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Müllers Marshall-Plan für AfrikaPrivates Geld für Afrikas Wirtschaft

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) plant ein Gesetz, damit Firmen in den afrikanischen Kontinent investieren. Experten sind skeptisch.

Es geht aufwärts: Nigerias Wirtschaft gehört zu den aufstrebenden auf dem afrikanischen Kontinent Foto: reuters

Berlin taz | „Afrika ist ein Chancenkontinent“ – mit diesem Slogan wirbt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) um private Geldgeber. Einen Marshall-Plan mit Afrika hat er sich ausgedacht, Partnerschaften mit ausgewählten Staaten, darunter Marokko, Tunesien, Elfenbeinküste, Senegal oder Ruanda, ­initiiert. Die Lage in den Ländern soll sich verbessern – und den Menschen eine bessere Lebensperspektive ermöglichen.

Müller setzt auf die Wirtschaft hierzulande, die Geld nach Afrika bringen soll. Doch Korruption, undurchsichtige Verwaltungsapparate, lange Genehmigungsverfahren und eine instabile politische Lage in vielen Regionen des Kontinents lassen Firmen zögern. Der Minister treibt nun ein sogenanntes Entwicklungsinvestitionsgesetz vor­an und lockt Firmen mit steuerlichen Anreizen.

Dass der afrikanische Kontinent sowohl für Konzerne als auch mittelständische Unternehmen interessant ist, ist kein Geheimnis. Millionen, meist junge Menschen, sind potenzielle Kunden für Konsumgüter aus den Industriestaaten. Nigeria, Kenia, Äthiopien, Uganda sind die Staaten, deren Wirtschaft enorme Zuwächse verzeichnet. Große Infrastrukturprojekte sind in Planung, Wohnungen, Krankenhäuser, Geschäftsgebäude werden gebaut. Investitionen kommen häufig aus Deutschland – und es könnten noch mehr werden.

Christoph Kannengießer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft spricht von einem Knoten, der auf politischer Ebene gelöst werden muss. Was die deutschen Unternehmer umtreibt, ist vor allem die Sorge, dass ihre Investitionen an der richtigen Stelle ankommen. Werden zum Beispiel Kraftwerksturbinen an einen Staat geliefert, so stellt die Bundesregierung häufig sogenannte Hermes-Bürgschaften aus, um die Lieferung abzusichern.

Unternehmen müssen ökologische und soziale Standards einhalten

Heike Spielmans, Venro

Erst vor wenigen Tagen hat der Bund die Garantien für Afrika-Exporte ausgeweitet. Für Senegal, die Elfenbeinküste, Ghana, Äthiopien und Ruanda wurde die Eigenbeteiligung bei einem Zahlungsausfall von 10 Prozent auf 5 Prozent gesenkt. Gekoppelt war die Entscheidung an spürbare Reformen in den Staaten. Kannengießer kommen solche Vorgaben entgegen. Allein steuerliche Anreize, die über ein Entwicklungsinvestitionsgesetz möglich werden, reichen ihm nicht. „Das ist die Kür, nicht die Pflicht“, sagt er. „Wir brauchen Risikominimierung, Sicherheiten und Bürgschaften.“

Ausländische Unternehmen müssten in Afrika Steuern zahlen

Ob Afrika tatsächlich der Chancenkontinent wird, von dem Müller schwärmt, hänge von der sozialen Entwicklung, von einer stabilen Gesundheitsversorgung und Investitionen in den Bildungssektor ab, davon ist Heike Spielmans vom Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro) überzeugt. Aus ihrer Sicht müssen private Investitionen vor allem der Entwicklung der Länder dienen.

„Zum Schutz der Menschen müssen Unternehmen zudem ökologische und soziale Standards einhalten und die Menschenrechte achten.“ Ihre Forderung: „Die Staaten brauchen Steuereinnahmen, um öffentliche Investitionen in Gesundheit und Bildung zu tätigen. Große ausländische Unternehmen müssen in den Ländern Steuern zahlen, wo sie auch Gewinne erwirtschaften“, sagt Spielmans.

Minister Müller hat seine Vorschläge für ein Entwicklungsinvestitionsgesetz beim Bundesfinanzministerium eingereicht. Gespräche dazu laufen, heißt es aus seinem Ressort. Im Finanzministerium verweist man auf die Verantwortung, die Mittel für Entwicklungshilfe zu erhöhen. Müllers Haushalt liegt derzeit bei rund 9,7 Milliarden Euro. Zusätzliche Überlegungen zu Steuererleichterungen würden geprüft, hieß es weiter.

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7 Kommentare

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  • Bei der Berichterstattung über Afrika sowie die Migration von dort nach Europa frage ich mich gerade: was macht eigentlich die Bundeswehr in Mali? Dazu ist erstaunlich wenig in den (großen) Medien zu erfahren - Zufall?

  • Anfang des Jahres gab es eine Doku bei Arte über das Thema. Fördergelder über 1Million Euro erhielt eine Firma die Dr. Ötker-Pizza nach Kenia exportiert. Der Renner bei der Oberschicht. Lief unter Nahrungsmittelhilfe und schafft kaum Arbeitsplätze vor Ort. In Sambia wurde eine Sojafarm mit mehreren Mio. gefördert. Es wurden viele Arbeitsplätze versprochen. Tatsächlich wurde nur ein Bruchteil als Erntehelfer eingestellt. Die Betreibergesellschaft hat ihren Sitz in einer Steueroase und bezahlt nicht einen Cent Steuern in Sambia. In der Doku waren einige Beispiele dafür wie die Wirtschaft Gelder abgreift und nichts für die Entwicklung der Länder beiträgt.

  • "Große ausländische Unternehmen müssen in den Ländern Steuern zahlen, wo sie auch Gewinne erwirtschaften“

    Joa klappt in Europa ja richtig gut, vor allem das Eintreiben fälliger Steuern.Da können sich die afrikanischen Staaten, besonders die mit korrupter Verwaltung mal ne Scheibe von abschneiden.

    Letztendlich wird es wieder einen Berg an Sonderkonditionen für ausländische Unternehmen geben, die einheimische Bevölkerung wird kaum davon profitieren und die Unternehmen werden reihenweise nationale Standards unterlaufen. Ich würde mich freuen, wenn ich mich da geirrt hätte.

  • Der Titel ist falsch: es geht immer nur um Geld für deutsche/europäische Firmen, die damit in Afrika z.B. eine Produktion aufbauen und damit Geld verdienen.

    Mit altruistischer Entwicklungshilfe, wie man sich das so naiv vorstellt, hat das wenig zu tun.



    Aber immerhin bringen die manchmal auch Arbeit...wenn sie Einheimische beschäftigen.



    Aber manchmal bringen sie auch das pure Disaster wenn sie z.B. frei verfügbares Trinkwasser abpumpen und dann für Geld anbieten, dabei aber den Grundwasserpegel senken und die Bauern killen.

  • Armes Afrika, die nächste Stufe der Ausbeutung wird eingeleitet.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Hampelstielz:

      Ausgebeutet werden wir alle im Kapitalismus. Aber besser, die Afrikaner werden in ihrer Heimat ausgebeutet, als auf der Flucht nach Europa und dann in Europa als Sklaven des weißen Mannes arbeiten zu müssen.



      Und glauben sie wirklich, dass die jetzige afrikanische Oberschicht nicht selbst



      zur gnadenlosen Ausbeutung fähig ist?

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Ausgebeutet und zu einem Geldwert gemacht wird alles. Ich bin mir nicht sicher, ob die Ausbeutung vor Ort besser ist.



        Denn die Probleme, die im obigen Post von @Andreas J genannt wurden, zerstören die Länder und Lebensgrundlagen und langfristig betrachtet bleibt nichts, nicht einmal die Möglichkeit zur Selbstversorgung.

        Ich weiß, dass die Oberschichten in den Staaten Afrikas selbst fleißig an der Ausbeutung partizipieren.



        "Der Mensch ist des Menschen Wolf", heißt es doch. Ich pflege keinen romantischen Rassismus.

        Ändert alles aber nichts daran, dass die nächste Stufe der europäischen Ausbeutung begonnen hat. Vermutlich sieht man sich im Zugzwang die Investitionen Chinas einzuholen.