehörigen Imaginationen/ Fantasien zu verzeihen.

                  Eher den Nazis und dem etwas arg kurz ausgefallenen 'Tausendjährigen Reich'. Ob 'Carstens NS' oder Filbinger. Beispiele gibt es genug.

                  68 war wohl ein Betriebsunfall in der 'lupenreinen' Geschichte dieses bedauernwerten Landes.

            • @Normalo:

              &? Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - maDas

              “Dogmatische 68er? Wo gibt`s denn sowas?“ Eben. Ach was! Gelassen!



              &



              unterm—womergrad a Habermas'sen -



              Früher einst auf Todt'nauer Holzwegen



              Sturmriemenfest - am MartelÜberleben



              Mit Joseph Beuys - Geistesverwaldung -



              Setztes sich a Zeit&Baum zu lange fott •

  • Johannes Kopp - wollt …mir nich …öh fast gedacht:

    Uppsalattatta - “…Die Zerstückelung und Verballhornung des Fußballs in Frankreich erfordert zivilen Ungehorsam. Jeden Mist muss man schließlich nicht mitmachen.…“



    Korrekt. Da saarese was - Junger Mann. Normal Schonn.

    & Däh “Verballhornung bezeichnet ein Phänomen innerhalb der morphologischen Sprachwissenschaft, nämlich die absichtliche oder unbewusste Neubildung bekannter oder unbekannter Wörter und Redewendungen. Dabei spielt oftmals der Sprachhorizont des „verballhornenden“ Individuums eine Rolle.“

    Liggers & hat mit - denn Ball mal was fläch halten.



    Nix ze donn. Nö. Normal nich.

    kurz1. - Stücklen für Stücklen - Kwaliteit

    unterm—wo mer grad am zerStücklen sind - …servíce & Assist - 😎



    m.youtube.com/watch?v=01OgjnWvpI8



    Hier. Der Videobeweis - am naja - Stück:



    “Das Wort hat der Abgeordnete Wehner“



    Danke - alter Schwede - …auch für den “Geschwätzführer“ 😈

    kurz2. - Dat hälste ja im Kopp nich aus •