piwik no script img

Kabinett stimmt für Rückkehr-GesetzSeehofer will Geflüchtete „rausekeln“

Der Bundesinnenminister bringt sein Abschiebegesetz durch das Kabinett. Pro Asyl und das Rote Kreuz üben harte Kritik.

Seehofer glaubt, das Gesetz sei ein guter Interessenausgleich zwischen „Humanität und Ordnung“ Foto: imago-images/Emmanuele Contini

BERLIN taz | Das Bundeskabinett stimmte am Mittwoch dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ zu. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte den Gesetzentwurf eingebracht, um die Ausreise von Geflüchteten zu forcieren und straffällige sowie nicht­-kooperative Handlungen stärker zu sanktionieren.

Für „vollziehbar Ausreisepflichtige“ ohne geklärte Identität soll künftig eine Art Status „Duldung light“ gelten. Dieser umfasst striktere Wohnsitzauflagen und Bußgelder. Außerdem ist Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt. Auch die Inhaftierung von Ausreisepflichtigen wird mit dem Gesetz erleichtert. Das gilt etwa bei „Fluchtgefahr“ oder wenn Betroffene sich der Ausreise schon einmal entzogen haben.

Darüber hinaus soll der Umgang mit Straffälligen geändert werden. Bisher musste eine geflüchtete Person zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden, um ausgewiesen zu werden – das soll nun auf sechs Monate gesenkt werden. Für Intensivtäter*innen wird eine lebenslange Wiedereinreisesperre möglich.

Das Gesetz betrifft auch Amtsträger*innen: Sie sollen zukünftig mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe verurteilt werden, wenn sie Dienstgeheimnisse preisgeben. Das bezieht sich besonders darauf, wenn sie Abschiebetermine verraten. Zuletzt sieht das Gesetz Sanktionierungen in den Sozialleistungen vor, wenn Geflüchtete nicht ausreichend bei der Passbeschaffung mithelfen.

31.000 gescheiterten Rückführungen

Seehofer glaubt, das Gesetz sei ein guter Interessenausgleich zwischen „Humanität und Ordnung“. Es basiere auf dem Grundsatz: „Wer die Ausreise nicht befolgt, muss bestraft werden“. Er verwies darauf, dass 2018 erstmals mit 31.000 gescheiterten Rückführungen die Zahl der erfolglosen Abschiebungen diejenige der erfolgreichen überstieg. „Man darf von diesen Personen erwarten, dass sie Bemühungen machen, Ausweispapiere zu bekommen“, so Seehofer am Mittwoch. Es liege im Interesse aller 28 Mitgliedstaaten der EU, die neuen Regeln durchzuführen. Ob das tatsächlich so ist – in einer EU, welche Flüchtlinge nicht gerade mit offenen Armen empfängt –, bleibt fraglich.

Duldung light ist ein Uraltprojekt, das Menschen entrechtet

Günter Burkhardt, Pro Asyl

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützte Seehofers Pläne. Das Gesetz sei ein „gutes Instrument, um eine Überforderung zu vermeiden“, hieß es in einer Mitteilung.

Das Gesetz diene nur dem „Rausekeln“ von Flüchtlingen aus Deutschland und erhöhe den Druck auf andere EU-Länder, sagte Günter Burkhardt von Pro Asyl im Gespräch mit der taz. „Duldung Light ist ein Uralt-Projekt der Union, das Menschen entrechtet.“ Burkhardt befürchtet, dass das Gesetz gerade bei Minderjährigen den Zugang zu Ausbildung und Bleiberecht vielfach verhindert.

Auch die geforderte Passbeschaffung gestalte sich sehr viel schwieriger, als dargestellt: „Wenn ein Mensch aus Afghanistan lange im Iran gelebt hat, stellt Afghanistan oft keine Papiere aus.“ Das Gesetz sei zudem rechtswidrig. Denn um die Inhaftierung in diesem Maße auf Geflüchtete auszuweiten, muss in Deutschland ein Notstand gelten. „In Deutschland gibt es aber keinen Notstand“, erklärt Burkhardt.

Endlich wieder Jugend

Ab 17. April übernehmen 50 junge Menschen aus ganz Deutschland zwischen 14 und 24 Jahren die taz, um mit uns eine Jubiläumsausgabe zum 40. Geburtstag der taz zu gestalten. Mehr unter taz.de/40

Auch von anderen Seiten kommt Kritik. Das Deutsche Rote Kreuz fürchtet, dass sich nun auch viele Berater*innen mit Beihilfe oder Anstiftung zum Geheimnisverrat strafbar machen.

Pro Asyl-Geschäftsführer Burkhardt meint, eine wirkliche Alternative wäre nur eine konsequente Integrationspolitik. Damit entlaste man auch wirklich die Kommunen. Zu Seehofers Gesetz bleibt Burkhardt am Ende nur ein bitteres Lachen: „Ich sehe nicht, wo hier Humanität sein soll.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Das sind Hartz IV-Sanktionen für Geflüchtete. Wer sich nicht ausreichend um Papiere kümmert, dessen Leistung wird gekürzt.



    Eine Gleichberechtigung im Schrecken. Wird das eine SPD mittragen, die sich erst gerade von Hartz IV distanziert?

  • "neue Status Minderjährigen den Zugang zu einer Ausbildung verwehre"



    Wieso kann man dahingehend keine Alterstests durchführen?



    Das ist unlogisch.

    "Denn um die Inhaftierung in diesem Maße auf Geflüchtete auszuweiten, muss in Deutschland ein Notstand gelten."



    Könnte jemand dazu die rechtliche Lage erläutern?

  • Toll, gerade zum Osterfest der Christen lassen die Christlich Sozialen ihre innere Einstellung zur Barmherzigkeit (Papst Franziskus: Gottes Name ist Barmherzigkeit) heraus? Dafür nageln sie sicherheitshalber lieber den Christus wieder über ihrer Bürotür an die Wand?



    Ekelhaft!

  • Das ist mal wieder typisch Große Koalition: Als man noch die Zeit hatte, Lösungen zu entwickeln, die sowohl effektiv waren als auch die Würde der Menschen berücksichtigten, bekam man den Hintern nicht hoch. Heute rächt sich die Untätigkeit, denn man ist in der Zwischenzeit so sehr unter Druck geraten, dass man nach derart menschenverachtenden Radikallösungen als letztem Strohhalm greifen muss. Die Politiker in diesem unseren Land sind allesamt Totalausfälle und gehören auf den Müllhaufen der Geschichte!

    • @Grandiot:

      Aber hallo!!

  • "Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt meint, eine wirkliche Alternative wäre nur eine konsequente Integrationspolitik."



    Wie sieht den sowas aus?

  • Wieso ist Seehofer eigentlich immer noch Innenminister?



    Das Amt ist dazu da, das geltende Recht in Deutschland zu schützen und durchzusetzen. Wie kann man da jemanden einsetzen, der wieder und wieder bewiesen hat, dass ihm das Grundgesetz und andere Gesetzte am A.... vorbei gehen?



    Ein typischer Fall vom Bock, den man zum Gärtner gemacht hat!



    Wie jagt man einen Innenminister wegen bewiesener Unfähigkeit aus dem Amt?



    Zeit wäre es.

    • @Mainzerin:

      anschließe mich.

      unterm—-Fotto/Bild - Kirchner wohl(?)



      “Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten blieb er zunächst noch Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, wurde aber im Juli 1937 endgültig ausgeschlossen.[15] Im selben Monat wurden in Deutschland 639 Werke Kirchners aus den Museen entfernt und beschlagnahmt, 32 davon wurden im Rahmen der diffamierenden Ausstellung „Entartete Kunst“[16] gezeigt, darunter das Selbstbildnis als Soldat. Einige dieser Werke wurden später postum auf der documenta 1 (1955), der documenta II (1959) und auch der documenta III im Jahr 1964 in Kassel gezeigt.…“

      Paschd scho. Schön - Verlogen. Liggers.



      de.wikipedia.org/w...st_Ludwig_Kirchner

      • @Lowandorder:

        “Das sind die Folgen:



        Verlogen Verflogen Verfolgen“

        So & Zisch - Mailtütenfrisch!

    • @Mainzerin:

      Nur weil Sie denken dass er unfähig ist, heisst dies noch lange nicht dass Sie Recht haben.

      Es ist ein Unding dass in Deutschland Flüchtlinge einfach so ohne Identifikation einreisen konnten.

    • @Mainzerin:

      Vielleicht verwunderlich, aber auch Fremde haben nicht nur Rechte, sondern man darf ihnen auch Pflichten auferlegen.

      Aber keine Sorge, auch dieses Gesetz ist wieder viel Lärm um nichts.

      • @Gerhard Krause:

        Mag ja sein, dass es Ihnen persönlich keine Sorge bereitet.

        Menschen, die bereits alles verloren haben, werden aber zukünftig auf der Grundlage von willkürlichen und unbestimmten Begrifflichkeiten wie Verbrecher behandelt.

        Ich schäme mich für diese deutsche Kaltherzigkeit!



        Und das alles nur um das Bauchgefühl einiger weniger Schreihälse zu bedienen. Und die SPD macht auch noch mit.



        Pfui!

        • @Life is Life:

          Von Ihrem Standpunkt, meine ich, kann ich Sie verstehen. Aber wollen Sie sich nicht wenigstens zuerst einmal mit der Natur einer Sache auseinandersetzen, bevor Sie - das ist nicht böse gemeint - "panisch" werden?

          Mir sind die ausländerrechtlichen Vorschriften nicht verschlossen. Nach mehreren Jahrzehnten muss ich sagen, dass zumindest im (Gesamt-)Ergebnis im deutschen Recht nichts Wesentliches passiert.

          Haben wir nicht zwischenzeitlich Millionen gut integrierte Menschen aus anderen Ländern hier in unserer Mitte?!

          Jetzt werfe ich einmal mit Wattebällchen:



          Mich regen zuallererst die s.g. Rechten auf, die ich von den sozial beschädigten Menschen abziehe, weil sich u.a. sozial stark verelendete Menschen immer radikaliseren (Neigung) und wieder zurückgewonnen werden können, und die sich (die s.g. Rechten, die noch übrig bleiben) mit Lügen und Verzerrungen als die Retter des Abendlandes aufspielen, damit Ihnen endlich einmal - frei nach Sigi Freud - ein langer Penis wächst.

          Vergleichsweise wenig Verständnis habe ich indes auch für die Menschen, die davon ausgehen, dass nur wir s.g. Biodeutschen Verbrecher sind und "wir", das sind auch i.S. von Art. 116 I GG hier lebende Ausländer, kaum ein Recht auf Selbstschutz vor Menschen haben, die zu uns kommen, und wir nicht bestimmen dürften, wer wie lange bei uns leben darf.

          Und woher wissen Sie, dass die betroffenen Menschen alles verloren haben?! Solche Übertreibungen halte ich für fehlbesetzt. Wir reden hier nämlich ebenfalls von Kasten (die Menschen werden von ihren Landsleuten hier genauso wie zu hause geknechtet), Menschenhandel (illegale Arbeitskräfte, die das sogar wollen), und in Vietnam vergeben gar Gemeinden die "Kredite" (Kosten), die die Menschen dann an die Schleuser weiterreichen.

          Aus professioneller Sicht kann ich sagen, das was Seehofer nun wohl als Höhepunkt "intellenten" Ausländer-Managements verkauft, ist alles nur (Wahl-)Propaganda.

      • @Gerhard Krause:

        Ja, "Fremde", wie Sie so schön sagen haben auch Pflichten. Und die erfüllen sie auch, genauso wie (tja, was ist das Gegenteil von "Fremde"? "Vertraute"? "Einheimische"? Keine Ahnung).

        Bei Seehofer geht es um was anderes. Spalten. Hetzen. Zwischen den Zeilen zu suggerieren, dass "Fremde" irgendwie anders sind, schmutzig, nicht pflichtbewusst, irgendwie gefährlich.

        Das ist eine widerliche Taktik und gehört, wie Mainzerin sagt, definitiv nicht an die Spitze des Innenministeriums. Sie ist das Gegenteil dessen, was das Innenministerium eigentlich tun sollte.

        • @tomás zerolo:

          Genauso dämlich wie Seehofer, ich zB bin grundsätzlich für eine generelle Aufenthaltserlaubnis, aber zB ebenso für einen höheren Mindestlohn, eine nachhaltige Erbschafts- und Vermögenssteuer unter Freibeträgen, sind aber mE auch diejenigen s.g. linken Kräfte, die den über Einwanderung anders denkenden Menschen (ich unterstelle Gewaltlosigkeit) das Recht absprechen wollen, in der Sache mitreden zu dürfen.

          Menschen dürfen auch gegen Einwanderung sein. Im Ergebnis müssen wir alle (Gesamtgesellschaft) im Gespräch bleiben und nach Lösungen suchen wollen.

        • @tomás zerolo:

          Zum Glück fragt Sie niemand wie der Innenminister sein muss. Da müssten wir Schweizer ja die Grenzen zu Deutschland wieder schliessen. Ihr dürft gerne machen was Ihr wollt, aber ohne uns.

          • @Swiss39:

            Zum Glück habe ich einige SchweizerInnen unter meinen Bekannten, die ganz anders drauf sind als Sie. So wird es Ihnen nicht gelingen, die SchweizerInnen bei mir zu diskreditieren.

            Ne. Wenn Sie die Nummer mit den 69 Abschiebungen zu Seehofers 69. Geburtstag gut finden, oder seinen dummen Spruch mit der "letzten Patrone" gut finden, dann kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen.

            Naja. Irgendjemand muss ja die "Blick" lesen.

          • @Swiss39:

            Ich akzeptiere Ihre Meinung völlig, und sagen wir einmal, dass Sie für die Schweiz insgesamt stünden. Da kommt in mir ernsthaft die Frage auf, wie die Schweiz, bliebe sie im Ergebnis unbeweglich und verschlossen, auf womöglich wachsenden sich zuspitzenden äußeren Migrationsdruck reagieren würde.

    • @Mainzerin:

      Er ist doch gerade dabei, sein Vorhaben in geltendes Recht umzusetzen, wo sehen Sie also das Problem?



      Und gegen welchen Artikel des GG soll diese Maßnahme verstoßen? Es geht hier um vollziehbar Ausreisepflichtige, d.h. der Rechtsweg würde bereits ausgeschöpft.



      Nur weil Ihnen etwas nicht in den Kram passt, ist es noch lange nicht verfassungswidrig