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Dokumentarfilm „FC Roma“Größter Gegner: Rassismus

Der Dokumentarfilm „FC Roma“ porträtiert eine Fußballmannschaft, für die es schon ein Erfolg ist, wenn überhaupt jemand gegen sie antritt.

Angst vor dem Ball hat Torwart Patrik Herak nicht. Aber davor, dass alles aus dem Ruder läuft Foto: Waystone Film

Bremen taz | Sonntagmorgen, der Platz ist gekalkt, das eigene Team komplett – fehlt nur noch der Gegner. Langes Warten bis zur enttäuschenden Gewissheit: Es wird kein Spiel geben. Die Erfahrung, die die Spieler des FC Roma aus der 50.000 Einwohner-Stadt Decin an der Elbe in der zweiten Szene des gleichnamigen Dokumentarfilms machen, kennt fast jeder, der in einer unterklassigen Liga Fußball gespielt hat.

Doch in diesem Fall fällt das Spiel nicht aus, weil der Gegner den Termin verbaselt hat. „Sie zahlen lieber Strafe, als uns die Hand zu geben“, fasst Torwart Patrik Herak die Erfahrung zusammen, die sich durch die Saison zieht. Man erfährt nicht genau, was in der Vergangenheit passiert ist, aber für Trainer Pavel Horvath, den zweiten Protagonisten des Films, ist klar: „Sie spielen nicht gegen uns, weil wir Zigeuner sind.“

Vieles in diesem langsam und genau erzählten Film könnte in einem x-beliebigen Fußballclub in einem der ärmeren Stadtteile dieser Welt spielen: Das Zusammenkratzen der letzten Kohle für die neuesten Messi-Schuhe der Kleinen, die schief gekalkten Linien, das Schöntrinken der Niederlagen.

Doch hier bedeutet es schon einen Erfolg, wenn das Spiel überhaupt stattfindet. Fast devot versuchen Trainer und Torwart am Telefon und in Versammlungen Spieler und Funktionäre zu überreden, doch bitte das zu tun, was die Spielordnung vorsieht: zu spielen. Dass das gegen sie nicht so einfach sei, hören sie, habe natürlich nichts mit Rassismus zu tun. „Da sind wir uns doch einig, oder?“ Sondern mit „lokalen Angelegenheiten“.

FC Roma

Regie: Rozálie Kohoutová, Tomáš Bojar. Tschechische Republik 2016, 76 Min.

Wenn dann doch einmal gespielt wird, zeigt die Kamera konsequent nur drei Perspektiven: Trainerbank, Torwart, Tribüne. Der Original-Ton läuft mit und die Kommentare der Protagonisten machen deutlich, wie sie gegen die Angst ankämpfen, die auf dem Spiel lastet: die Angst, dass irgendein dummer Spruch fällt; dass sich jemand provoziert fühlt; dass das Ganze aus dem Ruder läuft.

Die Spieler des FC Roma sind so daran gewohnt, beleidigt zu werden, dass sie schon auf Selbstbehauptung schalten, bevor etwas passiert ist. Und die gegnerische Mannschaft wird von ihrem Trainer in der Kabine darauf eingestimmt, dass es immer Ärger gibt, wenn man gegen „Zigeuner“ spielt, „also lasst euch auf nichts ein, auch du nicht, Spaca, du bist doch genauso schwarz wie sie“.

Trotzdem schaffen es die Spieler beider Teams, sich im ersten Spiel, das der Film zeigt, im Zaum zu halten – im Gegensatz zu einigen Zuschauern, die den Spielern des FC Roma einen „Hitler“ wünschen und sie als „schwarze Schweine“ beschimpfen. Als ein Gegentor fällt, ist Pavel Horvath sicher: „Die Sprüche haben uns aus dem Konzept gebracht.“ Ob der Gegner Bukonovia oder Breziny heißt – für sie geht es immer um den Kampf „Zigeuner“ gegen „Gadjos“, wie die Roma die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft nennen.

Vorführung in Bremen

So, 5. Mai, 19 Uhr, Westend, Bremen. Der Film wird im Rahmen des Deutsch-Tschechischen Kulturfestivals gezeigt. Anschließend diskutiert Regisseur Tomáš Bojar mit der Bremer Journalistin Libuše Černá . Eintritt frei

Beim Verliererbier lachen sie ihren Status in Gesellschaft und Liga dann wieder weg. Wenn Trainer und Torwart sich darüber mokieren, dass sie in der Liste der beliebtesten Tschechen auf dem letzten Platz stehen, „noch hinter Hunden und Katzen“, zeigt das den Grad der Resignation, der in ihrem Humor steckt.

Genauso wie die eindringlichste Szene des Films, der liebevolle Einblicke ins Alltagsleben der Community enthält: Als Torwart Herak seinen Kollegen bei der Müllabfuhr beim Leeren der Tonnen fragt, was er eigentlich gegen „Zigeuner“ habe, antwortet der: „Ganz einfach: Ich zahle Steuern – sie stehlen und kriegen Stütze.“ Erst versucht Herak noch, seinen Kollegen zu widerlegen, aber schließlich sagt er nur noch: „Da kann man wohl nichts machen“ – und leert eine weitere Tonne aus.

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