Agraratlas und Ernährungsreport: Menschen wollen Ökolandwirtschaft
Deutsche wollen mehr artgerechte Tierhaltung und Bauern, die nachhaltiger wirtschaften. Die EU-Politik sei „ungerecht und ineffektiv“.
Das Höfesterben auf dem Land ist nicht im Sinne der Verbraucher. Dass es in Deutschland immer weniger landwirtschaftliche Betriebe gibt und die verbleibenden Einheiten immer größer werden, halten 76 Prozent der Deutschen für ein großes Problem. 80 Prozent sind sogar der Meinung, dass die Bauern für ökologische Leistungen wie Natur- oder Gewässerschutz besonders vergütet werden sollten.
Das ergibt sich aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage, die im neuen „Agrar-Atlas“ enthalten ist, der am Mittwoch in Berlin von der Böll-Stiftung und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vorgestellt wurde. Die derzeitige europäische Agrarpolitik sei „unökologisch, ungerecht und ineffektiv“, sagte Christine Chemnitz von der Grünen-nahen Böll-Stiftung.
Danach bekomme derzeit 1 Prozent der Betriebe in Deutschland 20 Prozent der Agrarsubventionen. Und das „ohne größere ökologische Auflagen“, weil die Mittel nur nach Fläche vergeben werden. Die EU-Gelder müssten künftig nach ökologischeren Kriterien verteilt werden. Derzeit erhalten die Bauern in der EU jährlich 58 Milliarden Euro.
Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger forderte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) auf, sich in Brüssel für eine Änderung der EU-Agrarpolitik einzusetzen. Leider habe es den Anschein, dass ihr Ministerium „auf Zeit spielt“, während „die Agrarlobby in Brüssel bereits Nägel mit Köpfen“ mache. Die Wahl zum EU-Parlament im Mai werde zentral wichtig für die Agrarwende in Europa sein.
Misstrauen gegen Lebensmittelsicherheit
Der jährlich zur „Grünen Woche“ und der Demo für eine ökologische Landwirtschaft, „Wir haben es satt“, vorgelegte Informationsatlas hat in diesem Jahr die EU-Landwirtschaft zum Thema. Das kostenlos erhältliche Heft wird in 200.000 Exemplaren diesmal auch in andern europäischen Ländern verteilt. Mit ihrem Ernährungsreport „Deutschland, wie es isst“ stellte Klöckner am selben Tag in Berlin eine weitere Forsa-Umfrage vor, in der 1.000 Bürger über ihr Ernährungsverhalten befragt wurden.
Auch hier schimmert ein leicht grüner Tenor durch, wenn 70 Prozent der Befragten bei ihren Erwartungen an die Landwirtschaft die „artgerechte Tierhaltung“ an die Spitze setzen, gefolgt vom „schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen“ (68 Prozent). Beim Thema Welternährung sehen die meisten (84 Prozent) in der Reduzierung von Lebensmittelabfällen die erste Problemlösung.
74 Prozent befürworten eine Reduzierung des Fleischkonsums. 71 Prozent der Deutschen essen täglich Obst und Gemüse, 64 Prozent Milchprodukte, während Fleisch und Wurst nur bei 28 Prozent jeden Tag auf den Teller kommt. Auf einen interessanten Trend verwies Forsa-Chef Manfred Güllner: Im Vierjahresvergleich habe sich das Vertrauen der Deutschen in die Lebensmittelsicherheit seit 2015 von 77 auf 72 Prozent verringert. Dies sei auch Ergebnis eines wachsenden allgemeinen Misstrauens gegen staatliche Institutionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung