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Kommentar Gemeinnützigkeit von NGOsWillkürlich und gefährlich

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Campact will auf Spendenquittungen verzichten. Viele NGOs werden folgen, was ihre Arbeit und Finanzierung einschränken wird.

Auch wenn es die Regierung nervt – zivilgesellschaftlihes Engagement nütz dem Land als Ganzem Foto: dpa

D ie Befürchtungen, die nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit von Attac aufgekommen sind, bestätigen sich: Die restriktive Auslegung des Gesetzes, die die obersten Finanzrichter vorgenommen haben, betrifft auch viele weitere bisher gemeinnützige Organisationen. Wenn eine große und schlagkräftige Organisation wie Campact nun sicherheitshalber keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellt, ist klar, dass zahlreiche weitere Vereine folgen werden.

Für viele von ihnen dürfte das bedeuten, dass sie ihre Arbeit künftig stark einschränken müssen. Denn auch wenn die steuerliche Absetzbarkeit für Kleinspender keine große Rolle spielt und zumindest kurzfristig die Spenden durch eine verstärkte Solidarisierung sogar steigen können, hat der Verlust der Gemeinnützigkeit viele Konsequenzen – etwa dass Organisationen dann in der Regel nicht mehr von gemeinnützigen Stiftungen unterstützt werden oder öffentliche Förderung für Projekte beantragen können.

Die Beschränkung der Gemeinnützigkeit auf bestimmte, eng umgrenzte Themen wirkt nicht nur willkürlich. Sie behindert auch politisches Engagement: Forderungen aufzustellen, für diese zu werben und PolitikerInnen an ihren Wahlversprechen zu messen – all das ist essenzieller Teil der Demokratie. In Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit sendet es ein gefährliches Signal, wenn solche Aktivitäten plötzlich nicht mehr als gemeinnützig gelten.

Die Politik muss darum schnell reagieren und das Gemeinnützigkeitsrecht wie im Koalitionsvertrag vereinbart verbessern. Das wird nicht ohne Konflikte abgehen, denn in der Union wünschen sich viele, dass noch mehr Nichtregierungsorganisationen die Gemeinnützigkeit verlieren.

Ein solcher taktischer Umgang ist kurzsichtig und gefährlich. Auch konservative Parteien sollten verstehen, dass das politische Engagement der Zivilgesellschaft, auch wenn es die Regierung oft nerven mag, am Ende dem Land als Ganzem nützt.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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13 Kommentare

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  • Alles völlig richtig. Aus meiner Erfahrung muss ich allerdings grundsätzlich alle zivilgesellschaftlichen Projekte davor warnen, sich langfristig von öffentlichen Zuschüssen, Steuervergünstigungen oder dergleichen finanziell allzu abhängig zu machen. Ich kenne kein einziges überwiegend öffentlich gefördertes Projekt, in dem nach acht Jahren dann noch unabhängige Entscheidungen im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung getroffen werden konnten.

    btw.: Private Geldgeber in großem Stil sind nicht weniger problematisch. Man muss sich doch nur mal in Ruhe anschauen, was da beim HSV in dieser Hinsicht in den letzten Jahren so mit welchem Ergebnis abgelaufen ist.

    • @Rainer B.:

      Es geht um einen Rechtsanspruch, nicht um Goodwill. Man macht sich nicht abhängig von der Poliik, wenn es einen Rechtsanspruch gibt.

      • @PPaul:

        Dann macht man sich meinetwegen abhängig von einem Rechtsanspruch, den man möglicherweise gar nicht mehr durchsetzen kann, weil einem das Geld dafür fehlt.

  • Und was ist mit Bertelsmann? Und der INSM?



    Die bleiben GEMEIN-un-nützig, gell?

  • Gehört alles zur Reaktion. Die Zivilgesellschaft ist denen, die nicht dienen, sondern herrschen wollen, zu laut und zu selbstbewusst geworden. Wer sich politisch dafür einsetzt, diese Gruppen zu behindern, wählt unter anderen Bedingungen auch das Mittel der Gewalt, um den Widerstand gegen die Konzernherrschaft und das Eintreten für ein verändertes Wirtschaftssystem zu unterdrücken.

  • "... dass das politische Engagement der Zivilgesellschaft, auch wenn es die Regierung oft nerven mag, am Ende dem Land als Ganzem nützt."



    Wie kommen Sie denn darauf? Diese von Ihnen offensichtlich als Wahrheit begriffene These ist in dieser Allgemeinheit nämlich äußerst umstritten. Das ist ja gerade der Grund der häufigen Beschränkung der Gemeinnützigkeit.

  • Das ist vergleichbar wie in autoritären Staaten, wo NGOs auch noch verboten ist, Geld aus dem Ausland anzunehmen.



    Putin und Merkel, ein KoppeinArsch.

    • @Age Krüger:

      Durchaus verständlich, dass Finanzierung von ngos aus dem Ausland unterbunden werden soll. Gilt ähnlich in d bei der Parteienfinanzierung. Förderung von Moscheen in d durch SA oder die Türkei ist auch nicht unbedingt erwünscht.

  • Generell gehört die Gemeinnützigkeit im Steuerrecht abgeschafft. Als Prädikat für tranzparenz zu den Zielen und zielgerichtetem Verwenden der Spendengelder ist dies sogar erforderlich.



    Es kann aber nicht sein, dass Spender sich bis zu 45 % ihrer Gabe von anderen Steuerzahler mitfinanzieren lassen. Dies gilt ebenso für diejenigen, die für ihre Leidenschaft, ihr Hobby, ihre Ideologie den Griff in anderer Leute Geldbeutel dreist als Selbstverständlichkeit begreifen.



    Wenn jemand Einfluss auf reale Dinge nehmen will, so kann er das in Parteien tun. Dort gilt bestmögliche Transparenz, auch Subvention durch alle Steuerzahler nach neutralen Regeln (50% Steuererstattung bis max. Beitrag für alle) und wenn die Inhalte Schrott sind, Abwahl und die Versenkung. Tolle Empathie erheischende Vereinsnamen reichen nicht. Letztlich sind alles Lobbyvereine, angefangen von A wie ADAC über R Wie Rotes Kreuz bis Z wie ...gibts bestimmt etwas.

    • @Thomas Sauer:

      "...Es kann aber nicht sein, dass Spender sich bis zu 45 % ihrer Gabe von anderen Steuerzahler mitfinanzieren lassen..."



      Geimeinnützigkeit heißt eben gerade, daß es allen nützt. Also auch denen, die das Geld lieber für sich selber ausgeben oder trotzig behaupten daß Spenden gar nichts nützt.



      Diese werden über Steuern eben gerechterweise mit in die Pflicht genommen.



      Absetzbarkeit von Spenden ist somit mehr als gerecht.



      Aberkennen von Gemeinnützigkeit ist Gedankengut von ganz weit rechts.



      Wollen Sie das ?



      Vom NGO- Einsatz für Menschenrechte, Umweltschutz, Sozialrechte, Freiheit usw. profitieren auch Sie ! Oder haben Sie sich mit NGO`s noch nie beschäftigt? Ansonsten würden Sie auch nicht behaupten diese seien ideologisch.

  • Hmm? ..das "politische Engagement der Zivilgesellschaft" , mit Debatten, Kontroversen und Diskursen, mit Kritik und Moral.. ist ja die Kernsubstanz einer lebendigen Demokratie an sich! ..und ist somit von staatlichem Interesse `zivil und lebhaft´zu sein ! Das CAMPACT als NGO nun der Allgemeinnützigkeit verlustig gehen soll ist `kurzsichtig´ und dient dem "Duckmäusertum" bürgerlicher Lethargie: dem Wunsch der Regierung! Die kritische Meinungs - "Bildung"(!) die CAMPACT betreibt



    erzeugt Unbehagen in der `deutschen Regierungsideologie´!



    (wie auch ATTAC Unbehagen erzeugt..)



    Was wird? .. verbleibend als "Soziale Bewegung" ohne Status der "Gemeinnützigkeit" ? Das Unbehagen wird fortgesetzt..

  • Jetzt geht es eben auch NGOs hierzulande an den Kragen. Die Regierungen mögen solche Organisationen eben nicht. Sie sind ihnen lästig.

  • Das politische Engagement der Zivilgesellschaft lässt sich ohne weiteres durch die Gründung von Parteien sicherstellen.