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Debatte Grundeinkommen für ElternBedingungslos für Kinder

Marlen Hobrack
Kommentar von Marlen Hobrack

Ein bedingungsloses Grundeinkommen für Eltern würde ärmere Familien nicht nur entlasten. Sie hätten dann auch mehr Zeit für den Nachwuchs.

Weniger existenzielle Ängste gleich mehr Zeit mit der Familie Foto: Brittany Simuangco/Unsplash

L assen Sie uns ein – vielleicht utopisches – Gedankenexperiment wagen. Wie wäre es, wenn Eltern hierzulande ein bedingungsloses Elterngrundeinkommen (BEGE) erhielten, das sie in die Lage versetzte, optimale Kinderbetreuung zu organisieren oder schlicht von Sozialtransfers wie Hartz IV unabhängig zu sein? Ein solches Grundeinkommen könnte Kinderarmut beseitigen helfen – denn es muss klar sein: Kinderarmut ist Familienarmut.

Gründe für Familienarmut sind vielfältig. Geringverdiener verdienen schlicht nicht genug, um eine Familie versorgen zu können. Alleinerziehende Elternteile können nicht oder nur stundenweise einer Beschäftigung nachgehen. Und selbst mit zwei Einkommen sind Kosten für steigende Mieten und Kinderbetreuung häufig nur schwer zu stemmen.

Jede Familie steht vor dem Dilemma, dass die Sorge für Kinder viel Zeit beansprucht, die jedoch in Erwerbsarbeit investiert werden muss, um den erhöhten finanziellen Bedarf zu decken. Eine Krux, die der Staat in den letzten Jahren durch Kinderbetreuung zu kompensieren suchte.

Der Mangel an qualifizierten Erzieher*innen macht aus diesem Anspruch aber einen Wunschtraum. Zumal sich dieser Lösungsweg eher an den Interessen der Wirtschaft und weniger an denen der Familien orientiert: Die meisten jungen Familien wünschen sich nämlich mehr Zeit für den Nachwuchs und eine bessere Work-Life-Balance.

Das Einkommen der Geringverdiener reicht nicht aus, um eine Familie versorgen zu können

Für einen Sozialstaat, der fundamental auf einer nachwachsenden Generation zur Versorgung älterer Generationen beruht, sind Kinder unerlässlich. Warum sollten Eltern, die durch Zeit und Mühe den Sozialstaat am Leben erhalten, nicht teilweise für Verdienstausfälle und die zusätzliche Lebensleistung kompensiert werden?

Eine solche Kompensation über Steuern oder Rente zu organisieren birgt den fundamentalen Nachteil, dass nicht alle Eltern staatliche Renten beziehen oder von Steuernachlässen profitieren. Ein Elterngrundeinkommen wäre sinnvoller.

Die Ausgestaltung eines solchen BEGE sollte sich an drei grundlegenden Zielsetzungen orientieren: 1. Eltern für Verdienstausfälle zu kompensieren und ihnen damit Zeit für ihre Kinder zu „erkaufen“. 2. Elterliche Erziehungsleistung zu honorieren. 3. Eltern und Kinder weitestgehend von ergänzenden Sozialleistungen und den damit verbundenen Stigmata zu befreien.

Darüber hinaus sollte die fundamentale Ungleichbehandlung armer und reicher Familien, wie sie beispielsweise im Elterngeld oder durch die Anrechnung von Betreuungs- und Kindergeld auf Hartz-IV-Sätze gegeben ist, beendet werden.

Anreiz für Arbeit, nicht für mehr Kinder

Auf Basis dieser Prämissen könnte ein BEGE so aussehen: Es hat tatsächlich nur eine Vorbedingung, nämlich die Elternschaft. Weil Erziehungsleistung honoriert wird, erhalten alle Eltern das BEGE, ob arbeitslos oder erwerbstätig. Auch die Inanspruchnahme von Kinderbetreuung schließt den Bezug des BEGE nicht aus.

Das mag kontraintuitiv wirken, ist aber entscheidend: Derzeit bestehen für geringqualifizierte Eltern wenig Anreize, eine Erwerbsarbeit anzunehmen, weil diese Kosten für Kinderbetreuung einschließt und so vom Einkommen häufig nicht mehr als ein Hartz-IV-Satz übrig bleibt. Mit dem BEGE hätten erwerbstätige Geringverdiener in jedem Fall mehr Geld in der Tasche.

Und es würden auch keine Anreize geschaffen, Kinder von Kindergärten fernzuhalten, um den Anspruch auf das BEGE nicht zu verlieren. Eltern könnten entscheiden, ob sie lieber ein höheres Einkommen durch Erwerbsarbeit plus BEGE generieren wollen oder durch das BEGE Verdienstausfälle aufgrund verringerter Arbeitszeit kompensieren wollen.

Da die Betreuung von Kleinkindern zeitintensiver ist und Verdienstausfälle für einen Elternteil oder beide bedeutet, könnte das BEGE nach Alter des Kindes gestaffelt werden. Von einem Höchstsatz für Eltern von Kleinkindern bis zum niedrigsten Satz für Eltern von über Zwölfjährigen. Denkbar wäre ein monatlicher Satz von 900 Euro für Eltern unter Einjähriger und ein Mindestsatz von 200 Euro für Eltern von über Zwölfjährigen mit entsprechenden Zwischenstufen.

Keine Änderungen im Kindergeld

Im Falle von mehreren Kindern bestimmt das Alter des jüngsten Kindes die Höhe des BEGE. Das BEGE wird nicht vervielfacht mit steigender Kinderzahl, so entsteht kein Anreiz, möglichst viele Kinder zu bekommen, um ein möglichst hohes BEGE zu erhalten.

Für das Kindergeld sowie den Kindesunterhalt ergeben sich keine Veränderungen; dagegen werden das Elterngeld, das arme und reiche Eltern massiv ungleich behandelt, sowie das Betreuungsgeld abgeschafft. Azubis und Studenten mit Kind erhalten das BEGE zusätzlich zum BAföG, da die Bedarfssätze lediglich den Unterhalt für einen Single-Studenten decken.

Das BEGE sollte zu gleichen Teilen an beide Elternteile ausgezahlt werden – auch wenn beide gemeinsam wirtschaften. So würde zumindest auf symbolischer Ebene die Bedeutung beider Elternteile für die Erziehung honoriert und der Wirklichkeit getrenntlebender Elternpaare, die sich die elterliche Sorge teilen, Rechnung getragen.

Und wie finanziert man das?

Ein so ausgestaltetes BEGE könnte andere Sozialleistungen nicht komplett ersetzen: Sind beide Elternteile arbeitslos, so wird das BEGE allein deren Lebensunterhalt nicht decken können. Es soll jedoch dabei helfen, Familien, bei denen zumindest ein Elternteil erwerbstätig ist, und speziell Familien mit Kleinkindern von ergänzenden Sozialleistungen unabhängig machen.

Ist all das überhaupt finanzierbar? Nur dann, wenn das BEGE Sozialleistungen wie den Kinderzuschlag sowie das Betreuungs- und Elterngeld vollständig ersetzt. Für Gutverdiener könnten steuerliche Vorteile, zum Beispiel für die Absetzung haushaltsnaher Dienstleistungen, abgeschmolzen werden, die durch das BEGE kompensiert würden. All das aber setzt den Willen voraus, die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung von Elternschaft anzuerkennen.

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Marlen Hobrack
Freie Autorin. Kultur- und Medienwissenschaftlerin. Feministin und Metalhead. Themen: Gender, Mutterschaft, Männlichkeit
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13 Kommentare

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  • Ich habe überhaupt keine Probleme, jedem, der ein Kind zu erziehen hat, 1000 € monatlich oder mehr, je nachdem, was die tatsächliche Produktivität gerade hergibt, als Kredit zur Verfügung zu stellen.



    Bedingung ist dann eben, dass die darauf achten müssen, dass das Kind so erzogen wird, dass es das investierte Geld auch mal zurückzahlen kann, dass sie eine Gemeinschaft organisieren, die eine Erziehungsberatung, eine Bildung und eine Ausbildung etc. garantiert.

    Das halte ich für fair.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Ihre Ausführungen zeigen mal wieder sehr eindrucksvoll, dass es viele 'Normalbürger' gibt, die kluge Gedanken haben, wie diese inhumane Welt menschlicher gestaltet werden könnte.

      Das Problem: große Teile der vermeintlichen Elite haben kein Interesse daran, diese Gedanken aufzugreifen. Sie würden die bestehenden Ungleichheiten zerstören. Und dies ginge eindeutig zu Lasten der Profiteure.

  • Ob nun ein Elterngrundeinkommen oder EINE andere Leistung, mir wäre es wichtig, dass ich nur noch zu einer Stelle muss. Bin alleinerziehend mit einem Kind, und leide unter einem Leistungen-Chaos. Ich bilde mit meinem Sohn eine gemischte Bedarfsgemeinschaft, da blickt sowieso niemand durch. Wir haben Anspruch auf BAföG, Unterhaltsvorschuss, Alg II, Wohngeld und Kindergeld. Die jeweiligen Ämter wollen zuerst die Bescheide der anderen Ämter sehen, was natürlich nicht funktioniert, wenn kein Amt zuerst einen Bescheid ausstellt. Wir erhalten die uns zustehenden Leistungen mit Monaten Verzögerung und nach regem Schriftverkehr, der mich viel Zeit und nerven kostet. Ich will auch gar nicht wissen, wieviel Arbeitsstunden die ganzen Bearbeitenden, die nach unterschiedlichsten Regelungen die Leistungen berechnen müssen, verpulvern.

  • Die Ermäßigung auf die Einkommensteuer bei haushaltsnahen Dienstleistungen wurde ursprünglich geschaffen, um solcherlei aus der Schwarzarbeit zu holen. Das hat, zumindest teilweise, auch funktioniert, weswegen man darauf wohl kaum verzichten wird. Außerdem sollte man das Volumen nicht überschätzen, ein BEGE kostet weit mehr als die Streichung dieser Ermäßigung einbringen würde.

    Darüber hinaus profitieren keineswegs nur Gutverdiener, sondern letztendlich so ziemlich jeder davon (zumindest wenn Wohneigentum besessen oder zur Miete gewohnt wird).

    Nette Idee, aber nicht mal ansatzweise zu Ende gedacht.

  • Es ist wirklich schwierig für uns Leistungsprinzip-Trainierte diese Konditionierung hinter uns zu lassen.

    Aber es ist einfach so, dass »bedingungslos« und irgendwelche Einschränkungen nicht zusammengehen.

    Bedingungslos heißt immer für alle. Und so sollte es sein.

  • "die fundamentale Ungleichbehandlung armer und reicher Familien" ist ja durchaus so gewollt, auch wenn es keiner zugibt. Das Kalkül ist, daß diese Nettozahler des Sozialsystems weitere solche heranziehen... daß Reichere mehr in ihre Kinder investieren (durchaus, aber nicht nur, materiell) ist vielfach belegt, und manifestiert sich auch in den ebenso vielfachen Befunden, daß Erfolg im Leben (etwas pauschalisiert ausgedrückt) eng mit Situation und Möglichkeiten des Elternhauses zusammenhängt.

    Der hier präsentierte Vorschlag ist eigentlich auch nur ein Ruf nach mehr Umverteilung durch das Sozialsystem und den "Gutverdienern" etwas wegzunehmen, und sei es nur das Elterngeld als Lohnersatzleistung (dieses ist bei etwa €1.800 / Monat gedeckelt, was keinem "Gutverdiener" irgendwas wirklich ersetzt). Da es nicht an die Anzahl der Kinder gebunden ist, hat es nichts mit realem Bedarf zu tun - das trifft auch auf die sinkende Höhe über das Alter der Kinder zu (ein Anreiz, stets eine/n unter-einjährige/n greifbar zu haben?)

    Ach ja, wem es draum geht, "Gutvberdienern" weh zu tun (der Eindruck entsteht hier), sollte die Abschaffung des Freibetrags zur Gegenfinanzierung fordern!

  • Ja, lassen sie uns mal darüber nachdenken, welche Auswirkungen eine solche Förderung haben könnte.

    Bewohner der Städte in Plovdiv oder Varna, denen die Gestelltung einer Wohnung mit fließend warmen Wasser in Duisburg plus HarzIV bisher als Anreiz einer Übersiedlung noch nicht ausgereicht haben, werden sich sicher über eine solche Kinderprämie in Höhe von zusätzlich EUR 129.600 (EUR 900 x 12 x 12) sicher freuen. Jo, Da geht doch was.

    Tja, und wofür war nochmal das Elterngeld? Menschen aus dem Mittelstand und Gutverdienern sollte ein finanzieller Anreiz zur Aufzucht von Kindern gezahlt werden. Damals hieß es ja nicht ohne Grund "Die falschen Eltern bekommen die falschen Kinder".

  • Und warum genau sollten Eltern ein solches Privileg erhalten?



    Weil beim poppen was entstanden ist?



    Und wer Unfruchtbar ist hat halt Pech gehabt oder wie? Nicht der Mensch steht im Vordergrund sondern ob er etwas für die Gesellschaft leistet oder nicht?



    Gibts dann bei drei Kindern 3x BEGE?



    Und ab wann wird das Mutterkreuz entschuldigung Elternkreuz verliehen?

    • @Der Epping:

      Wer - ob freiwillig oder unfreiwillig - keine Kinder hat, hat auch nicht den Aufwand/ Verdienstausfall aus ihrer Betreuung und Erziehung. Also gibt es da auch nichts zu kompensieren. Das ist Alles. Dieses Grundeinkommen soll keine Belohnung sein, sondern eine Unterstützung für Jene, die willens UND in der Lage sind, die wirtschaftlich belastende (aber volkswirtschaftlich notwendige) Nachwuchssorge zu übernehmen.

      Meine Kinder werden mal Ihre Rente zahlen. Egal ob Sie vielleicht gerne eigene gehabt hätten oder nicht.

    • @Der Epping:

      Weil auch der Epping irgendwann eine Rente beziehen will - sei es staatlich von Beitragszahlern oder privat von Gewinn abwerfenden Anlagen - also ebenfalls von der Arbeitskraft anderer.

      Mutterkreuze gibt es nur von jenen, denen Erziehungsarbeit nichts wert ist...

    • @Der Epping:

      Ihr Kommentar ist echt schwach.



      Es geht um ein Familieneinkommen und somit um Geld für Kinder.



      Ob dies genauso, wie im Artikel dargestellt sinnvoll ist sei hingestellt Sie jedoch haben den Artikel ja nicht einmal richtig durchgelesen. Sonst würden Sie nicht Fragen:



      "Gibts dann bei drei Kindern 3x BEGE?"

    • @Der Epping:

      Haben Sie den Text überhaupt gelesen? Der obige Vorschlag sieht keine Erhöhung bei mehreren Kindern vor. Außerdem würden andere Geldleistungen an Eltern abgeschafft.

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Das klingt aber reichlich nach einer Herdprämie, wie die von der CSU, oder?