piwik no script img

Fragen und Antworten zum DieselkonzeptAutobauer wollen nicht nachrüsten

Schon kurz nach dem Start wackelt das Dieselkonzept der Regierung. Die Autokonzerne wollen für die Nachrüstung der Diesel-Pkw kein Geld bereitstellen.

Demonstration in Stuttgart für saubere Luft Foto: dpa

Berlin taz | Direkt nach seiner Verkündung steht das „Konzept für saubere Luft“ der Bundesregierung schon auf der Kippe. Denn für die wirksamste Maßnahme für saubere Luft in den Städten, die Nachrüstung der Diesel-Pkws mit SCR-Katalysatoren, wollen die Autokonzerne kein Geld bereitstellen. BMW lehne das ab, erklärte CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, Daimler zögere. Auch Opel und Renault wollen sich nicht beteiligen. VW habe zugesagt, aber unter der Bedingung, dass alle mitmachen.

Damit ist fraglich, wie die „Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Industrie“, wie es Verbraucherschützer und SPD-Umweltministerin Svenja Schulze gefordert hatten, funktionieren kann. Im Beschluss der Regierung „erwartet“ der Bund „vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten einschließlich des Einbaus übernimmt“. Genaueres soll Scheuer mit der Industrie verhandeln. Der Minister hat aber immer wieder deutlich gemacht, dass er von der Nachrüstung nichts hält.

Was hat die Regierung beschlossen?

Das „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“, auf das sich die Koalition nach langem Streit am Dienstag geeinigt hat, ist für den Verkehrsminister ein „sehr großer Schritt“ zur Lösung der „Dieselkrise. Im „Bundesimmissionsschutzgesetz“ will die Regierung Fahrverbote für Städte ermöglichen, deren Luftbelastung über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Für die Städte, die darunter liegen, sollen die bisherigen Maßnahmen (wie zum Beispiel Software-Updates) und neue Förderprogramme für Filter bei Bussen und Müllwagen sowie die Umrüstung von Handwerker-Fahrzeugen die Werte unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm drücken.

Für die etwa 1,5 Millionen Dieselfahrer in den 14 hoch belasteten Städten (München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg) gilt: Wer dort wohnt, aus dem Umland pendelt oder beruflich dort zu tun hat, kann seinen Diesel der Schadstoffklasse 4 oder 5 eintauschen oder ihn nachrüsten lassen. Die Regierung schafft dafür die rechtlichen Grundlagen.

Gibt es eine Obergrenze für dicke Luft?

In diese 14 „Intensivstädte“ dürfen nur Autos, die weniger als 270 Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer ausstoßen. Diesen Wert sollen nachgerüstete Pkws erreichen. Zufahrtsberechtigt sind auch Diesel der Klasse 6, die die Kunden erwerben können und dabei eine Tausch-Prämie für ihren Alt-Diesel erhalten. Dieses Modell bevorzugt die Industrie, damit sie ihre Produkte absetzen kann. Sie hat ihre Prämien erhöht: Laut Scheuer sind das 6.000 Euro (BMW), 5.000 Euro (Daimler) und 4.000–8.000 Euro (VW).

Was kostet das?

Für die Industrie werden Kosten von etwa 4 Milliarden Euro geschätzt. Steuergeld soll es nicht geben – mit einer Ausnahme: Die Förderung der Nachrüstung von Kommunalfahrzeugen und Handwerker-Autos fördert der Staat zu 80 Prozent. Die Haftung für die Katalysatoren soll bei den Zulieferern liegen.

Wird die Luft sauberer?

„Die Luft wird sauberer, die Industrie gewinnt das Vertrauen zurück“, hofft Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Ob die Luft so schnell sauberer wird, dass die Gerichte in den nächsten Urteilen von Fahrverboten absehen, ist die große Frage. Auch wenn Kunden massenhaft ihre alten 4er und 5er in neue 6er Diesel umtauschen, sind sie nicht sauber: Bis auf wenige Modelle stoßen sogar die 6er-Diesel laut Umweltbundesamt etwa 500 Milligramm NOx aus – fast das Doppelte des neuen Grenzwerts von 270 Milligramm.

Wie wird das Fahrverbot überwacht?

Schulze hat die „blaue Plakette“ für 6er-Diesel, die ihr Haus lange gefordert hat, beerdigt. Wie die Beschränkungen kontrolliert werden sollen, ist unklar. Bei parkenden Autos müssten die Kennzeichen mit dem Register in Flensburg abgeglichen werden – ein immenser Aufwand für die Städte. Möglicherweise sind die Fahrverbote praktisch nicht zu überwachen.

Was sagen die Kritiker?

Der ADAC lobt, endlich gebe es eine Grundlage für Nachrüstungen. Der Städtetag moniert, es sei unklar, ob das Konzept umsetzbar sei, Und die Deutsche Umwelthilfe spricht von einer „doppelten Nulllösung“, weil weder saubere neue Autos auf die Straßen kämen noch die alten nachgerüstet würden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Warum nachrüsten?

    Es gibt doch jetzt gaaanz attraktive (gedeckelte) Umtauschprämien; die man früher und eher frei aushandelbar als schnöde Rabatte bezeichnete.

    Besser noch ... werden die vielen, vielen dann eingetauschten Luftverpester von den verantwortungsbewußten Herstellern mit Sicherheit komplett demontiert und die Einzelteile fachgerecht recycelt.

    Oder?

    In andere Länder verbringen sollte sich verbieten; sonst brauchen wir auch noch eine Frontex gegen Abgase.

  • Würde sich die Regierung die Rechtssicht der EU zu eigen machen, könnte Sie bei den Konzernen bis zu 5.000 € Strafe pro manipuliertes Fahrzeug ein heben.



    Das dürfte locker reichen um damit über einen staatlichen Zuschuss erforderlichen Hardwarenachrüstungen zu bezahlen.