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Kommentar Stichwahl in der UkraineDer richtige Mann für den Frieden

Kommentar von Barbara Oertel

Die Ukraine zeigt Risikofreude. Komiker Selenski mag wenig über praktische Politik wissen, dennoch sollte sich die EU auf den neuen Präsidenten einlassen.

Wolodimir Selenski als neue Hoffnung der Ukraine? Foto: imago images/Xinhua

D a sage noch mal jemand, die UkrainerInnen seien nicht experimentierfreudig oder hätten keinen Mut zum Risiko. Mit ihrem überdeutlichen Votum für Wolodimir Selenski in der zweiten Runde der Präsidentenwahl haben sie einen Mann ins höchste Staatsamt befördert, über dessen künftiges Handeln sich derzeit nur spekulieren lässt.

Dennoch sollte die Europäische Union sich auf Selenski einlassen. Der Quereinsteiger bedeutet nicht nur Risiko und Ungewissheit, sondern auch eine Chance – für die Ukraine, aber auch für Europa und den festgefahrenen Konflikt im Donbass.

Der Komiker und Fernsehstar mag von praktischer Politik keinen Schimmer haben. Seine programmatischen Aussagen waren und sind nebulös. Und ihm fehlt eine Hausmacht im Parlament, was der Durch- und Umsetzung seiner politischen Vorhaben nicht gerade förderlich sein dürfte. Doch allen Unkenrufen und Bedenken zum Trotz stimmten rund 73 Prozent der WählerInnen für Selenski – ein Rekordergebnis in der Geschichte der Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit 1991.

Dieser immense Vertrauensvorschuss beinhaltet eine weitere wichtige Botschaft. Er ist eine klare Absage an die plumpen Versuche des abgewählten Amtsinhabers Petro Poroschenko, mit nationalistischer Rhetorik zu polarisieren, bestehende Gräben in der ukrainischen Gesellschaft weiter zu vertiefen und für eigene politische Ziele zu instrumentalisieren. Das gern bemühte Narrativ von Ost gegen West, von russisch versus ukrainisch geprägten Landesteilen – es verfing nicht und hat als Erklärungsmuster offensichtlich ausgedient.

Vage Möglichkeit einer Friedensperspektive

Genau deshalb birgt die Wahl Selenskis auch Hoffnung. Der neue russischsprachige Präsident, dessen Ukrainischkenntnisse ausbaufähig sind, könnte das Freund-Feind-Schema durchbrechen und zum Versöhner und Brückenbauer in seinem Land werden. Sollte dieses – zugegebenermaßen recht ambitionierte – Unterfangen gelingen, böte sich vielleicht endlich auch ein Weg, um den Donbass dauerhaft zu befrieden.

Schon lange ist dieser Konflikt, mit über 12.000 Toten, vom Radar internationaler Aufmerksamkeit verschwunden. Dass immer wieder neue Opfer zu beklagen sind, ist genauso wenig der Erwähnung wert, wie der Umstand, dass das Minsker Friedensabkommen von 2015 praktisch gescheitert ist. Europa hat Sanktionen verhängt und verurteilt die Annexion der Krim, doch in diesem Zustand verharrt der Konflikt.

Zumindest die vage Möglichkeit einer Friedensperspektive für den Osten der Ukraine sollte für Brüssel Grund genug sein, sich auf Selenski einzulassen und ihn bis zum Beweis des Gegenteils zu unterstützen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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4 Kommentare

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  • Nachdem die Qualitätsmedien beständig dem deutschen Michel Selenski als Komiker verkauft haben und beflissentlich ignorierten, dass er auch Schauspieler, Autor oder Produzent ist mit ein paar Dutzend Angestellten und nachdem die Angelas dieser Welt den korrupten Oligarchen noch im Wahlkampf unterstützten und die Rebeccas oder Marieluises dezent schwiegen, weil der kalte Krieger Poroschenko allen besser in den Kram passte, muss nun umgedacht werden. Unsere geliebte Ukraine, unsere so an Herz gewachsene Krim und unser Poroschenko waren der Garant für transatlantische Visionen über ein kriegerisches Europa, das dem Bösen in Moskau die Zähne zeigt. Was hat man dem deutschen Michel unter die Nase gerieben? Der Komiker hätte nicht die antirussische Härte eines rechtsnationalistischen Poroschenkos, nicht die Kraft und natürlich auch nicht die Erfahrung eines korrupten Oligarchen. Wie werden sie sich nun anschleimen an Selenski? Und was wird er denken über die Wahlkampfhilfe einer Frau Merkel für den korrupten Oligarchen Poroschenko?



    Ich hoffe, dass Selenski deutlich klüger ist als die transatlantischen kalten Krieger.

  • Wladimir Putin könnte nun einen ernstzunehmenden Verhandlungspartner bekommen.



    Kriegspräsidenten wie Poroschenko braucht kein Land.

  • Da wird der Friedensengel Putin aber sofort mit dem Krieg in der Ukraine aufhören.

  • Mit der Wahl Wolodimir Selenskis zum ukrainischen Präsidenten nach dem Ende Kalten Krieges, Implosion der Blöcke in Ost und West, Annexion der Krim durch Russland 2014, schlägt die Epoche der Clownerie, dem Spannungsfeld der Gleichzeitigkeit von Willen zu Kontinuität und und Verunsicherung in der Politik und Gesellschaft auf europäischen Boden ein neues Kapitel auf.

    Warum sollten die "Clowns" in Brüssel sich auf Wolodimir Selenskis nicht einlassen, sie tun es ja auch mit dem "Clown" in Washington D. C., Moskau, Peking.

    Selenski, der seinem Rivalen Poroschenko vorhält, der habe es binnen 5 Jahren nicht geschafft, sein Versprechen einzulösen, dass es zwischen Kiew und Moskau im Donbass Frieden gibt, erklärt gestern, er wolle das Minsker Friedensabkommen beleben, durch ein Referendum entscheiden lassen, ob die Ukraine der NATO Beitritt oder nicht.

    Damit verkündet Selenski ganz im Stil eines "Clowns" den zweiten vor dem ersten Schritt, der wäre die Aufnahme von Friedensverhandlungen mit dem Donbass Gebiet, ohne dabei zu vermitteln, dass es Frieden in der Ukraine, im Donbass braucht, um, gemäß NATO Statut, dieser beitreten zu können.

    Ob Selenski Wahl eine klare Absage an die plumpen Versuche des abgewählten Amtsinhabers Petro Poroschenko ist, mit nationalistischer Rhetorik zu polarisieren, bestehende Gräben in der ukrainischen Gesellschaft weiter zu vertiefen und für eigene politische Ziele zu instrumentalisieren, soll sich noch erweisen. Erst einmal haben Ukrainer nicht Selenski gewählt, sondern Poroschenko abgewählt.

    "Das gern bemühte Narrativ von Ost gegen West, von russisch versus ukrainisch geprägten Landesteilen – es verfing nicht und hat als Erklärungsmuster offensichtlich ausgedient."

    Auch hier melde ich meine Zweifel an. Die Hunde bellen, die medial bejubelte Clownerie Karawane zieht weiter.