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Gesichtsverschleierung an der Kieler UniGrüne streiten über Niqab-Verbot

Die Grünen sind uneins über die Entscheidung der Kieler Uni, einer Studentin das Tragen eines Gesichtsschleiers bei Uni-Veranstaltungen zu untersagen.

Gesichtsschleier: Teil der Religionsfreiheit oder islamistisches Propagandamittel? Foto: dpa

Hamburg taz | Während die Grünen in Berlin gerade über ein neues Grundsatzprogramm beraten, hängt im Norden der Haussegen schief. Auslöser dafür: die anhaltende Diskussion um das Verbot der Gesichtsverschleierung an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel (CAU).

Die CAU erhielt für ihre Entscheidung viel Zustimmung von den Parteien. Nur die Grünen zeigten sich kritisch. Lasse Petersdotter aus Kiel nannte die Entscheidung des Hochschulpräsidiums einen Fehler. „Die Möglichkeit, religiöse Symbole zu tragen oder auf sie zu verzichten, zeichnet eine weltoffene Gesellschaft aus“, sagte der hochschulpolitische Sprecher der Landtagsfraktion. Eine demokratische Gesellschaft dürfe Menschen nicht aufgrund ihrer Religion aus staatlichen Bildungseinrichtungen ausschließen.

Gegen seine Äußerungen regt sich nun Widerstand aus den eigenen Reihen. Am Mittwoch schickten mehrere Parteimitglieder aus anderen Bundesländern eine Solidaritätsbekundung per E-Mail an die Hochschulleitung. Darin gehen sie Petersdotter hart an: „Wir sind entsetzt, dass ein junger grüner Landtagsabgeordneter, ja die gesamte Landtagsfraktion, jetzt Ihre gute und überfällige Entscheidung rückgängig machen lassen will.“ Damit ermöglichten sie, „den reaktionärsten Extremisten unter den Islamgläubigen einen Präzedenzfall zu etablieren“.

Auslöser des politischen Disputs ist die Studentin Katharina K. Die zum Islam konvertierte Deutsche war Ende des vergangenen Jahres mit einem Niqab, also einer Gesichtsverschleierung, bei der nur die Augen unbedeckt bleiben, zu einem Tutorium erschienen. Dem Dozenten passte das nicht, K. weigerte sich allerdings, den Niqab abzulegen.

Religionsfreiheit vs. Menschenrechte

Daraufhin erließ das Hochschulpräsidium Mitte Februar ein Verbot von Vollverschleierungen in allen Veranstaltungen. Im Studium seien Gestik und Mimik von Bedeutung, heißt es in der Richtlinie des Präsidiums. Ein Niqab sei nicht erlaubt, „da ein Gesichtsschleier diese offene Kommunikation behindert“.

Neben dem Hamburger Journalisten Paul Nellen und der Feministin Doro Meuren ist die E-Mail auch von der Theologin Eva Quistorp unterzeichnet. Sie ist Mitgründerin der Grünen. Das verleiht der Kritik an Petersdotter Gewicht.

Auch die Harburger Bezirksabgeordnete Gudrun Schittek hat die E-Mail mit unterzeichnet. „Wir sind nicht einer Meinung“, fasst sie den innerparteilichen Zwist zusammen. Für sie ist der Niqab kein Zeichen der Religionsfreiheit, sondern ein „islamistisches Propagandamittel“. Dieses widerspreche dem hiesigen Wertesystem und sei deswegen nicht tolerierbar. „Es geht nicht um Vielfalt, sondern um Menschenrechte“, sagt sie.

Niquab und Burka kein religiöses Gebot

Dass Katharina K. von der Förderalen Islamischen Union (FIU) unterstützt wird, dürfte die Debatte weiter befeuern. Die FIU wird vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet, der den Verein dem politischen Salafismus zuordnet. „Die Mehrheitsgesellschaft hat ein falsches Bild vom Salafismus“, verteidigt die Studentin den Verein. Sie ist vor drei Jahren zum Islam konvertiert. Erst trug sie nur ein Kopftuch, mittlerweile verschleiert sie sich ganz.

„Ich werde nicht unterdrückt, ich mache das aus Überzeugung“, stellte K. Ende Februar in einem Interview mit der taz klar. Gudrun Schittek hat für diese Aussage keinerlei Verständnis: „In anderen Ländern wollen Muslima den Schleier ablegen und hier legen sie ihn freiwillig an.“

Zumindest in einer Sache sind sich die grünen Streithähne einig. Das Anlegen eines Niqabs oder einer Burka sei kein religiöses Gebot, sagt Petersdotter. „Es steht nicht im Koran“, stimmt Schittek zu.

Die CAU selbst sagt nicht viel zu den Solidaritätsbekundungen der Grünen. „Uns geht es nicht um Politik, sondern um die Sache an sich“, sagt Pressesprecher Boris Pawlowski. Auf dem Campus werde das Thema weiterhin kontrovers diskutiert. Für Pawlowski wird der Streit auch in Zukunft weitergehen: „Dem stellen wir uns, dafür ist Uni da.“

Auch Schittek sieht Diskussionsbedarf. Das Thema sei in allen gesellschaftlichen Schichten umstritten. „Und eben auch bei den Grünen“, sagt sie.

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9 Kommentare

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  • Der Niqab verhält sich zur Religion wie Thor-Steinar-Klamotten zur politischen Gesinnung. Er ist kein Zeugnis individuellen Glaubens, sondern hat eine beabsichtigte politische Signalwirkung - etwas, was man in den mehrheitlich muslimischen Ländern übrigens deutlich klarer sieht als hierzulande.

  • "Zumindest in einer Sache sind sich die grünen Streithähne einig. Das Anlegen eines Niqabs oder einer Burka sei kein religiöses Gebot, sagt Petersdotter. „Es steht nicht im Koran“, stimmt Schittek zu."



    Beides natürlich ausgewiesene Experten, auf deren Islam-Auslegung es zudem in der Sache natürlich wahnsinnig ankommt.



    Man sollte alle beteiligten Deutschen in einen Integrationskurs schicken. Erste Themeneinheit: "Freiheit - Inhalt & Bedeutung eines offensichtlich unverstandenen Begriffes"

    • @JulianM:

      Wie steht es dann aber mit der Freiheit, ein altes hinduistisches, also religiöses Sonnensymbol offen in Deutschland zu zeigen, die Swastika, auch Hakenkreuz genannt? Und, wenn Ihnen das zu hoch ist: was ist mit der Freiheit, bei 30 Grad Außentemperatur und mehr nackt durch die Straßen zu laufen? Die Angehörigen der indischen Sekte der Digambaras, die aus religiösen Gründen keine Kleidung tragen, müssten sich hier doch schwer diskriminiert fühlen!? "Freiheit" als Begriff ist wohl nicht nur bei Schittek und Petersdotter "unverstanden", sondern auch bei fast allen hier Lebenden, inkl. des Gesetzgebers...

  • 9G
    93779 (Profil gelöscht)

    Lautet die Frage nicht: Was ist weniger Zwang? Ein Verbot oder eine extrem starke soziale Norm in patriarchalischen Familienstrukturen? Zumindest bei Jugendlichen schränkt ein Verbot der Verschleierung vermutlich weniger Frauen ein als ein Nichtverbot.

  • Das ist doch nicht einfach ein religiöses Symbol. Eine Halskette täte es auch...

    Es geht darum, den öffentlichen Raum ideologisch zu besetzen.



    Und wir haben schon genug Schwierigkeiten mit den Christen.

    • @KnorkeM:

      Wer genau möchte hier den öffentlichen Raum ideologisch besetzen?

  • Man sollte meines Erachtens jede Religion und so hier aussen vor lassen. Ich hätte keinerlei Problem mit einem Tuch, einem Tschador oder einer Abaya (natürlich jeweils ohne den Gesichtsschleier, wie es ja durchaus auch oft in den entsprechenden Ländern getragen wird). Das ist freie Entscheidung der Dame, alles andere wäre ja noch schöner.

    Wenn es aber nicht um reine Vorlesungen, sondern um Veranstaltungen geht (und so verstehe ich das hier) wo eine deutliche zwischenmenschliche Kommunikation erfolgen soll, dann ist ein praktisch vollverschleiertes Gesicht schon ein Problem. Mimik, Gestik, Emotionen, gehört ales zur Kommunikation. Wäre es denn so schlimm, den Schleier bei Praktikas, Tutorien, etc. halt kurz abzulegen?

    Leider ist das Thema kaum noch diskutierbar ohne radikal-religiöses (aus ALLEN Richtungen!) Sperrfeuer zu haben.

    • @Nachtvogel:

      Was mir entgangen war, ist, daß die Universität ein GENERELlES Verbot anstrebt. Warum?

      Mein Posting bezieht sich ausschließlich auf kommunikative Veranstaltungen (Praktikas, etc.) und nicht z.B auf reine Vorlesungen!

    • @Nachtvogel:

      genau das ist der Punkt: einige Themen - und auch dieses hier - sind nicht mehr diskutierbar. Es wird sofort die Vorurteils-Keule herausgeholt, ich bin ja so tolerant und lasse auch andere Meinungen gelten. Meistens kann sich aber die Ideologie nicht zügeln.