piwik no script img

Deutsche Dozentin in JerusalemDr. Hilfrich unter Druck

In Israel weist eine deutsche Uni-Dozentin eine Studentin zurecht, die in Uniform erscheint. Rechte nutzen den Streit für ihre Zwecke.

In Uniform zur Uni? Geht. Doch über die Folgen wird gestritten (Symbolbild) Foto: dpa

Berlin taz | Die Ultra-Nationalisten von der israelischen Organisation Im Tirtzu haben ein neues Opfer: die Deutsche Carola Hilfrich, Literaturdozentin an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Bislang zielte Im Tirtzu vor allem auf regierungs- und besatzungskritische Menschenrechtsorganisationen oder auf die ehemaligen Soldaten von Breaking the Silence, die bei Im Tirtzu als „Spione“ und „Volksverräter“ gelten.

Nun also Carola Hilfrich. Alles begann mit einem per Smartphone aufgezeichneten Streit, der offenbar auf eine Auseinandersetzung zwischen einer ihrer Studentinnen und arabischen Kommilitonen folgte.

In dem Video weist Hilfrich die Studentin, eine Soldatin, recht aufgeregt darauf hin, dass es „naiv“ sei zu denken, sie könne in Uniform zum Unterricht erscheinen, und davon auszugehen, wie eine Zivilistin behandelt zu werden. „Du bist Soldatin der israelischen Armee und wirst entsprechend behandelt.“ Viel mehr ist von dem Streit nicht zu hören.

Nicht so schlimm, könnte man denken. Doch die Kombination der deutschen Herkunft Hilfrichs mit der heiligen israelischen Kuh in Form einer Uniform der Armee ist der Dozentin zum Verhängnis geworden. Seit dem Zwischenfall vor drei Wochen fällt der Unterricht der anerkannten Literaturwissenschaftlerin aus, die seit gut einem Jahrzehnt zum Lehrstamm der Hebräischen Universität gehört.

Im Tirtzu wandte sich an Bildungsminister Naftali Bennett und rief zu Demonstrationen auf dem Campus auf. „Wir geben nicht auf, bis sie entlassen ist“, hieß es auf einem der Protestschilder. Und: „Soldaten, tragt eure Uniform mit Stolz“. Ausgerechnet eine Deutsche, hieß es, „will uns Moral predigen“. Der Zorn auf die Dozentin macht sich inzwischen sogar in Morddrohungen Luft.

Soldaten, tragt eure Uniform mit Stolz

Demo-Slogan auf dem Campus

Auch die Uni-Leitung distanzierte sich von der Kollegin. Es könne der Eindruck entstehen, „dass die Dozentin die Studentin in Uniform kritisiert“. Dies sei eine irrtümliche Folgerung, deshalb habe sich die Universitätsleitung für eine „öffentliche Entschuldigung bei der Studentin“ entschieden. Hilfrich sieht sich einerseits von ihren Chefs allein gelassen, andererseits läuft eine heftige Medienkampagne gegen sie.

Der Fernsehkanal Arutz 10 berichtete über den „Rauswurf der Studentin“. Die Dozentin sei „dumm“ und „unverschämt“. Wie sich die Dinge tatsächlich abgespielt haben, scheint mittlerweile keine Rolle mehr zu spielen.

Kollegen verteidigen Hilfrich

Rückendeckung bekam Hilfrich von Kollegen, die die Universitätsleitung für die „völlig überflüssige Entschuldigung“ kritisieren. Der Politikwissenschaftler David Levy-Faur schrieb, seine „geschätzte Kollegin“ vertrete ihre „private Meinung, die legitim und ganz sicher nicht ungesetzlich“ sei.

Hilfrich sei in eine Situation geraten, „in der Fakten keine Rolle mehr spielen“. Unterricht in angstfreier Umgebung sei indes nur möglich, wenn sich das Lehrpersonal der Rückendeckung der Universitätsleitung sicher sein könne.

Das Magazin Das siebente Auge berichtete resümierend über die „alarmierende Dynamik eines Journalismus“, der sich zum Opfer der „Manipulation einer politischen Organisation und ihrer Hetzkampagne“ machen lässt. Ohne Zweifel, kommentierte die liberale Haaretz bitter, „kann Im Tirtzu den Erfolg der Schikane gegen Dr. Carola Hilfrich für sich verbuchen“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • Interresant wie 'mal wieder' nur die 1/2 Geschichte erzählt wird:



    Zum einen sei erwähnt, das es in Israel durchaus üblich ist, das Soldaten neben ihrem Wehrdienst, ihr Studium weiter führen und es daher auch normal ist, wenn dies in Uniform passiert - was auch von der Universität erlaubt ist.



    Zum anderen ist die genannte Universität auch selbstverständlich eine Uni, an der alle Studieren können, egal welcher Herkunft.



    Der von der taz beschriebenen Situation ging vorweg - aus welchen Grund die taz das auch immer weg gelassen hat - das sich eine arabische Studentin lauthals aufgeregt hat, dass due israelische Studentin in Uniform kam.



    Da dies aber nichts ungewöhnliches ist, wandte sich die israelische Studentin an die Dozentin - wahrschein in der Hoffnung, das die Dozentin eben diesen Satz zu der arabischen Studentin sagt, nämlich, das dies nicht verboten wäre. Aber der Dozentin sind da offensichtlich die Pferde durchgegangen. . .



    Aber der taz ihre Position ist ja auch deutlich zu erkennen, wenn sie eine Soldatin der israelischen Armee als "heilige Kuh" bezeichnet.



    Nur mal zum nachdenken, denn man kann die israelische Armee nicht so ohne weiteres mit anderen vergleichen - in diesem neuen Jahr 2019, wo der erste Monat noch nicht einmal rum ist, gab es bereits 136 Terrorangriffe - über die weder die taz noch sonst ein Nachrichtenportal drüber berichten. . .

  • „Wie sich die Dinge tatsächlich abgespielt haben, scheint mittlerweile keine Rolle mehr zu spielen.“

    Und wie haben sie sich denn (möglicherweise) abgespielt? Wie soll man sich denn dazu eine Meinung bilden? Aus dem Artikel geht ja nicht einmal hervor, ob und wie Frau Hilfrich und die betroffene Studentin den Vorfall darstellen, sondern es wird nur dieser eine aus dem Kontext gerissene Satz zitiert. Das Video trägt darüber hinaus auch nicht zur Klärung bei.

    Die meisten hier geäußerten Meinungen basieren daher nicht auf Tatsachen, sondern nur auf den persönlichen Vorurteilen der verschiedenen Kommentatoren gegen wahlweise Deutsche, Israelis, die israelische Rechte, das israelische Militär, Militär allgemein, Militärgegner etc.

  • Merkwürdig. In den Kommentaren lese ich immer wieder, die Dozentin hätte die Soldatin für das Tragen der Uniform gescholten. Im Artikel klingt es anders:



    "In dem Video weist Hilfrich die Studentin, eine Soldatin, recht aufgeregt darauf hin, dass es „naiv“ sei zu denken, sie könne in Uniform zum Unterricht erscheinen, und davon auszugehen, wie eine Zivilistin behandelt zu werden. „Du bist Soldatin der israelischen Armee und wirst entsprechend behandelt.“"

  • Ohne ihr Militär wäre Israel schon längst von der Landkarte verschwunden - da ist es schon ziemlich dumm, eine Militärangehörige dafür zu rügen, in Uniform in der Uni zu erscheinen.

    Typisch deutsche Weltverbesserungshysterie - ganz wie zuhause!

    • 8G
      87233 (Profil gelöscht)
      @Jens Frisch:

      Wie bitte??? Die Dozentin arbeitet und lehrt in Israel seit 10 Jahren. Das ist keine "Weltverbesserungshysterie" sondern eine Aussage der absolut vertretbar ist. Sie hat auch nicht dafür gerugt dass die Soldatin in Uniform war, sondern Naiv zu sein wenn die Soldatin meint dass es nichts ausmacht.

      Genau auf die unbelehrbarkeit die Militär in Israel SOLL hingewiesen werden!

  • Bedauerlich, dass auch die taz den Hintergrund der umstrittenen Äußerungen augenscheinlich entweder nicht recherchiert hat oder nicht für erwähnenswert hält. Denn so für sich genommen klingt die Äußerung wirklich nach jenem dünnhäutigen bis feindseligen Tonfall gegenüber Soldaten, der zwar in Deutschland gängig und in linken Kreisen schon fast Pflicht ist, aber in anderen Teilen der Welt - nicht nur, aber besonders in Israel - als beleidigend und undankbar empfunden wird.

    Dass eine Dozentin an einer israelischen Uni, an der dezidiert Soldaten unterrichtet werden, sich mit so einem Tonfall angreifbar macht, sollte klar sein. Wenn sie dann auch noch Deutsche ist, dann war das ein sozialer Harakiri, der nicht klüger dadurch wird, dass die Wortführer der Gegenseite keine Musterdemokraten sind.

    Wie gesagt: Der Zusammenhang wäre schon interessant...

  • Schon schmerzfrei als Deutsche gegenüber einer Israelischen Soldatin das tragen der Uniform zu problematisieren.



    Auf der anderen Seite, jeder kann mal Mist bauen. Frau Hilfrich sollte sich entschuldigen.



    Vielleicht ist es auch hilfreich für Frau Hilfrich, hier mal zuzuhören.



    Richard Kemp: IDF is the most moral military in the world:



    www.taz.de/Deutsch...erusalem/!5565315/

  • Zitat: „Es könne der Eindruck entstehen, ‚dass die Dozentin die Studentin in Uniform kritisiert‘. Dies sei eine irrtümliche Folgerung, deshalb habe sich die Universitätsleitung für eine ‚öffentliche Entschuldigung bei der Studentin‘ entschieden.“

    Wie bitte? Wo soll denn da die Logik sein? Wird diese Uni denn von Vollpfosten geleitet? Wie kann es sein, dass eine Uni-Leitung annimmt, sie würde einen Irrtum klarstellen, indem sie sich für eine Tat entschuldigt, die ihrer Ansicht nach gar nicht begangen wurde?

    Wenn das so weitergeht in Israel, brauchen die Israelis bald keinen externen Feind mehr, der damit droht, sie ins Meer zu treiben wie weiland der Pharao. Dann werden sie nämlich von ihren eigenen Leuten ruiniert.

    Wer „Freunde“ wie Im Tirtzu hat, braucht wirklich keine Feinde mehr.

    • 8G
      87233 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      So ist es Mowgli. Israel zerstört sich eslber.

      Nur, die Bande um Netanyahu und seine Koalition ziehen die gesamte Region mit ins Abgrund.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Diese "Lektion" dürfte Carola Hilfrich mit Sicherheit gelernt haben.

    Über die sonstige Eingebundenheit der Dozentin ist Israel wird hier nichts berichtet, aber es wäre durchaus mehr als verständlich, wenn sie nun und um der geforderten Entlassung vorzubeugen nicht nur die Uni, sondern auch Israel verläßt.

    Eine Art von persönlichem BDS ...

  • Einer Studentin in militärischer Uniform aufzuzeigen, dass dies in einer Uni unangebracht ist, halte ich für absolut lobenswert, auch Israel.



    Einer Militarisierung egal welcher Couleur entgegenzutreten ist doch nicht verwerflich, oder?

    Die anschließende, hoch emotionale Auseinandersetzung offenbart menschliche Abgründe.

    Armes Isreal, wieder eine vergebene Chance

    • @wirklich wahr?:

      "Einer Militarisierung egal welcher Couleur entgegenzutreten ist doch nicht verwerflich, oder?"

      Es gibt für Israel nur zwei Möglichkeiten: Militärisch stärker sein als alle Nachbarn zusammen oder kollektiv auswandern.

      Als Deutsche*r sollte man sich mit Empfehlungen für eine der beiden Optionen zurückhalten.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @wirklich wahr?:

      Militär ist in Israel aus gutem Grund allgegenwärtig. Das hat nichts mit Militarisierung zu tun, sondern mit Abwendung von Gefahren.

      Die Universität um die es hier geht, bietet speziell Kurse für Soldatinnen und Soldaten an.

      Und Soldaten tragen nun mal Uniform.

      Und was für eine Chance soll das denn bitte sein? Glauben Sie nicht die Israelis wären froh, sie bräuchten nicht so eine starke Armee?

  • Da hat die werte Frau Doktor aber noch ganz andere Dinge losgelassen:



    www.israelheute.co...34754/Default.aspx



    Es ist sehr wohl "viel mehr von dem Streit" zu hören im Video.

  • "Deutsche Linke nutzen den Streit für ihre Zwecke."

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Es ist nicht nur die Rechte, die sich empört über das Verhalten von Frau Hilfrich äußerte, auch die größte Studentenvereinigung Israels äußerte sich kritisch. Und die Leitung der Universität.

    "die heilige Kuh" ist ja recht präsent in Israel und das aus gutem Grund.

    www.juedische-allg...-PtiRk0hOLzKjiamBc

    • @88181 (Profil gelöscht):

      "recht präsent in Israel und das aus gutem Grund" war auch eine der ersten Überlegungen, die mir in den Sinn kamen.



      Es ist halt schon arg naiv, als Deutsche die Lebensnotwendige und daher tragende Rolle der Armee im israelischen Staat in einem öffentlichen Amt abzulehnen. Als Privatperson OK, aber Sie war in ihrere Rolle als Dozentin bei diesen Äußerungen.



      Also ich wäre nicht auf die Idee gekommen, eine Israelin für das tragen der Uniform zu schelten, das erscheint mir, als Nachkomme des "1000-jährigen Reiches" (das dann zum Glück nur schreckliche 12 andauerte), schlicht unangemessen.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Arno Birner:

        Die gute Frau hält ihr Handeln sicher für einen Akt der Zivilcourage. Früher hieß das: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen."

        Mir ist es auch ein Rätsel wie man sich als Deutsche in Israel sich so aufführen kann.

        • 8G
          87233 (Profil gelöscht)
          @88181 (Profil gelöscht):

          Wie bitte? Die Frage ist wieso einen Soldatin meint sie dürfen sich so aufführen wie sie will.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Das ist wirklich dein Ernst, einer Organisation wie Im Tirtzu beizupflichten?

          • 8G
            87233 (Profil gelöscht)
            @Hampelstielz:

            Offensichtlich. Und, wenn die dann verglichen werden - zu Recht - mit unseren eigenen Rechtsradikalen, geht das Geschrei los.

            Ich bin kein Deutscher, aber Egal: von diese Israelische Diktatur Mundtot machen zu lassen kommt sicherlich für Jeder mit Moral nicht im Frage.