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Entführter Vietnamese Trinh Xuan ThanhDeutschland hat Entführer ausgebildet

Taz-Recherchen zeigen, dass mindestens zwei der mutmaßlichen Täter von BND und BKA geschult wurden.

Trinh Xuan Thanh im Januar auf dem Weg zu seinem Prozess in Hanoi Foto: reuters

BERLIN taz | Ein Jahr nach der Entführung eines Vietnamesen aus dem Berliner Tiergarten zeigen taz-Recherchen, dass deutsche Sicherheitsbehörden schon länger engen Kontakt zu den mutmaßlichen Entführern hatten. Mindestens zwei der mutmaßlichen Täter wurden vom Bundesnachrichtendienst beziehungsweise dem Bundeskriminalamt geschult.

Quang Dung Vu, der laut Ermittlern einer der drei wichtigsten Männer des Entführungskommandos war, bekam 2001 vom BND einen halbjährigen Sprachkurs am Goethe-Institut spendiert. Das geht aus Unterlagen des BND und einer bayerischen Ausländerbehörde vor. Seither reiste Quang Dung Vu regelmäßig nach Deutschland. Im April 2017 stellte er einen Visumsantrag für Deutschland und gab als Reisezweck an: „Gespräch mit Vizepräsident des BND“. Als stellvertretender Leiter der Abteilung Liaison des „Allgemeinen Sicherheitsdienstes“ in Hanoi ist er für die Kontaktpflege zu anderen Geheimdiensten zuständig.

Die Ermittlungen legen nahe, dass Quang Dung Vu dabei war, als das Entführungsopfer von Berlin über Tschechien in die Slowakei geschafft und schließlich über Moskau nach Vietnam geflogen wurde. Der Expolitiker und Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh war am 23. Juli 2017 gekidnappt worden und wurde in diesem Jahr in Vietnam zu zweimal lebenslänglich verurteilt.

Der andere Mann ist seit 2015 der Verbindungsbeamte der vietnamesischen Polizei in Deutschland, er genießt diplomatische Immunität. Thanh Hai Le war 2012 als Teilnehmer am BKA-Stipendiatenprogramm monatelang in Berlin, das geht aus Unterlagen des Berliner Landeskriminalamtes hervor. Das Programm umfasst einen Sprachkurs, Workshops und Praktika bei deutschen Sicherheitsbehörden. Mit seinem Diplomatenauto war er laut Ermittlern Teil der Wagenkolonne, mit der zwei Tage nach der Entführung das Opfer außer Landes gebracht worden sein soll. Deutsche Sicherheitsbehörden geben an, erst im Nachhinein von der Entführung Kenntnis gehabt zu haben.

Morddrohungen gegen Journalisten

Wie taz-Recherchen zudem zeigen, sind kritische Vertreter der vietnamesischen Community in Deutschland akut bedroht. Der deutschvietnamesische Journalist Trung Khoa Le wurde jüngst von der Berliner Polizei informiert, dass Todesdrohungen gegen ihn vorlägen. Einem anonymen Hinweis zufolge solle geplant sein, ihn zu vergiften oder zu überfahren – es sollte aussehen wie ein Unfall.

Trung Khoa Le ist einer der wichtigsten vietnamesischen Journalisten in Deutschland. In Vietnam ist seine Seite Thoibao.de wegen der Medienzensur nur über Umwege zu erreichen. In der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ steht das Land auf Platz 175 von 180.

Die Polizei hat ein Sicherheitsgespräch mit mir geführt. Ich soll auf Auslandsreisen verzichten

Trung Khoa Le, Journalist

Trung Khoa Le berichtet derzeit über den Prozess gegen einen mutmaßlichen Mittäter, der am Dienstag seine Beteiligung an der Tat gestanden hat. Regelmäßig wird seine Webseite angegriffen, erst im Mai war sie mehrere Tage offline. Ende Juni bestellte ihn die Berliner Polizei ein: „Die Polizei hat ein Sicherheitsgespräch mit mir geführt. Sie wird auf mich aufpassen. Ich soll auf Auslandsreisen verzichten“, sagt Le. Er bekam eine Telefonnummer genannt, bei der er sich im Ernstfall melden solle. Offiziell teilte die Berliner Innenverwaltung auf taz-Anfrage mit, es gebe keine erhöhte Bedrohungslage für Vietnamesen in Deutschland. Die Polizei Berlin beobachte stetig die Gefährdungslage für die am Prozess beteiligten vietnamesischen Personen.

Dabei ist Le nicht der einzige Kritiker des vietnamesischen Regimes, der gewarnt wurde. Auch ein weiterer Journalist, Bui Thanh Hieu, hat nach eigenen Angaben von der Polizei erfahren, dass ein Attentat auf ihn geplant sein könnte. Seither trägt er ein Schreiben in seiner Brieftasche, das ausweist, dass er eine gefährdete Person sei und kein Deutsch spreche: „Wenn er diesen Brief zeigt, könnte er in Gefahr sein.“

Die ganze Recherche „Liebesgrüße aus Hanoi“ ist in der taz am Wochenende vom 21./22. Juli 2018 zu lesen. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo

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4 Kommentare

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  • Soll der Empörungsjournalismus verdecken, dass bei der Recherche nichts brisantes rauskam?

    "Mindestens zwei der mutmaßlichen Täter von BND und BKA geschult" als Überschrift.

    Und wie wurden sie ausgebildet?

    Dem einen hat der BND vor 17 (!) Jahren einen halbjährgen Sprachkurs beim Goethe-Institut finanziert

    Und der andere hat ein Stipendiatenprogramm bsucht. Worum ging es?

    Auf der Seite des BKA kann man lesen:



    "Ziel des Programms ist es, die ausländischen Kriminalpolizisten besonders umfassend und intensiv mit der Polizeiarbeit in Deutschland, dem dabei herrschenden Aufgabenverständnis und Menschenbild sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut zu machen."

    www.bka.de/DE/Unse...ngshilfe_node.html

    Ist irgendetwas schlecht daran, ausländischen Polizeiangehörigen, das Aufgabenverständis und das Menschenbild der Polizei eines demokratischen Rechtsstaates näherzubringen?

    Ok, es hat nicht gefruchtet, sonst hätte es die Entführung nicht gegeben.

    Wenn das bereits ein Skandal ist, sollte dringend die Ausbildungsunterstützung aus Deutschland für die Polizeien in Afghanistan, Kosovo und Irak eingestellt werden.

    Auch dort werden die Polizist*innen ach der Ausbildung realistischerweise nicht hundetprozentig rechtsstaatlich agieren.

    So lange man Demokratie und Rechtsstaat anderen Staaten nicht aufoktroyiert, so finde ich es gut, dass Polizist*innen aus autoritären Staaten andere Sichtweisen wenigstens aufgezeigt bekommen.

    Mir ist lieber, die Polizei im Irak oder Afghanistan wird von deutschen Beamt*innen ausgebildet als von iranischen oder saudi-arabischen.

  • Nein, nicht Deutschland hat (...) ausgebildet, sondern deutsche Behörden. Ich bin ein Teil Deutschlands, und ich war nicht beteiligt.



    Waren wir uns nicht einig darüber, wie man spricht, so denkt man auch? Dies gilt nicht für das Schreiben?

    • @Gerhard Krause:

      So wie auch Deutschland nicht Weltmeister war, sondern nur eine Manschaft des DFB.

      Aber zurück zum Artikel. Ich frage mich, ob es normal ist, dass wir Mitarbeiter solcher Dienste aus Ländern in denen Menschenrechte grob missachtet werden hier ausbilden. Wenn das so ist, dann können wir auch in Länder abschieben in denen gefoltert wird.

      • @JoWall:

        Ich meine, dafür wird es eine, hoffentlich gut nachvollziehbare, Rechtfertigung geben. Aber ob diese uns beiden gefällt?