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Debattenkultur in DeutschlandZeit des Missvergnügens

Trump, Özil, Asyltouristen – dieses Land ist im Begriff, sich an selbstzerstörerische kommunikative Standards zu gewöhnen. Helfen könnte der alte Kant.

Diese Art der Debatte gehört in den Müll Foto: Steve Johnson/Unsplash

Du bist Abfall – so was sagt man nicht. Auch nicht als Erwiderung, sollte das Gegenüber auf die Idee verfallen, mich, dich, uns oder Sie als Person so zu bezeichnen. Menschen sind kein Abfall. Nie. Männer, Frauen, Transgender: nie. Niemand verdient es, so genannt zu werden. Dass es trotzdem passiert, beweist nicht, dass es ab jetzt eben geht. Sondern dass im Miteinander inzwischen ein weiterer Standard geschleift ­worden ist.

Warum muss etwas derart Banales hier klargestellt werden? Unter dem Schlagwort #MenAreTrash (Männer sind Abfall) ist in der Internetblase Twitter ein Streit hochgekocht zu der Frage, ob Männer nun Abfall sind. Oder ob nicht. Obwohl sich dabei vor allem Männer in der … nun, sagen wir: Debatte … also, obwohl sich da vor allem Männer von ihrer unterirdischsten und frauenverachtendsten Seite präsentieren, ist es eine Frage der Selbstachtung, sich nicht auf eben dieses Niveau zu begeben.

Um geschlechterpolitisch etwas zu bewegen, braucht es Gleichgesinnte. Doch jene, die mit der Aktionsform der Schmähung gewonnen werden, wollen ausschließlich skandalisieren. Und jene Männer und Frauen, die Geschlechtergerechtigkeit längst leben, werden brüskiert. Das führt zu genau: nichts.

Nur zu, nennen Sie diese Sicht auf die Dinge altmodisch. Oder konfliktscheu. Aber bei Auseinandersetzungen – erst recht bei gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – hilft im Zweifel der gute alte Kategorische Imperativ des Philosophen Immanuel Kant: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ Griffiger formuliert: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Noch kürzer: Heute die, morgen du.

Unterste Standards

Es ist gar nicht nötig, sich zu fragen, ob das jeweilige Gegenüber Schmähungen zu ertragen bereit ist. Es reicht völlig, sich zu vergegenwärtigen, dass man selbst nicht gedemütigt werden möchte. Und dass man aus dieser Erkenntnis heraus ethisch handelt.

Mit Blick auf den zurückliegenden Sommer muss leider festgestellt werden, dass der Ton der gesellschaftlichen Debatte immer kränkender geworden ist. Und dass dieses Land beginnt, sich an unterste Standards zu gewöhnen.

Man kann das so machen: Gruppen markieren und so lange beleidigen, bis sie zurückschlagen. Aber was macht das mit uns?

In Washington koffert US-Präsident Donald Trump seine Kritiker an. In Deutschland schwadroniert Markus Söder über Geflüchtete als „Asyltouristen“. Ein Fußballer mit Zuwanderungsgeschichte wird durch den Meinungsfleischwolf gedreht. In der #MeTwo-Debatte um rassistische und klassistische Diskriminierungserfahrungen weicht das Zuhören alsbald fiesen Bezichtigungen.

Man kann das natürlich so machen: Gruppen markieren und so lange beleidigen, bis sie zurückschlagen. Rechthaberisch auftreten, Debattenräume weiträumig abriegeln, Zweifelnde der Kollaboration bezichtigen und sich selbst zum Opfer der eigenen Skandalisierung stilisieren. Aber was macht das mit uns als Gesellschaft?

Keine Macht dem Stilverlust

„When they go low we go high.“ Diesen klugen Satz sagte Michelle Oba­ma im letzten Präsident­schaftswahlkampf­. Den ethischen Grundsatz, dem Gegner nicht den Gefallen zu tun, sich auf dessen Niveau herabzulassen, leitete sie aus dem Umgang mit ihren Töchtern ab. „Sprache bewirkt etwas“, sagte Oba­ma, „was wir tun und sagen, bedeutet etwas.“

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taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Und ja, das tut es. Den Ton auf schrill zu stellen und diesen Stilverlust als neuen Standard zu proklamieren schließt all jene aus, die in der Sache auch etwas beitragen könnten. Die es aber nicht wollen, solange das Prinzip gilt: „Wer schreit, hat recht.“

Die Wut anderer wahllos und in immer kürzeren Abständen zu triggern führt zur Gewöhnung an einen ohne jeden politischen Effekt verpuffenden Aufruhr. Es macht einen Unterschied, ob Meinungen jemandem vor den Latz geknallt werden oder gleich unter die Gürtellinie gehen. Und es macht so müde, das überhaupt noch aufschreiben zu müssen.

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33 Kommentare

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  • Wer 'alte weiße Männer' als zulässiges



    rhetorisches Mittel ansieht, kann das bei 'Asyltourismus' kaum anders sehen, alles andere ist ein Doppelstandard.



    Interessant ist, dass Söder das Wort nicht mehr benutzen will, und dass in einer nahezu konzertierten Aktion sowohl Frau Berg im Spiegel wie auch hier verbale Abrüstung betrieben wird.



    Und die tut Not.

  • "Don't scream at your children - it becomes their inner voice."

  • Dem Artikel kann ich nur zustimmen.

    Wäre schön, wenn Frau Maier auch in der Taz-Redaktion den einen oder die andere überzeugen könnte.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Mehr 'Altmodisches' bitte!!!

  • Inhaltlich volle Zustimmung.



    Auf da auf der M. Obama Ebene oder Söder - Ebene oder Internet Kampagnenebene aber zu bequem argumentiert.



    Nein, es sind auch die kleinen Beiträge, die schnellen, unreflektierten Kommentare hier von TeiLnehmern in den Kommentarspalten, egal ob Süddeutsch, Spiegel oder Handelsblatt oder TAZ.



    Es ist die Anzahl von kleinen oder bösartigen Missverständnissen nach dem Motto: “Wie bitte darf ich Sie möglichst missverstehen“ und dann draufhauen, was einen Austausch von Argumenten oder besser die AKzeptanz von neuen Argumenten schwierig macht. Oft geht es um Recht haben und tot machen, wie in einem Wettbewerb den es zu gewinnen gilt, auch mit unfairen MItteln.



    Diese Entwicklung muss zurückgedreht werden, dann haben die Großen der Politik den auch wieder schwerer und müssen ihr Niveau anheben um Mehrheiten zu bekommen.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      Ja, vielleicht hat es dann auch eine Sahra Wagenknecht sogar in der taz wieder leichter.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    "Obwohl sich dabei vor allem Männer in der … nun, sagen wir: Debatte … also, obwohl sich da vor allem Männer von ihrer unterirdischsten und frauenverachtendsten Seite präsentieren, ist es eine Frage der Selbstachtung, sich nicht auf eben dieses Niveau zu begeben....."

    ....was man schon mit der Wahl des Titels "Men Are Trash" getan hat.

  • 9G
    90454 (Profil gelöscht)

    DAs Problem das ich bei diesen Internet Debatten und insbesondere bei Twitter sehe ist die Anonymität der Accounts. Ich kann als Trolll schnell einen oder mehrere Twitter Accounts erzeugen und dann unter 'MenAreTrash oder 'OldWhite MEn irgendwas posten und lachend zusehen wie alle anderen getriggert werden und darauf anspringen und dann von der seriösen Presse gar Artikel dazu erscheinen. Viele vergessen die proffessionellen Trolle im Internet die diese Debatten noch zusätzlich zu ihrem Vergnügen weiter anfachen um weiter das Klima zu vergiften. In dem Sinne stimme ich diesem Artikel hier dazu: Bitte nicht mitmachen, bitte sich nicht auf dieses Niveau herunterlassen. Nicht ernst nehmen, ignorieren, nicht füttern. Danke.

  • Schön das hier Kant zitiert wird.

    Jesus ist da aber kürzer:



    Matthäus 7,12Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.



    Lukas 6,31Und wie ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!

    Tja gewisse Sachen gehen in den Meinungsblasen unter.



    Nach meiner Auffassung findet eine totale Überbewertung der Internetkommunikation und alles was dazu gehört statt. Jeder prolt seine momentane Gefühlswelt ins Internet . Beim Empfänger werden dann auch Emotionen geweckt und die eigentliche Sachlage tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Was bleibt ist eine aufgeheizte Stimmung.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @lulu schlawiner:

      Mit der Ungenauigkeit der Begriffe fängt vieles an.

      Internetkommunikation und Kommentare schreiben sind keine Synonyme. Sie meinen offenbar das Verfassen von Kommentaren, der nur ein kleiner Teil des Ganzen ist.

      Auch die von Ihnen behauptete Überbewertung ist eine Frage des Blickwinkels und der Möglichkeiten.

      Menschen, denen andere Wege offenstehen als der Austausch über PC sehen dies anders als jene, die von sozialer Teilhabe abgeschnitten sind und froh darüber sind, wenigstens auf diese Weise sich mit Anderen auszutauschen.

      Die Bibel zu zitieren ist das Eine. Praktische Nächstenliebe das Andere.

  • Im öffentlichen und virtuellen Raum wird gehört, wer rusikal auftritt, weil politische Debatte primär eine Form des Entertainments ist, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen. Es geht um Clicks, um likes und um dislikes.

  • Mich stört an und in den Debatten deren thematische Verengung (Wohl ideologisch bedingt?). Das würde ich als an das Gewöhnen an niedriges Niveau bezeichnen.

    Kartoffel gegen Couscous, Heimat - da wird's eng, Gefährder- Armut und Alkohol sind effektiver, Lebensrettung im Mittelmeer - alle oder niemanden, wann geht wo ein Fax ein, Rettung des Rechtsstaates, Behörden brechen Recht - na mal lieber nicht über befangene Richter reden, Herr Prantel...

    Stark konservativ sowie gar nicht konservativ, beide Gruppen haben sie nicht mehr alle.

    Dass aktuell etwa 10 Menschen auf der Welt gemeinsam soviel Vermögen auf sich vereinigen, wie die fin. unterste Hälfte der Weltbevölkerung, naja, nimmt man ggf kurz empört zur Kenntnis.



    Bilaterale over-the-counter Derivate- genau, das sind Schokoladen-Kekse.



    Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer - ja, da droht Kommunismus.



    Corporate Raiders - das muss der nette Onkel mit dem Sack auf dem Rücken sein.

    Alles zu kompliziert, dann lieber wieder Kartoffel.

    Die Menschen aus Afrika müssten aber eigentlich in die Boote steigen und gemeinsam mit den "besorgten Bürgern" erst nach Griechenland, dort noch ein paar Griechen aufnehmen, und dann zB zur Wall Street und zum IWF schippern.

    Fehlanzeige.

    • @Gerhard Krause:

      Sehr schön formuliert, „Alles zu kompliziert, dann lieber wieder Kartoffel“.

      Es ist aber nicht nur oder in erster Linie zu kompliziert, denke ich, sondern v. a. scheinbar zu abstrakt und weit weg. Nicht, weil es das wirklich wäre sondern eher, weil es von den medialen Vorkauern nicht beständig mundgerecht serviert wird. Die (mal mehr und mal auch gar nicht so) komplizierten Hintergründe ließen sich doch genauso anschaulich, und zugleich viel angemessener, auf die Grundprobleme herunterbrechen, wie Kulturfragen auf die irre Kartoffelei verkürzt und viele andere Missstände und Widersprüche so häufig nur in oberflächlichen Details ihrer vielfältigen Erscheinungsformen und eben nicht ihren zugrunde liegenden Ursachen nach abgehandelt werden.

      Nur folgerichtig, dass diese Themensetzungen ihre dürftige Substanz mit immer schrillerer Aggressivität zu kompensieren suchen, wie Maier zu Recht beklagt.



      Und interessant nebenbei, warum die permanente Symptomskandalisierung als solche nicht den Populismusvorwurf abkriegt, den sie eigentlich zutiefst verdient.

  • Einfach kurz: Danke!

  • Guter Kommentar - aber bei "Asyltouristen" ist Ursache und Wirkung verkehrt worden. Das Wort an sich ist in Ordnung, denn es hatte nie etwas mit Urlaub zu tun. Ein Vergleich mit anderen Tourismus-Komposita macht das klar: Abtreibungstourismus, Mülltourismus, Einkaufstourismus, Klagetourismus etc. bezeichnet den Fakt, dass für eine bestimmte Tätigkeit an einen anderen Ort gegangen wird, da die Bedingungen am anderen Ort besser sind. Die Konotation, dass es dabei um eine Urlaubsreise gehen würde kam vor allem erst durch die Süddeutsche Zeitung und anderen Medien, die diesem Begriff erst die abwertende Bedeutung gegeben haben.



    Als Frau in Deutschland noch nicht legal abtreiben konnte und nach Holland fahren musste, kam niemand auf die Idee, "Abtreibetourismus" als Vorwurf einer Vergnügungsreise zu sehen. Erst recht würde das niemand bei dem Begriff "Mülltourismus" sagen. Aber was Söder sagt, muss schlimm sein - dafür gibt man einem Begriff gerne eine schlimme Bedeutung, um sich dann darüber aufzuregen. Dass man es damit selber ist, die eine menschenfeindliche Konotation in die Welt setzt, interessiert nicht - man ist ja eine*r von den Guten.

    • @Velofisch:

      Touristen bleiben üblicherweise auch nur kurzfristig in einem Land, bleiben dort für einen bestimmten Zweck und fahren danach wieder zurück. Auch treffen sie ihre Entscheidung freiwillig.

      Ein Asylant verlässt selten freiwillig sein Land, sondern wird von äußeren Begebenheitem gezwungen. Er geht auch nicht unbedingt in ein Land, weil er da hinwill, um etwas zu tun, sondern weil er in seinem eigenen Land nun einmal nicht bleiben kann. Die Entscheidung ist nicht positiv (ich will da hin), sondern negativ (ich kann hier nicht bleiben) motiviert. Aus all diesen (weiteren) Gründen ist der Begriff Asyltourismus vollkommen unzulänglich, verstellt die Fakten und erweckt (ganz bewusst möchte ich einmal behaupten) den Eindruck, Asyltouristen könnten es sich irgendwie aussuchen, Asyl zu ersuchen. Und wenn sie es sich aussuchen können, müssen sie es ja eigentlich gar nicht. Und wenn sie es nicht müssen, brauchen sie ja eigentlich gar kein Asyl und sind "Fake-Flüchtlinge", denen es evtl nur um bessere Sozialleistungen geht.



      An dem Begriff ist schlicht und einfach nichts zu verteidigen. Weil es ein faktisch falscher Begriff ist, der aufgrund seiner speziellen begrifflichen Natur Assoziationen weckt, die zumindest verharmlosend, wenn nicht sogar positiv flüchtlingsfeindlich sind.

      • @Snip Snap:

        "Er geht auch nicht unbedingt in ein Land, weil er da hinwill, um etwas zu tun, sondern weil er in seinem eigenen Land nun einmal nicht bleiben kann."

        Die Logik stimmt mE nicht bzw bedarf zwischenmenschlicher Ergänzung.

        • @Gerhard Krause:

          Was genau fehlt Ihnen denn da genau? Das Element der (Un-)freiwilligkeit und der persönlichen Notsituation und die daraus resultierende Vegleichbarkeit zum Tourismusbegriff habe ich an anderer Stelle betont. Bin mir nicht ganz sichery worauf Sie hinaus wollen.

    • @Velofisch:

      Okay, darf ich das so festhalten. Dann würden Sie eine Frau, die vergewaltigt wurde und sich mehr oder weniger dazu gedrängt sieht, in ein anderes Land zu reisen, um dort abzutreiben, auch ohne mit der Wimper zu zucken als "Abtreibungstouristin" bezeichnen? Der Begriff "Tourist" ist für die allermeisten Menschen mit der Vorstellung von Notleiden nicht kompatibel und wirkt daher wie eine absichtliche Verharmlosung.

      Dass es ja trotzdem so Begriffe wie "Abschiebetourismus" gibt, ist kein Argument, da sich der Begriff Tourismus auf eine vorhandene Infrastruktur oder ein System bezieht, im Sinne von, viele Leute fahren dahin, um dies zu tun und es entsteht dadurch eine kommerzielle Industrie. Das bezieht sich auf keine menschlichen Einzelschicksale und ist als Systembeschreibung sowieso wertfrei.

      "Abteibungstourismus" als Systembegriff ist akzeptabel, "Abtreibungstouristin" hingegen im alltäglichen Sprachgebrauch verharmlosend und entwürdigend. Ein "Asyltourismus" als System oder kommerzielle Industrie existiert sowieso nicht, da niemand direkt finanziell davon profitiert, Asylanten aufzunehmen. Der neutrale Systembegriff als Beschreibung entfällt damit völlig und dementsprechend ist "Asyltourismus" oder "Asyltourist" als Begriff entweder faktisch unzulänglich oder verharmlosend, entwürdigend, und damit in jedem Fall als Begriff des öffentlichen Diskurses abzulehnen.

    • @Velofisch:

      Tourismus hat etwas mit Luxus, Urlaub, Entspannung zu tun, Asyl und Flucht hingegen nicht. Einkaufstourismus gibt es im Sinne des Wortes Tourismus.

      • @Hampelstielz:

        Tour muss irgendwie von "Bewegung" kommen.



        Darin kann zumindest ich zwingend keinen Luxus, keinen Urlaub und allein keine Entspannung erkennen.

  • Das spricht mir aus der Seele. Danke !

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Der Kategorische Imperativ bezieht sich auf die Maxime der allgemeinen Gesetzgebung und beschreibt ein formales Prinzip, keine individuelle Verhaltensregel. Bei uns ist Meinungsfreiheit garantiert. Man könnte mit Kants Imperativ darüber nachdenken, bis wohnin sie gehen darf und das gesetzlich festlegen, aber das würde ihrem Sinn widersprechen und sie zur Meinungsgängelei werden lassen. Was der Volksmund daraus gemacht haben soll (Was du nicht willst, dass man dir tu...), ist, den allgemeinen Anspruch des KI auf das Individdum zu münzen. Allerdings ist "Was du nicht willst, dass man dir tu..." viel älter als die Kantsche Sentenz.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Na, da müssen Sie mir jetzt aber noch einmal genauer erklären. Ein Satz, der beginnt mit "Handle nur nach.." oder "Handle so..." soll also Ihrer Meinung nach KEINE (individuelle) Verhaltensregel sein? Tut mir Leid, aber da scheitert Ihre These doch schon an ganz basaler Semantik. Oder können Sie mir diesen Widerspruch irgendwie erklären?

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Snip Snap:

        Der Kategorische Imperativ lautet "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde".

        Die je eigene Meinung zu Özil. MeToo/Two hat nie sowas wie den kategorischen Imperativ im Sinn. Denn welche Maxime wäre das wohl, die hier zuträfe. Vielleicht "Rede nur nach dem Munde, der dich zugleich wissen lässt, dass du nirgends aneckst?"

        Reden und Meinen ist nicht Handeln, sondern allenfall deren vorhergehende Reflexion. Der KI verlangt eine Abstraktion vom Meinen, eine formale Perspektive auf dasselbe, aber nicht im Sinne einer Handelsanleitung, sondern als Test, ob das, was man tun möchte, allgemeines Gesetz werden könne.

        Mit der Meinung und dem Diskurs befinden wir uns vor einem solchen Handeln, das diese allgemeine Gesetzgebung im Sinn hätte. Insofern ist der KI hier nicht anwendbar.

      • @Snip Snap:

        Natürlich ist der kategorische Imperativ eine Individuelle Verhaltensregel. Aber eben eine, die sich auf ein formales Prinzip, statt des Verhaltens der Anderen gegenüber einem selbst bezieht.

        Man kann das sehr gut an Hand des hierzulande berühmtesten KIs erklären, §§ 1 GG. Ich behandele die Würde meiner Mitmenschen auf Grund meiner persönlichen Regeln (Maximen) als höchstes Gut, weil es gut für alle Menschen ist, wenn diese persönliche Regel auf der ganzen Welt Gesetz (gg. Kant: vielleicht besser Habitus) wäre.



        Dabei gehöre ich gar nicht zu den Menschen deren Würde normalerweise in Gefahr ist verletzt zu werden, um mich geht es dabei also gar nicht.

        Tipp an Frau Maier: Generell ist es niemals sinnvoll Kant in eine Debatte einzubinden, wenn man sich nicht mit ihm auskennt.



        Vor allem gibt es keinen Grund sich als Linke, Linker auf Kant zu beziehen. Bei Kant spielen weder Semiotik, noch Körperlichkeit, noch Machtstrukturen eine Rolle, also nichts, was die linken Diskurse im 21. Jh bestimmt.

        Der KI ist in seiner ganzen Genese ein kolonialistischer Chauvinismus sonder Gleichen.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @DanielDeFoe:

          Die persönlichen Maximen sind aber beim KI ausgeschlossen. Was machen Sie nun?

          Aufgrund Ihrer fehlerhaften Grundannahme kommen Sie dann zum letzten Satz, dem gemäß der KI kolonialer Chauvinismus sei. Das ist m.E. auch nur wieder eine der späteren Geburt und der damit einhergehenden angeblichen Erleuchtung geschuldete Betrachtungsweise, mithin nicht minder prekär als das, was Sie Kant vorwerfen.

        • @DanielDeFoe:

          "Natürlich ist der kategorische Imperativ eine Individuelle Verhaltensregel."

          Gut. Auf mehr wollte ich nicht unbedingt hinaus. Ihrer restlichen Erläuterug widerspreche ich nicht wirklich. Außer:

          "Vor allem gibt es keinen Grund sich als Linke, Linker auf Kant zu beziehen. Bei Kant spielen weder Semiotik, noch Körperlichkeit, noch Machtstrukturen eine Rolle, also nichts, was die linken Diskurse im 21. Jh bestimmt."

          Finde diesen Satz fast schon positiv zum Kotzen, um ehrlich zu sein. Das hat für mich schon ein bisschen etwas von intellektuellem Totalitarismus. Ich würde mal ganz stark behaupten, linke politische Positionen lassen sich mit den verschiedensten philosophischen Unterbauten rechtfertigen und sehe zum Beispiel auch nicht, warum sich Kant nicht zur Rechtfertigung vieler klar linken Positionen heranführen lässt. So in den Raum zu stellen, worauf man sich als Linker jetzt zu beziehen habe oder nicht, finde ich einfach nur albern.

          "Der KI ist in seiner ganzen Genese ein kolonialistischer Chauvinismus sonder Gleichen."

          Die genaue Genese des KI interessiert mich ehrlich gesagt nicht einmal im Ansatz, solange sich das nicht auch auf rein inhaltlicher Ebene widerspiegelt. Und dass das so ist, halte ich zumindest im Bezug auf die Kant'sche Erkenntnistheorie bis hin zur praktischen Philosophie mit dem KI für absolut fraglich, bin aber auch nicht der Überexperte. Dass das für die anthropologischen Werke Kants gilt, keine Frage. Aber im Bezug auf den KI würde mich wirklich einmal brennend interessieren, wie Sie diesen mit irgendeinem kolonialistischen Chauvinismus in Verbindung bringen. Müssen wir Aristoteles Philosophie oder die Grundsteine der Geometrie jetzt auch aus dem Fenster werfen, weil sie zu Zeiten und von Befürwortern der Sklavenhaltung entstanden sind. (Davon einmal abgesehen halte ich aber tatsächlich nicht so viel von Aristoteles, aber ich denke Sie verstehen meinen Punkt.)

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @Snip Snap:

            Sie suchen beim KI nach einer inhaltlichen Ebene? Oder habe ich Sie falsch verstanden? Welche soll das denn sein?

          • @Snip Snap:

            Ich findend den Beitag von Danieldefoe im "deskriptiven" Teil durchaus wertvoll. Denn tatsächlich ist der "linke Diskurs" im 21. Jahrhundert sehr weit vom KI und Grundgesetz entfernt wieder sehr "totlitär" geworfen - wir sind die Guten und dürfen es daher mit den Regeln (der Herrschenden) nicht zu genau nehmen, weil sonst alles bleibt wie es ist.

            So hat der Linke Diskurs aber eben auch alle "Ungläubigen" nach und nach verloren.

            Frau Maier gibt eigentlich eine Antwort, woran das liegen könnte. Welcher weiße Mann kann denn noch Parteien wählen, die in ihm ständig den Buh-Mann sehen?

  • Eben dachte noch noch alle Männer wären Abfall, jetzt darf man soetwas nicht mehr sagen? Könnt ihr euch mal einigen?

    • @Lain Lainsen:

      Man könnte fast meinen, bei der taz arbeiten mehrere Personen mit jeweils ihrer eigenen, individuellen Meinung, wa? Schon komisch.

      • 7G
        75064 (Profil gelöscht)
        @Snip Snap:

        Köstlich