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Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Im AfD-Resteregal ist Leerverkauf, ein Ferrari mit Pedalantrieb hat Ähnlichkeiten mit der SPD-Sozialpolitik und Gerechtigkeit ist am Arsch.

Wer hatte ein schlechtes Passwort? Dieser da Foto: dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergange-nen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Robert Habecks Passwort.

Und was wird besser in dieser?

Wer braucht Twitter, wenn er den Spiegel-Titel hat ?

André Poggenburg, Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt und mal so was wie der Jungstar des rechten Flügels der AfD, ist aus der Partei ausgetreten und will eine neue Konkurrenzpartei gründen. Wo bleibt da der patriotische Zusammenhalt?

Das ist nach Luckes „Alfa“ respektive „Liberal-Konservativen Reformern“ und Petrys „Blauen“ der dritte Leerverkauf aus dem AfD-Resteregal. Alle nach dem Leitmotiv „großes Ego, kleine Basis“, also Leute, die kurz an der Mediensonne aufglühten und dies mit ihrer eigenen Bedeutung verwechseln. Pogges Gang liefert der AfD das wohlfeile Argument, man habe sich von bedenklich Rechten gesäubert. Doch Thüringens Höcke und Brandenburgs Kalbitz etwa sollten für den Verfassungsschutz interessant bleiben. Man tut sich schwer, bei dieser Partei von einem „rechten Flügel“ zu schreiben, doch ohne die gemeinte Klientel wird Poggenburg gehaltvoll scheitern. Vielleicht reißt er in Sachsen ein paar Prozent vom AfD-Ergebnis ab; der Dank der CDU wird ihm gewiss sein.

Die SPD will die vielen Sozialleistungen und Steuervorteile für Kinder beziehungsweise deren Eltern zur Kindergrundsicherung zusammenfassen. Gute Idee?

Wagenknecht unterstützt einen Beschluss pro Unteilbar, dafür vermied die Klausur eine Debatte um ihren Job als Fraktionschefin

Der Kunde kommt mit einem maroden Auto in die Werkstatt und gibt dem Meister auf: „Die Karre ist im Arsch“. Natürlich kann der Fachmensch nicht anders, als zwei Dutzend Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzählen, dabei ungefähr bei Rudolf Diesel anzufangen und ein paar instruktive Explosionszeichnungen des Vorderachsdifferentials eurythmisch vorzutanzen. Am Ende gibt’s eine satte Rechnung, ein leidlich tuckerndes Gebrauchtfahrzeug und einen Kunden, der eigentlich einen Ferrari wollte und sehr enttäuscht ist. So geht’s der SPD mit der Sozialpolitik: Alles richtig von Krankenkassenbeitrag über Kinderzuschlag, Baukindergeld und Teilzeitrückkehr, doch das Kerngefühl bleibt: Die Gerechtigkeit ist im Arsch. Deshalb schreibt das Giffey-Ministerium neuerdings schwungvolle Titel wie „Gute Kita“ und „Starke Familie“ drüber – Ferrari mit Pedalantrieb. Eine Frage von Zeit und Ausdauer, wie weit man damit kommt.

Auf der Klausurtagung der Linken blieb der Putsch ­gegen „Aufstehen“-Initiatorin Sahra Wagenknecht aus. „Aufstehen“ und „Unteilbar“ gehen also doch Hand in Hand?

„Wenn man 50 oder 55 Jahre alt ist, ist es nicht mehr so einfach, einen Job zu bekommen“ – sagt Sahra Wagenknecht, die im Juli 50 wird. Vordergründig geht es um eine Wiedereinführung der dunnemals untergeschröderten Arbeitslosenhilfe. Im Hintergrund wurde verrechnet: Wagenknecht unterstützt einen Beschluss pro „Unteilbar“, dafür vermied die Klausur eine Debatte um ihren Job als Fraktionschefin. Das schmeckt schal und kalkühl bis ans Herz: Wagenknechts unsolidarische Positionen gegenüber Migranten ruhen, die Linke setzt einen Schwerpunkt auf Sozialpolitik und alle dürfen weiter mitmachen. Wobei der Schwerpunkt auf Sozialpolitik nicht die dümmste Antwort auf die Migrationsthematik ist.

Der Bremer AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Magnitz wurde niedergeschlagen. Allerdings laut Polizei wohl nicht mit einem Kantholz, wie anfangs von der Partei berichtet. Von einem Mordversuch könne wohl auch keine Rede mehr sein. Was lernen wir daraus?

Das „Kantholz“ mag eine poe­tische Girlande aus einem Fehler in der ursprünglichen Pressemitteilung der Bremer Polizei sein: „Sie schlugen ihm mit einem unbekannten Gegenstand gegen den Kopf“, kann man im Archiv noch nachlesen – was durch die Veröffentlichung des Videos inzwischen augenscheinlich widerlegt scheint. Handwerkliche Schlamperei mit chaostheoretischer Wirkung: Bis zum Bundespräsidenten verurteilte jedermann „politische Gewalt – gleich von welcher Seite – dürfen wir niemals zulassen.“ Das ist so richtig wie voreilig, solange die Polizei keine belastbaren Ergebnisse vorlegen kann, ob es eben Gewalt war – oder politische. Sagen wir mal so: Wir sind derzeit nicht in einer Lage, auch Herrn Magnitz gegenüber nicht, die wir in der Schule als „Gewissensnotstand Tyrannenmord“ durchgenommen haben.

Kein Fußball, aber dafür hat die Handball-WM begonnen. Wirkt das Methadon bei Ihnen?

Was sagt es über die gesellschaftliche Positionierung der Sportart Handball aus, dass von dem Event null Migra­tionsdebatte zu erwarten ist? Die Mannschaftsaufstellung wirkt klinisch mesutfrei. Aber sie spielen geil. Wir haben euch lieb! Bevor die AfD es tut.

Und was machen die Borussen?

Der BVB-online-Fanshop auktioniert eine „matchworn Trikothose Guerreiro“ für 91 Euro. Gebrauchtwäschehandel ist also kein Privileg an- bzw. auszüglicher Onlineportale mehr, und bei dem Kader könnte der BVB Spieler ausschließlich zur Hosenveredelung beschäftigen.

Fragen: JÜK

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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4 Kommentare

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  • Zitat: „...Leute, die kurz an der Mediensonne aufglühten und dies mit ihrer eigenen Bedeutung verwechseln.“

    Wären es nur die Luckes, Petrys und Poggenburgs dieses Landes, die ihre Medienpräsens mit ihrer Bedeutung verwechseln, wär' mir das schnurz. Leider gibt es noch viel zu viele andere Leute, die den Medien ihre Behauptung abkaufen, sie hätten immer noch so was wie Macht. Leute, die – pubertierenden Teenagern ähnelnd – aus einem extremen Selbstbestätigungsbedürfnis heraus das exakte Gegenteil dessen tun, was ihnen „die Mainstream-Medien“ mit ihren diversen Spotlights nahelegen möchten.

    Vermutlich wäre es im Augenblick viel hilfreicher, "die Medien" würden sich etwas zurückhalten mit der (negativen) Bewertung von Leuten, die allenfalls Sternschnuppen sind – und sich um Themen kümmern, die wirklich eine Rolle spielen. Bevor aus Sternschnuppen noch Chicxulub-Meteoriten werden.

    Übrigens: Dass die CDU Herrn Poggenburg dankbar sein wird, wenn er "in Sachsen ein paar Prozent vom AfD-Ergebnis ab[reißt]", glaube ich nicht. Die CDU-Granden sind viel zu eitel. Eher, als an ein Fehler Poggenburgs, glauben die an die selbst erzählte Mär von der eigenen Kompetenz. Zum Belobigen brauchen die niemanden sonst. Höchstens, wenn sie mal wieder einen schwarzen Peter zu verteilen haben.

    Ach ja, und was den „Ferrari mit Pedalantrieb“ angeht: Es ist vermutlich nicht nur eine „Frage von Zeit und Ausdauer, wie weit man damit kommt". In einer Demokratie entscheiden schließlich auch die Wähler, nicht nur die Kandidaten. Zumindest alle vier Jahre. Die Frage ist also auch, wie verarscht sich die Wählerschaft fühlt im entscheidenden Augenblick.

  • & Däh Zisch - mailtütenfrisch;)

    “Glück Auf!



    www.taz.de/Die-Woche/!5561526/

    taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

    Friedrich Küppersbusch: Robert Habecks Passwort.

    Und was wird besser in dieser?

    Wer braucht Twitter, wenn er den Spiegel-Titel hat ?“

    Na Servus



    anschließe mich. Woll.

  • "Harry, hol schonmal das Kantholz" wird hier gerade zum geflügelten Wort. Ja, etwas geschmacklos, aber weil da ja kein Kantholz war, vielleicht lässlich. Vielleicht.

    • @Mustardman:

      ob Ihnen MAILLE Depuis 1747 Dijon Originale das Vestibularorgan geschädigt hat und sie deshalb über lässliche Sünden argwöhnen???