Mitgliederversammlung beim HSV: Geld gegen Macht
Der HSV muss am Samstag einen Präsidenten wählen, der eine Anteilsaufstockung von Investor Kühne durchwinkt – sonst drohen finanzielle Probleme.
Seit der Beirat kurz vor dem Jahreswechsel die drei Präsidentschaftskandidaten Marcell Jansen, Ralph Hartmann und Jürgen Hunke zur Wahl zugelassen, dafür aber andere, nicht minder qualifizierte Bewerber ausgeschlossen hat, herrscht bei den Hamburgern angespannte Wahlkampfstimmung. Die Mitglieder des HSV entscheiden nicht nur über einen Nachfolger für den ins operative Geschäft gewechselten Bernd Hoffmann, der seit Sommer 2018 hauptamtlicher Vorstandsvorsitzender der ausgegliederten „HSV Fußball AG“ ist, sondern auch über ihren Einfluss auf die Zukunft des Vereins.
Noch ist das Amt des Präsidenten beim HSV e.V. das mächtigste innerhalb der gesamten Unternehmensstruktur: Er ist „geborenes“ Mitglied im sechsköpfigen Aufsichtsrat der Fußballer und hält mit 76,19 Prozent der Anteile die Mehrheit in der Hauptversammlung der Aktionäre, zu denen neben Großinvestor Klaus-Michael Kühne (20,57 Prozent) noch drei weitere Anteilseigner (insgesamt 3,24 Prozent) gehören.
Diese Mehrheit ist wichtig, weil in der Aktionärsversammlung die letzten großen Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel, ob Kühne weitere Anteile kaufen kann. Wegen eines Fehlers in der Satzung dürfen bis zu 33,3 Prozent der Aktien ohne Zustimmung der Mitglieder veräußert werden, obwohl ihnen im Zuge der Ausgliederung des Profifußballs in eine eigenständige Gesellschaft zugesichert worden war, die Grenze bei 24,9 Prozent zu ziehen, um eine Sperrminorität eines oder mehrerer Aktionäre zu verhindern.
Das bedeutet konkret: Verkauft der HSV die verbliebenen neun Prozent, verliert er seine Dreiviertelmehrheit in der Aktionärsversammlung und kann damit nicht mehr allein über Beschlüsse aller Art oder die Besetzung des Aufsichtsrates entscheiden.
Alle drei Präsidentschaftskandidaten betonen, diesen „Satzungsfehler“ umgehend korrigieren zu wollen. Das haben vor ihnen aber auch Bernd Hoffmann und dessen Vorgänger Jens Meier (von 2014 bis 2018 Präsident des HSV e.V.) versprochen. Passiert ist bislang nichts. Nun ergreifen die Mitglieder selbst die Initiative und stellen einen Antrag, der den neuen Präsidenten zur Korrektur verpflichten soll. Die Basis lehnt es ab, das Finanzproblem mittels weiterer Anteilsverkäufe und zulasten der Aufgabe der Selbstbestimmung zu lösen. Aber hat der HSV überhaupt eine Wahl?
Allem Anschein nach nicht. Die Erlöse aus der Vermarktung sind wegen des Abstiegs in die Zweite Bundesliga rückläufig. Finanzvorstand Frank Wettstein rechnet im laufenden Geschäftsjahr mit einem Verlust von über 20 Millionen Euro, womit sich die Fehlbeträge der vergangenen acht Jahre kumuliert auf nahezu 90 Millionen Euro vergrößern würden. Von Banken bekommt der HSV Darlehen nur zu äußerst ungünstigen Konditionen. Und ein weiterer Geldgeber ist auch nicht in Sicht.
Ohne Liquidität keine Lizenz
Die Lizenz für die ersten beiden Profiligen wird der HSV nur dann ohne Auflagen und Bedingungen bekommen, wenn er ausreichend Liquidität nachweisen kann. Das wird ohne weitere Anteilsverkäufe schwer zu stemmen sein. Es braucht dann einen Verantwortlichen mit hohen Sympathiewerten, um den Mitgliedern die Notwendigkeit dieser Maßnahme deutlich zu machen.
Dafür ist der Ex-Fußballer Jansen prädestiniert, der in Umfragen mit etwa 80 Prozent Zustimmung der Favorit ist auf das Amt des Präsidenten. Kühne zählt zu seinen Unterstützern. Seine Konkurrenten Hartmann und Hunke gelten hingegen als Außenseiter und positionieren sich in der Frage nach weiteren Anteilsverkäufen deutlicher dagegen als Jansen.
Auch wenn es keiner der drei Kandidaten öffentlich zugeben würde: Auf der Mitgliederversammlung geht es nicht primär um die Interessen der 8.000 Sporttreibenden unter dem Dach des HSV. Sondern um das Profifußballgeschäft und die zentrale Frage, wie viel mehr Einfluss man seinem Investor noch geben muss, um sich in die nächste Saison zu retten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!