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Kommentar Bayerns FlüchtlingspolitikEin Europa der Grenzen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Wird sich die CSU bei der Abweisung von Flüchtlingen durchsetzen können? Das könnte ein Europa mit Binnengrenzen auf Jahrzehnte verstetigen.

Alleine kann Italien die europäische Asylpolitik nicht schultern Foto: Imago/ZUMA Press

Wer in einem anderen EU-Staat bereits registriert wurde, muss an der Grenze zurückgewiesen werden.“ Das fordert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dies sei auch Inhalt des „Masterplans für Migration“, den Innenminister Horst Seehofer (CSU) kommende Woche vorstellen will. FDP-Chef Christian Lindner hält das Ganze für eine „Selbstverständlichkeit“.

Das ist aber falsch, das Gegenteil ist richtig. Diese Forderung droht nicht nur die Asylpolitik der Großen Koalition zu sprengen, sondern würde ein Europa ohne Binnengrenzen auf Jahrzehnte verunmöglichen.

Die Vorstellung, man könne Flüchtlinge einfach an der deutschen Grenze zurückweisen, ist die große Gemeinsamkeit von CSU und AfD. Horst Seehofer hat schon 2016 von einer „Herrschaft des Unrechts“ gesprochen, weil es diese Zurückweisungen nicht gibt. Die Alternative für Deutschland wiederholt diesen Vorwurf seitdem stereotyp.

Nur zur Klarstellung: Wer an der deutschen Grenze Asyl beantragt, wird in Deutschland erst einmal aufgenommen. Dann wird in einem geordneten Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung geprüft, welcher Staat der Europäischen Union für das Asylverfahren zuständig ist. Anschließend wird der Antragsteller in den entsprechenden Staat überstellt, zum Beispiel nach Italien – oder Deutschland übernimmt das Asylverfahren.

Zurückweisungen an der Grenze führen eben nicht dazu, dass Asylantragsteller anschließend im zuständigen Staat landen. Denn das wäre in einem Fall etwa Italien, nicht Österreich. Schon deshalb ist Dobrindts Behauptung falsch, er setze nur die europäische Rechtslage um. Stattdessen würden deutsche Grenzzurückweisungen dazu führen, dass nun alle EU-Staaten auch an ihren Grenzen Flüchtlinge einfach zurückweisen.

Doch Italien kann die europäische Asylherausforderung nicht allein schultern. Das hat bisher zumindest Bundeskanzlerin Angela Merkel verstanden. An dieser Frage wird sich zeigen, ob sie in der Koalition noch das Sagen hat.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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5 Kommentare

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  • Welche Grenzen? die Grüne Grenze zu kontrollieren würde Milliarden kosten...

  • Zu dem ganzen Dilemma extrem gegensätzlicher nationaler Ansätze von Flüchtlingspolitik, hervorgebracht gerade durch die Dublin Regelung, mit Konsequenzen wie jetzt in Italien, würde ich gerne zu diesem Artikel verlinken:

    https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/jun/05/eu-italy-european-leaders-punish-government-help

  • "Zurückweisungen an der Grenze führen eben nicht dazu, dass Asylantragsteller anschließend im zuständigen Staat landen. Denn das wäre in einem Fall etwa Italien, nicht Österreich. Schon deshalb ist Dobrindts Behauptung falsch, ...." - sorry, aber das stimmt so nicht. Siehe Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013:

     

    Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

     

    (1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

     

    (2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

  • Ich schätze die Sachlichkeit und fachliche Expertise von Herrn Rath grundsätzlich sehr. Hier ist ihm jedoch zu widersprechen. Die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt grundsätzlich nur für Bürger der Europäischen Union. Einem EU-Ausländer ohne Visum und ohne andere Einreiseerlaubnis darf an der Grenze die Einreise verweigert werden. Ein Asylantrag ist erst zu prüfen, wenn dieser im Inland gestellt wird. Bayern muss also lediglich sicherstellen, dass es nicht zu einem Grenzübertritt kommt.

     

    Wird einem EU-Ausländer, dessen Zuständigkeit für das Asylverfahren in Italien liegt, vor der Einreise an der Grenze zu Österreich die Einreise verweigert, hat zunächst Österreich zu prüfen, ob es diesen nach Italien zurück schickt oder das Asylverfahren selbst übernimmt. Die Verstetigung der Binnengrenzen ist daher auf den Umstand zurück zu führen, dass es Italien nicht gelingt, die Flüchtlinge im Land zu halten.

    • @DiMa:

      Sehr geehrter User, meinen Sie EU-Bürger? Welche Einzelfallgestaltung meinen Sie, die gesetzlich vermutete Freizügigkeit nicht annehmen zu können?