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Solidarität mit der „Jüdischen Stimme“Zwischen den Stühlen

Die Bank für Sozialwirtschaft wollte in Sachen Israel-Kritik und Antisemitismus alles richtig machen. Jüdische und israelische Intellektuelle protestieren.

Geteiltes Land: Blick auf die Altstadt von Jerusalem Foto: ap

BERLIN taz | Welche jüdischen Organisationen dürfen bei der Bank für Sozialwirtschaft (BfS) ein Konto haben? Diese scheinbar nebensächliche Frage sorgt für heftigen Streit. Es geht um die in Berlin ansässige Organisation „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Der Konflikt eskaliert. Der Versuch der Bank, das Problem auf elegantem Weg an eine Antisemitimus-Expertin zu delegieren, darf als gescheitert gelten.

Die Vorgeschichte spielt 2016. Damals attackierte die rechte Zeitung Jerusalem Post und der Journalist Benjamin Weinthal die Bank als „BDS-Bank“. BDS („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) ist eine, insbesondere in Deutschland, extrem umstrittene Kampagne, deren Ziel es ist, Israel, wie früher Südafrika, international zu ächten und ein Ende der Besatzungspolitik zu erwirken. In anderen EU-Ländern ist BDS weniger umkämpft – in Deutschland liegt wegen der NS-Geschichte die Assoziation „Kauft nicht bei Juden“ nahe.

„Die BDS-Kampagne würde bei uns niemals ein Konto erhalten“, so die Erklärung der Bank. Allerdings hatte die „Jüdische Stimme“ dort ein Konto, die wiederum mit BDS sympathisiert. Die Bank kündigte 2016 deren Konto – offenbar fürchtete man einen Imageschaden. Nach harter Kritik an der Kontokündigung und einem Gespräch mit VertreterInnen der „Jüdischen Stimme“ revidierte die Bank ihre Haltung. Die zionismuskritische Organisation, erklärte das Geld­institut 2017, wolle nur das Ende der Besatzung, unterstütze aber keineswegs „Aktivitäten, die gegen die Existenz des Staates Israel gerichtet sind“.

Die Gemüter schienen beruhigt, doch das täuschte. Als Brandbeschleuniger wirkte mal wieder das Simon-Wiesenthal-Center (SWC) in Los Angeles, das mit dem berühmten Namensgeber nichts als den Namen gemein hat. Das SWC veröffentlicht jährlich ein Ranking von Antisemiten, auf dem sich neben dem IS auch mal die Europäische Union oder die UNO findet. Für die SWC scheint Kritik an der israelischen Regierung und Antisemitismus das Gleiche zu sein. 2018 rangierte auf der Liste die Bank für Sozialwirtschaft auf Rang 7 – wegen Kontos der „Jüdischen Stimme“. Auf Rang eins steht eine US-Antisemit, der bei einem Attentat 11 Juden tötete.

Wissenschaftliche Prüfung als Ausweg

Anstatt diese zwischen Klamauk und Agitprop angesiedelte Liste zu ignorieren, glaubte die Bank wieder aktiv werden zu müssen. „Wir befinden uns“, so das Fazit, „in dieser Angelegenheit in einer Art Lose-lose-Situation: Sowohl die Kündigung des Kontos der Jüdischen Stimme als auch die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung haben jeweils neue Antisemitismus-Vorwürfe ausgelöst.“ Den Ausweg glaubte die Bank Ende 2018 mit einem Gutachten gefunden zu haben. Sie beauftragte, auf Empfehlung des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, die Berliner Historikerin und Antisemitismus-Forscherin Juliane Wetzel, zu prüfen, ob die „Jüdische Stimme“ antisemitisch sei – oder eben nicht. Wissenschaftliche Prüfung – scheinbar ein Königsweg um schlanken Fußes aus der Affäre herauszukommen.

Iris Hefets von der „Jüdischen Stimme“ wies dieses Ansinnen indes empört zurück. Es sei ein Unding, dass „wir als Organisation mit ausschließlich jüdischen Mitgliedern im Auftrag einer deutschen Institution von deutschen Experten bezüglich des Vorwurfs des Antisemitismus schuldig oder freigesprochen werden sollen“. Man denke nicht daran, mit Wetzel zu reden und sich „zu persönlichen Verhören zitieren zu lassen“.

Wetzel nimmt diese Weigerung gelassen. Der taz sagte sie, dass „eine aktive Beteiligung der handelnden Personen zweifellos hilfreich gewesen wäre“. Es existierten aber „zahlreiche Originalquellen der Jüdischen Stimme, sodass das Gutachten auch ohne den direkten Austausch auf einer validen Basis stehen wird“. Das Gutachten wird im März fertig sein. Ob es veröffentlicht wird, ist laut Angaben der Bank noch offen.

Solidaritätserklärung mit der „Jüdischen Stimme“

Der vermeintliche Königsweg kann für die Bank zur Sackgasse werden. Denn nun haben mehr als hundert jüdische Intellektuelle eine gepfefferte Solidaritätserklärung mit der „Jüdischen Stimme“ verfasst, die an dem Wetzel-Plan kein gutes Haar lässt. Die Idee sei „alarmierend“. Dass Deutsche „ein Urteil fällen, ob eine Gruppe von Juden und Israelis, darunter viele Nachkommen von Holocaust-Überlebenden, antisemitisch sei“, halten sie für „lächerlich und schamlos“. Und: „Als jüdische und israelische Akademiker und Intellektuelle, die dem Kampf gegen Antisemitismus und alle Formen von Rassismus verpflichtet sind, verurteilen wir die laufende Kampagne, die darauf abzielt, die Jüdische Stimme und ihre Mitglieder zum Schweigen zu bringen, unabhängig davon, ob wir mit allen ihren Positionen übereinstimmen oder nicht.“

Bemerkenswert ist die Liste der UnterzeichnerInnen. Neben Noam Chomsky und Judith Butler, die zu scharfen Kritikern der israelischen Regierung gehören, finden sich auch die in Jerusalem lehrenden Soziologin Eva Illouz und Micha Brumlik, die beide eher als linke Zionisten gelten. Den Aufruf unterstützen auch Moshe Zimmermann und Moshe Zuckermann.

Alarmiert sind die Unterzeichner nicht nur wegen des tollpatschigen Versuchs der Bank, sich aus der Affäre zu ziehen – sondern wegen der bedrohlichen politische Wetterlage. Ministerpräsident Netanjahu übergab Angela Merkel Anfang Dezember höchst persönlich ein Papier mit Forderungen, die es in sich haben: Die Bundesregierung solle keine NGOs mehr fördern, die „antiisraelische Aktivitäten fördern“ – wobei dazu offenbar schon Kritik des Besatzungsregimes zählt. Sogar das Jüdische Museum in Berlin rückte Netanjahu in die Nähe von BDS-Unterstützern.

Kritik an Besatzungspolitik in Israel

Die Bank-Affäre spielt sich somit vor einem neuen Prospekt ab – dem aggressiven Versuch der Netanjahu-Regierung, Kritik an der Besatzungspolitik in Israel und auch in Deutschland zu verhindern. „Zivilgesellschaftliche Organisationen in Israel und weltweit, die sich für die Menschenrechte der Palästinenser einsetzen, werden von israelischen Offiziellen in zynischer Weise als Feinde des Staates, Verräter und zunehmend als Antisemiten abgestempelt. Für kritisches Engagement bleibt immer weniger Raum“, heißt es in dem Aufruf.

Die Anfeindungen gegen die „Jüdische Stimme“ seien „bezeichnend für dieses um sich greifende Phänomen“. Und: „Wir rufen die deutsche Zivilgesellschaft dazu auf, Antisemitismus unnachgiebig zu bekämpfen und dabei klar zu unterscheiden zwischen Kritik am Staat Israel, so hart sie auch ausfallen mag, und Antisemitismus.“

Die „Jüdische Stimme“ hat neben der verdrießlichen Auseinandersetzung derzeit auch Grund zur Freude. Sie wird demnächst mit dem Göttinger Friedenspreis 2019 ausgezeichnet.

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28 Kommentare

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  • Wenn es darum geht, die Lebenssituationen in Middle East zu beurteilen, in denen Juden und Muslime um ein Miteinander ringen, ob friedlich oder im Konflikt, sind die Kommentarspalten deutscher Internetauftritte stets gefüllt. Was treibt eine christlich geprägte deutsche community an, die den Mord an 6- Millionen Juden in Europa historisch aufarbeiten sollte, die vor ihnen Geflohenen und deren Nachkommen über die halbe Welt nach Middle East zu verfolgen, um sich über deren Angelegenheiten zu ereifern?

    Eins Satz, den man hier nachlesen kann, sollte uns die Augen öffnen:

    jungle.world/blog/...us-den-nahen-osten

    Zitat:

    "Die verbreitetste Spielart des europäischen Antisemitismus kann man heute ohne Bezug auf den Nahen Osten gar nicht verstehen, denn dabei wird der Antisemitismus an dortige Akteure sozusagen delegiert, ....................."

    Zitat Ende

    • @Günter:

      Ja was treibt sie wohl an... manche können sich einfach nicht vorstellen dass die internationale Solidaritätsbewegung für die Verwirklichung der Rechte der Palästinenser nicht antisemitisch ist. Jede Kritik an israellischer Politik wird einfach pauschal verunglimpft. Was diese Leute wohl so antreibt?

  • Jüd*innen können sich offenbar nicht einigen, wer oder was antisemitisch ist, und Nichtjüd*innen haben da gefälligst nichts mitzureden. Eine Klärung in der Sache ist also unmöglich. Die Bank könnte mit Recht verlautbaren: "Wir nehmen ab sofort überhaupt keine jüdischen Organisationen mehr als Kunden an, um nicht als Antisemiten abgestempelt zu werden." Was natürlich sofort wieder die Abstempelung zur Folge hätte. Aber danach wär Ruhe. Solange Antisemitismus im Tollhaus definiert wird: Finger weg!

    • @miri:

      Die Bank für Sozialwirtschaft ist für die Finanzierung der freien Wohlfahrtspflege gegründet worden und dafür auch immer noch zuständig.

      Zu den Eigentümern gehört daher auch Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Das dürfte denen schwierig zu vermitteln sein.

  • "Es mag ja unter den BDS-Leuten und ihren Unterstützern Personen geben, die das nicht wollen und die keine Juden hasen."

    Es MAG JA.... Sind Sie noch ganz sauber? Es gibt sogar eine ganze Menge Juden die BDS unterstützen. Ich könnte ihnen jetzt eine ganze Reihe jüdischer Journalisten, Autoren oder sonstwas aufzählen die BDS unterstützen. Gerade in den USA nimmt unter den jungen Juden die unterstützung für die Israelische Politik seit Jahren drastisch ab. Zu schreiben es mag auch Leute geben die keine Antisemiten sind ist einfach eine Frechheit.

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass mindestens 90 % der Leute, die sich in der Bewegung engagieren nicht Antisemitisch motiviert sind. Dass hier und da ein paar bescheuerte Typen auf den Zug aufspringen um ihre Propaganda zu verbreiten ist normal und ist bei jeder Grasrootsbewegung so. Auch die Bürgerrechtsbewegung in den USA wurde diffamiert weil es ein paar zweifelhafte Gestalten darunter gab, aber das ändert nichts an der Legitimität des Anliegens.

    Zu behaupten BDS würde die Existenz Israels bedrohen ist grober Unfug, denn Israel hat es ja selber in der Hand einen möglichen Boykott wieder zu stoppen. Mal ganz davon abgesehen, dass es einen unterschied zwischen dem Existenzrecht der Juden im Nahen Osten und dem Existenzrecht des Staates Israel gibt (zumindest in seiner jetzigen Verfassung).

    Eine zweistaatenlösung ist immer schwerer umzusetzen und wenn nicht bald was geschieht gibt es die Optionen Apartheid oder gemeinsamer Staat. Und bevor sie mich als Antisemiten bezeichnen, das ist die Haltung die ich schon von vielen jüdischen Intellektuellen gehört habe.

    Ich bin für jede Bewegung dankbar, die das Thema wieder in die Öffentlichkeit bringt weil ich um ehrlich zu sein meine zweifel habe ob eine einstaatenlösung funktionieren würde. Die Zeit läuft davon.

  • Selbsterklärend:



    „Hundreds of Israelis Demonstrate Against Home Sale to Arab Family



    Former mayor joined protest: 'the residents of Afula don't want a mixed city, but rather a Jewish city, and it's their right. This is not racism' „ www.haaretz.com/is...b-family-1.6174662

  • Der Vorwurf, der gegen die "Jüdische Stimme" (JS) erhoben wird, besteht nicht darin, sich für die Menschenrechte von Palästinensern einzusetzen, sondern darin, BDS zu unterstützen. Zur Frage, ob sie das tut oder nicht, findet sich in der im Artikel verlinkten Solidaritätserklärung nichts. Dafür aber auf der Website der JS ( www.juedische-stim...-juedische-stimme/ ). Es heißt dort u. a.: "Abgesehen von ihrer Unterstützung der weltweiten gewaltfreien BDS-Bewegung steht die JS, angesichts der Tatsache, dass die Ministerpräsidenten Israels vorgeben „im Namen aller Juden der Welt“ zu handeln, mit vielen anderen jüdischen Organisationen auf allen Kontinenten in der Tradition der in den USA ins Leben gerufenen Bewegung „Not in My Name – Jewish Voice for a Just Peace!“."

    Also unterstützt die JS BDS und damit den Boykott Israels. Israel ist der einzige Staat der Welt, gegen den es eine weltweite Boykottbewegung gibt. Und selbstverständlich wäre ein weltweiter Boykott Israels, also die Umsetzung der Forderungen von BDS, dazu geeignet, die Existenz dieses Staates zu gefährden. Was mit den Millionen dort lebender Juden geschähe, wenn der israelische Staat zusammenbräche, haben in den letzten 70 Jahren die gegen Israel geführten Angriffskriege und der hauptsächlich gegen Zivilisten gerichtete Terrorismus gezeigt, und man kann es auch der Propaganda von Iran, Fatah, Hamas, Hisbollah usw. entnehmen. Wenn Israel auch nur einen Krieg verliert, kann das den Tod von Millionen Juden bedeuten.

    Es mag ja unter den BDS-Leuten und ihren Unterstützern Personen geben, die das nicht wollen und die keine Juden hassen. Eine politische Organisation ist aber nicht danach zu bewerten, ob unter ihren Mitgliedern liebe Menschen sind, und auch nicht danach, ob ihr im Land der Täter des Holocaust Preise verliehen werden, sondern nach ihrer Politik und nach den Folgen der Erfüllung ihrer Forderungen.

    • @Budzylein:

      Es gab auch eine internationale Bewegung gegen Apartheid-Südafrika. Es geschafft zu haben eine internationale Bewegung zu werden bedeutet nicht, dass diese deswegen antisemitisch ist. Es ist auch nicht das Ziel der BDS-Bewegung einen Staat zum Zusammenbrechen zu bringen, sondern um einen politischen Prozess.



      Israel ist ein hochaufgerüstetes Land, das hauptsächlich Krieg gegen die Palästinenser führt. Es rückt politisch immer weiter nach Rechts und bedrängt inzwischen auch israelische NGOs und Menschenrechtsorganisationen. Viele Israelis halten das Leben dort garnicht mehr aus, sehen keine Zukunft für sich und ihre Kinder dort und ziehen daher lieber weg. Wenn die Rechte der Palästinenser weiterhin verweigert werden, wird die israelische Regierung immer mehr Gewalt anwenden müssen um die Palästinenser für weiter Jahrzehnte unterdrückt zu halten. Dies ist keine weitsichtige Politik.

  • Unabhängig vom Thema, das Delegieren von Führungsaufgaben ist eine absolute Unsitte.

    Man kann sich gerne externen Rat suchen, aber am Ende muss, hier in dem Fall der Vorstand der Bank, selbst eine Entscheidung treffen und auch dazu stehen. Die Entscheidung praktisch den Externen zu überlassen, ist immer nur eine Ausrede um hinterher bei Kritik oder Problemen zu sagen, ja aber wir haben das doch nicht entschieden, das kam doch von Extern. Der Externe ist dann aber auch schon beim nächsten Projekt und trägt für das Unternehmensowieso keine Verantwortung.

    Wer so was macht, ist für mich keine Führungsperson und genau für das Übernehmen von Verantwortung bekommt man mehr Geld und somit ungeeignet für einen solchen Posten.

    Und weil es doch nicht die eigene Entscheidung ist, ändert man dann seine Position. Aber bei solch umstrittenen Themen wie den israelisch besetzten Gebieten kann man es nicht allen Seiten Recht machen, das ist unmöglich. Aber so macht man sich bei beiden Seiten unglaubwürdig, auf die Spitze getrieben hat das Stefanie Carp letztes Jahr als Intendantin der Ruhrtriennale. Wer als erstes eine Band wie die Young Fathers, die offen BDS unterstützen einlädt, dann diese auffordert sich von BDS zu distanzieren, was diese natürlich nicht machen, sie deswegen dann halbherzig auslädt, dann aufgrund des Gegendrucks wieder einlädt und sich dann hinterher wundert das die dann doch etwas anderes vorhaben und nicht kommen hat den maximalen Schaden angerichtet.

    • @Sven Günther:

      Manchmal sind solche "cover your ass"-Maßnahmen wie eine externe Begutachtung auch genau deshalb als solche geeignet, weil sie in der Situation die richtigen sind. Denn Führungspersonal, das für sich beansprucht, jede Sachfrage aus eigenem Wissen heraus kompetent beantworten zu können, ist mindestens genauso unbrauchbar bis gefährlich wie ein pathologischer Eigenverantwortungsvermeider.

      Ich würde von einem Bankvorstand erwarten, dass er in der Lage ist, die Parameter zu bestimmen, an denen er seine Entscheidungen festmacht, und zu erkennen, wenn wesentliche Teile dieser Parameter außerhalb seiner persönlichen oder der sonstigen hauseigenen Expertise liegen. In dem Fall ist eine möglichst seriöse externe Klärung der Sachfrage besser als jeder heldenhaft-verantwortungslechzende Alleingang.

      Genau das liegt hier vor: Die Bank sieht sich faktisch Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt - egal, wie sie sich entscheidet. Die Vorwürfe kommen BEIDERSEITS von Leuten, die mit Antisemitismus wesentlich mehr professionellen Kontakt haben und wesentlich weniger zur politischen Neutralität verpflichtet sind als eine deutsche (Staats-)Bank. Sich für eine Seite zu entscheiden, steht und fällt daher mit der Frage, was - möglichst objektiv - antisemitisches Verhalten ist und inwieweit die Jüdische Stimme solches Verhalten an den Tag legt. Es kann und darf nicht darum gehen, ob die Bank die Politik der Regierung Netanjahu unterstützen will oder nicht.

      Wer sonst außer Jemandem, der sich mit dem ausdrücklichen Ziel wissenschaftlicher Objektivität professionell mit dem Phänomen "Antisemitismus" befasst, sollte da geeignet sein, diese für entscheidend befundene Frage kompetent zu beantworten?

      • @Normalo:

        Ich verstehe ihre Antwort ehrlich gesagt nicht ganz.

        Ich habe nicht behauptet das man alles auch ohne eigene Fachkompetenz entscheiden soll.

        "Man kann sich gerne externen Rat suchen, aber am Ende muss, hier in dem Fall der Vorstand der Bank, selbst eine Entscheidung treffen und auch dazu stehen."

        Und Sie haben als Führungskraft ständig mit Themen zu tun die außerhalb ihrer persönlichen Expertise liegen. Meine Vorstände sind alles Juristen und entscheiden auch über meine IT Projekte und die haben davon noch weniger Ahnung als die Bank von Antisemitismus, trotzdem halten die auch den Kopf dafür hin.

        Und es ist ein Unterschied, ob man sich nach Befassung mit einer Sachfrage und Expertise von Dritten zu einer eigenen Entscheidung aufrafft oder einfach sagt, das ist die Empfehlung, die Übernehmen wir.

        Zum letzten Absatz, hier handelt es sich um eine politische Frage, es gibt hier kein "richtig" oder "falsch." Die jeweilige Gegenseite wird Ihnen immer Antisemitismus unterstellen, egal woher die wissenschaftliche Expertise kommt und darum ist dieser wissenschaftliche Ansatz immer zum scheitern verurteilt.

        • @Sven Günther:

          Es ist doch so: Wenn ich als Vorstand einen klaren Entscheidungsnexus bei einer Sachfrage habe, dann ist natürlich die Entscheidung am Ende mehr oder minder an die Antwort gebunden, die ich auf die Sachfrage erhalte. Die Bank will ja auch nicht von Frau Metzel wissen, ob die Jüdische Stimme ein Konto bekommt, sondern ob bei ihr antisemitische Ziele und/oder Aktivitäten zu verzeichnen sind. DAS ist die extern zu klärende Sachfrage. Dass die nachlaufende - eigene - Entscheidung der Bank über die Kontovergabe zu 100% von der Antwort auf diese Frage abhängt, liegt eher in der Natur der Sache.

          Die Leitung der Bank hat übrigens insofern politisch ihren Hals aus dem Fenster gehängt, als sie sich zunächst auf diesen Nexus festgelegt hat - wofür sie jetzt erwartbar Zunder von MINDESTENS einer Seite bekommt: Die Jüdische Stimme ist stinkig, dass man überhaupt den Claim des Antisemitismus verfolgt, und die israelische Regierung hätte im Zweifel umgekehrt deutlich lieber, dass man sie einfach als entscheidende Autorität über die Frage, wer oder was antisemitisch ist, akzeptieren würde.

          Die Bank HÄTTE zum Beispiel auch komplett blocken können (wie es Miri weiter oben vorgeschlagen hat) oder sich umgekehrt auf den Standpunkt stellen können, dass im Streit zwischen zwei jüdischen Institutionen keine Parteinahme je global antisemitisch sein kann. Beide Varianten wären ohne Begutachtung ausgekommen. Mir persönlich wären sie aber auch zu oberflächlich gewesen, und sie hätten im Zweifel den Vorstand gegenüber der jeweils opponierenden Seite eher in Erklärungsnot gebracht.

          Ihr eigener Vorstand wird auch in der Regel bei Entscheidungen über "fachfremde" Themen seine Eigenleistung eher darin sehen, die EntscheidungsKRITERIEN festzulegen, seine Entscheidung aber von den entsprechenden Angaben der Fachabteilung/ einers Beraters abhängig machen - nur dass die bei reibungslosem Ablauf des Entscheidungsprozesses in der Regel schon vorliegen. Da fällt sie Abhängigkeit weniger auf.

  • Leider ist es immer noch üblich, den Holocaust politisch zu instrumentalisieren. Auch für die absurdesten Vorwürfe. Das führt letztendlich zu einer Inflation des Begriffs "Antisemitismus", wonach jede Kritik an der rechtsnationalistischen israelischen Regierung als Antisemitismus bezeichnet wird. Und schlimmer noch: Kritik am Netanjahu-Regime wird sogar als Vorwand bezeichnet, antisemitische Einstellungen quasi ausleben zu können. Und so ist es nicht verwunderlich, dass selbst kritische Juden bzw. Israelis von deutschen Nichtjuden als Antisemiten denunziert werden. Dass die BfS mangels klarer Linie und offensichtlich orientierungslosem Management in den Strudel chaotischer Antisemitismusvorwürfe geraten ist, wundert mich nicht. Letztendlich ist das nur Ausdruck eines zum Scheitern verurteilten Versuches, immer und überall und auf jeder Seite nur die Guten zu sein. Einem Individuum würde man bei einem solchen Verhalten Charakterschwäche bescheinigen.

  • Das ist nun mal das Ärgerliche an einer polarisierten Welt: In ihr kann einfach nicht alles richtig gemacht werden. Nicht mal von einer Bank. Hat man bei einer Seite mühsam für ein richtig gutes Image gesorgt, hat man es sich mit der anderen meistens total verscherzt. Im ärgerlichsten Fall kann man als Bank nicht einmal mehr die Hälfte dessen verdienen, was man unter anderen Umständen hätte verdienen können.

    Übrigens: Ob Simon Wiesental in seinem Grab rotiert oder nicht, scheint dem SWC ziemlich egal zu sein. Kein Wunder. Tote haben keinen Einfluss mehr auf die Geschäfte Lebender. Nicht in einer Welt, in der reale Macht alles ist. Auch nicht auf solche, die unter Verwendung ihres guten Namens abgewickelt werden.

  • Hier gibt es den ersten teil einer Dokumentation, die unter anderem zeigt wie offizielle israelische Organe wie die Botschaft in Großbritanien pseudo Graswurzelbewegungen unterstützen um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

    Die Lobby Pt 1:



    www.youtube.com/watch?v=ceCOhdgRBoc

    • @Huege:

      Und Al Jazeera, als Staatssender Qatar, den die eigenen ehemaligen Korrespondenten inzwischen als Fake News Sender bezeichnen, ist eine total unabhängige und seriöse Quelle.

      „Das Interessante ist, dass ein Fake News Sender – und seit 2011 ist Al Jazeera ein Fake News Sender – mit den gleichen Waffen geschlagen wird, diesmal von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ein sehr interessanter Medienkrieg, allerdings kann keiner hier beanspruchen, der Saubermann zu sein. Katar und UAE stehen in Konkurrenz, denn beide sitzen im gleichen Boot.“

      www.deutschlandfun...ultur-mobil]-[]-[]

      • @Sven Günther:

        Ich halte Al Jazeera zumindest in Belangen, die Katar nicht direkt berühren für Vertrauenswürdiger als z.B. die Bild.

        • @Huege:

          Und Qatar ist der wichtigste Financier der Muslimbruderschaft und auch ihres palästinensischen Ablegers Hamas.

          Erst im November hat Qatar die Hamas vor dem finanziellen Kollaps gerettet und ihr 15 Millionen Dollar in bar zukommen lassen.

          www.tagesschau.de/ausland/gaza-697.html

          Und in Qatar leben auch nicht zufällig die Führer der Muslimbruderschaft wie Yusuf al-Qaradawi. Der hat z.B. eine regelmäßige Sendung auf Al Jazeera mit dem schönen Namen "Die Scharia und das Leben."

          Gut der Mann bezeichnet die Shoa als Strafe Allahs für die Juden und hofft, "So Gott will, wird das nächste Mal diese Strafe durch die Hand der Gläubigen erfolgen."

          bellfrell.blogspot...-qaradawi.html?m=1

          Aber hey, auch die Taz hält den für einen Guten.

          "Der in Qatar lebende und geachtete Schaikh Qaradawi hat in einer Fatwa, einem religiösen Rechtsgutachten, die Stahmauer als haram - als Sünde - erklärt."

          www.taz.de/!5149921;moby/

      • @Sven Günther:

        Es gibt mitschnitte von Gesprächen von Israelischen Offiziellen, ob oder in welchem Grade Al Jazeera ein vertrauenswürdiger Sender ist kann man gerne diskutieren, aber das ändert nichts daran, dass in der Dokumentation Fakten gezeigt wurden.

        Und mal ganz davon abgesehen finde ich einige der "Fake News" Sender deutlich vertrauenswürdiger als so manches unabhängige Nachrichtenmedium. Klar, wenn z.B. RT was berichtet, was Russland direkt tangiert bin ich da erstmal seeeehr vorsichtig und ziehe andere Quellen hinzu, aber gerade RT USA berichtet über viele Missstände, die bei CNN oder sonstwas nicht angesprochen werden. Ich finde man macht es sich ein bisschen einfach wenn man nur aufgrund der Quelle gleich alles beiseite wischt und gar nicht mehr bereit ist sich auf einer kritischen Ebene mit den Inhalten auseinanderzusetzen.

        • @Huege:

          Und ja, Israel ist keine strahlende Demokratie in der Dunkelheit.

          Israel hat viele Fehler und nicht alle sind den Problemen von außen zuzuschreiben.

          Aber kennen Sie den Unterschied zwischen Israel und seinen Nachbarn?

          Ich muss da mal auf Leute verlinken die ich sonst meide, aber die schreiben auf deutsch.

          www.israelheute.co...34775/Default.aspx

          Einfache Frage, würden die Anderen solche Leute festnehmen?

          Und wie sagte es meine Bobe, "des sin unsre Leut."

          Ich möchte Sie nicht von meinem Standpunkt überzeugen, ich möchte nur, daß Sie ihn in Betracht ziehen.

          • @Sven Günther:

            Und mir ist die eher destruktive Rolle Katars im Nahostkonflikt durchaus bewusst. Mit Ihrem link wollten Sie wohl aussagen, dass Israel ein Rechtsstaat ist, mit abstrichen würde ich da auch zustimmen. ABER ICH HABE DAS AUCH NICHT IN ABREDE GESTELLT. Warum Bombadieren Sie mich mit lauter Sachen die für die Einschätzung meines Links vollkommen unerheblich sind?

          • @Sven Günther:

            Ich habe mich mit keinem Wort zu Israel oder Katars Politik geäußert. Ich habe lediglich gesagt, dass es sich bei der Doku um Fakten handelt, da dort nunmal Israelische Offizielle vor laufender Kamera bestimmte Aussagen tätigen.



            Von daher ist es vollkommen irrelevant wie die politische Situation in Katar ist und ob Al Jazeera vertrauenswürdig ist oder nicht.



            Man wird die Leute wohl kaum unter vorgehaltener Waffe zu den Aussagen gezwungen haben.



            Und ich lasse mich von Ihnen jetzt ganz bestimmt nicht in eine Diskussion über Demokratie und Menschenrechte im Nahen Osten verwickeln.

            Schauen Sie die Doku an oder lassen Sie es bleiben, aber hören Sie auf mir mit Punkten zu kommen, die Nullkommanull mit meiner Aussage zu tun haben.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    "Skurril", dennoch Realität, wenn "Deutsche" sich aufschwingen, über Menschen jüdischen Glaubens, deren (angeblichen) Antisemitismus zu urteilen;

    die Nachkommen der Täter über die Nachkommen der Opfer richten.

    Heruntergebrochen auf das aktuelle Tagesgeschehen geht es natürlich in keinem Fall um Antisemitismus, sondern beinahe ausschließlich um das Verhindern jedweder Kritik am Gebaren der Besatzungsmacht Israel.

    Kommt mittlerweile selten vor -früher schrieben hier auch mal ein Moshe Zuckermann oder ein Levy Gideon- einen derart differenzierten Artikel zu lesen. Danke dafür!

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @90857 (Profil gelöscht):

      Zu Moshe Zuckermann,

      der in dieser oben im Artikel erwähnten "Solidaritätserklärung" als Unterzeichner zu finden ist,

      den ich bei einer Diskussion in der JW-Ladengalerie persönlich kennenlernen durfte und dessen Bücher ich zum Teil besitze und gelesen habe,

      dieser Moshe Zuckermann nennt das Gebaren der neuen deutschen, antideutschen Antisemitenjäger eine

      "Zeit der Verleumder"

      termiten.net/node/900

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @90857 (Profil gelöscht):

      In etwa genauso skurill, wie die ständige Suche nach dem "Lieblingsjuden" der das bestätigt, was sich Deutsche nicht über Israel zu sagen trauen.

      Funktionert nach dem Akif Pirincci-Prinzip bei Pegida. Wenn ein Mann mit türkischem Migrationshintergrund aufs Derbste über andere Migranten herzieht, dann freut sich der deutsche Rassist.

      Ob Israel denn eine Besatzungsmacht ist, oder die Palästinenser eine Mitschuld an der verfahrenen



      Situation da unten haben; darüber wird viel diskutiert, auch wenn deine Wahrheit schon fest steht.

      • @6474 (Profil gelöscht):

        Kann Israel nur dann eine Besatzungsmacht sein, wenn eine palästinensische Mitschuld auszuschließen ist? Wir hatten mal in Deutschland Besatzungsmächte, nach Ihrer Argumentation müssten wir (bzw. unsere Vorfahren) ja daran ganz unschuldig gewesen sein. - Dieses Keine-Ambivalenzen-zulassen, wie es sorum von Netanjahu und andersrum von BDS praktiziert wird, kann ja manchmal ganz unterhaltsam sein, und es klingt so schön nach "Klarer Standpunkt" (den man auch als Horizont mit Radius von Null definieren kann), aber ausbaden müssen es meistens Leute, die selber wenig dafür können.

        • 6G
          6474 (Profil gelöscht)
          @Ewald der Etrusker:

          "Kann Israel nur dann eine Besatzungsmacht sein, wenn eine palästinensische Mitschuld auszuschließen ist?"

          Um es mal ein bischen genauer zu nehmen: "Palästina" ist eine Erfindung des britischen Empires und vor der Gründung des Staates Israel gab es jüdische und arabische "Palästinenser".Heute gibt es jüdische und muslimische Israelis.

          Ich kann Netanjahu wenig abgewinnen, weiß aber mitterweile worauf diese Südafrika-Vergleiche abzielen