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Linkspartei auf KompromisssucheGemeinsame Erklärung vorgelegt

Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei benennen den Dissens beim Thema Arbeitsmigration. Ob das die Lage entspannt, ist fraglich.

Ob sich Sahra Wagenknecht an den Duktus der gemeinsamen Erklärung hält, ist unklar Foto: dpa

Berlin taz | Bis in die Nacht hinein haben die Parteivorsitzenden der Linkspartei Katja Kipping und Bernd Riexinger und die Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zusammengesessen und diskutiert. Herausgekommen ist eine gemeinsame Erklärung, die als Basis und Kompromissangebot für die für Freitagnachmittag angesetzte Generalaussprache zum Thema Migration von Parteivorstand und Fraktion dienen soll.

In dem Papier, welches überschrieben ist als gemeinsame Erklärung von Partei- und Fraktionsvorsitzenden – allerdings ohne namentliche Erwähnung – , bekennen sich alle vier einerseits zum Programm der Partei, in dem sich ja auch die Passage „Offene Grenzen“ findet. Andererseits wird auch ein zentraler Dissens benannt: zum Thema Arbeitsmigration. „Das Thema Arbeitsmigration wird auch innerhalb unserer Partei intensiv diskutiert“, heißt es in der vierseitigen Erklärung. „Bei diesen Diskussionen, ob und wie Arbeitsmigration reguliert und beschränkt werden soll und wie Einwanderung gestaltet werden kann, wollen wir als LINKE die sozialen Grundrechte der Betroffenen schützen und gestalten.“

Dieser Punkt sowie die Begriffe „regulieren“ und „beschränken“ waren, so heißt es aus dem Parteivorstand, Sahra Wagenknecht wichtig. Die Fraktionsvorsitzende hat sich mehrfach und auch in der taz gegen Arbeitsmigration ausgesprochen. Kipping und Riexinger haben den Verweis auf die sozialen Grundrechte hineinverhandelt.

Auch zwei weiteren Passage tragen die Handschrift der Parteivorsitzenden, die sich auf entsprechende Beschlüsse der Partei und damit auf die Mehrheitsmeinung der Parteitagsdelegierten berufen. Zum einen die Forderung nach legalen Fluchtwegen nach Europa und zum anderen die nach sozialen Sicherheiten und gleichen Rechten für alle. Ein Bekenntnis dazu, soziale Rechte und Einwanderungsfragen nicht gegeneinander auszuspielen, findet sich hingegen nicht.

Nichts wird beschlossen

Das Papier soll jedoch nicht als gemeinsame Erklärung von den über 100 Teilnehmern beschlossen werden, sondern diene lediglich als Diskussionsgrundlage. Wie verfahren die Situation ist, zeigt auch die Tatsache, dass es nach dem Treffen keine gemeinsame Pressekonferenz geben wird.

Die beiden Parteivorsitzenden blicken dennoch optimistisch auf den Nachmittag. „Immerhin ist es gelungen ein gemeinsames Papier einzubringen“, sagte Riexinger vor Journalisten am Vormittag. Und Kipping sieht mit der Fokussierung auf die Arbeitsmigration eine Konfliktverschiebung von der grundsätzlichen Frage der offenen Grenzen hin zu einem „realen Problem.“ Das sei ein Fortschritt.

Ob sich Sahra Wagenknecht allerdings an den Duktus der gemeinsamen Erklärung hält, ist eine andere Frage. Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie: „Meine Überzeugungen zu verleugnen, um weiter politisch arbeiten zu können, kommt für mich nicht infrage.“

Das klingt nicht so, als ob sich die Fraktionsvorsitzende beim Thema Migration künftig zurückhalten würde.

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9 Kommentare

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  • Bodo Ramelow laut "Bild":



    Derzeit, zitiert ihn das Blatt weiter, profitierten von den Asylverfahren oft »die Falschen: Diejenigen, die kommen, um unser System auszunutzen«



    www.neues-deutschl...ationsdebatte.html



    Also okay, weil es Ramelow sagt - und nicht Wagenknecht?

  • Wenn ich Frau Lehmann richtig verstehe, darf Sahra Wagenknecht, weil sie Sahra Wagenknecht ist, keine eigene Meinung vertreten. Und sie wird nicht müde, immer wieder durchblicken zu lassen, dass Kipping und Riexinger die Guten sind, die natürlich nicht intrigieren gegen Wagenknecht. Kipping und Riexinger sollten doch einfach die Fraktion auffordern, Wagenknecht als Fraktionsvorsitzende und gleich mit ihr den Bartsch abzuwählen und entsorgen. Dann könnte man noch eine Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen bilden und darauf hoffen, dass Daimler und Co. endlich auch Die Linke mit Parteispenden ködern.

    • @Rolf B.:

      die ander Alternative wäre, Wagenknecht und Co machen ihre "Aufsteh- Partei" auf und verbünden sich mit den gemeinsamen Putin-und Assad-Freunden und Migrantenhassern von der AFD und lassen sich aus Moskau finanzieren, wie schon zuvor der Front National

      • @Rinaldo:

        Daist eine gemeinsame Erklärung auf demTisch und hier werdenweiter die Feindbilder gepflegt.

        Toll, manchmal frage ich mich, ob hinreichend viele Menschen verstehen, dass das oberste Prozent die Probleme verursacht.

        Aber ok. Moral ist wichtiger als ein gutes Ergebnis. Das stößtmirseit 30 Jahren Aktivität im linken Spektrum auf.

      • @Rinaldo:

        Oh je, da spricht aber einiges an Paranoia.

        • @J_CGN:

          Lesen Sie mal Rolf B. Oben:



          "Dann könnte man noch eine Fraktionsgemeinschaft mit den Grünen bilden und darauf hoffen, dass Daimler und Co. endlich auch Die Linke mit Parteispenden ködern"

  • 2003 wurde in Deutschland im Baugewerbe der erste Mindestlohn überhaupt eingeführt: 10,36 € für unqualifzierte, bzw. 12,47 € für qualifizierte Tätigkeiten. Jeweils für den Westen.

    15 Jahre später - das Volkseinkommen ist um 50% gestiegen und die betroffenen Mindestlöhne um 8,6% bzw. um 15,9% (alle Beträge nominal).



    Wenn sich die Freunde der "open borders" fragen sollen,wem ihre Naivität am meisten schadet...

  • Es geht doch gar nicht mehr nur um "grenzenlose Zuwanderung" oder nicht, sondern darum , wie die Wagenknecht/Lafontaine (W/L) Fraktion am rechten/autoritär orientierten Rand schürft mit Aussagen wie: ""Dampfer mit Flüchtlingen in die USA schicken" (2016, Lafonatain), "Bewunderung für Trumps Anti-Banken Kurs" (2016, L), Ablehnung des Migrationspakt (W), sich lustig machen über die "Wohlfühl-Demonstranten" der Unteibar-Demo (W), Kritik an Merkels "wir schaffen das" nach der Wahl 2017 (W), usw. usw. ; ganz abgesehen von der Anti-EU-Stimmungsmache, ihrer katastrophalen pro-russischen Position in Sachen Ukraine, Syrien und die Verteidigung der Ortega –Diktatur in Nicaragua. All dieses entspricht einer Kaltenkrieger mentalität und beinhaltet eher eher AFD-Positionen, als die einer linken Partei, die für eine offene antiautoritäre und antirassistische Gesellschaft steht. Es geht bei W/L , wie auch bei Corbyn und Melenchon, nicht mehr um die prinzipielle Einforderung der Menschenrechte (individuelle und soziale) als Leitfaden einer linken Bewegung, sondern um deren Unterordnung unter geopolitische Interessen und moskauorientierte Strategien. Deshalb steht bei der europäischen Linken mehr als die Flüchtlingsdebatte zur Diskussion.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Wachsweich.

    Die Linke diskutiert, wie man "Ausländer von Deutschland fernhalten" so formuliert, dass es sich nicht so schlimm anhört.