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Gastkommentar Medien und die PolizeiAchtung, Behörden-PR!

Viele Redaktionen verbreiten Meldungen der Polizei – unhinterfragt. Dass Skepsis angebracht ist, haben erneut die Demos am 1. Mai gezeigt.

Auch die Polizei macht Pressearbeit. Das gehört zur Demokratie. Foto: dpa

Wer sich am 1. Mai über die Neonazi-Kundgebung in Chemnitz informieren wollte, erfuhr von der Polizei Sachsen auf Twitter folgendes: „Einsatzziel erreicht“, „Störungen frühzeitig“ unterbunden, so die Videobotschaft der Polizeisprecherin. Es gab heroische, instagram-taugliche Bilder von Polizisten; Beamtinnen hatten „trotz des Trubels im Einsatz #Chemnitz immer ein Lächeln parat“. Ein Hufschmied besohlte ein Polizeipferd. Welche Idylle!

Von verbotenen Nazi-Symbolen auf T-Shirts der Teilnehmer, von einem Polizisten, der einen Journalisten zur Löschung von Fotos auffordert, von Rufen wie „Ein Hammer, ein Stein, ins Arbeitslager rein!“ oder „Ihr bekommt noch Zyklon B“, die in Richtung der Gegendemonstranten gefallen sein sollen, erfuhr man nichts.

Am 1. Mai marschierte der „Dritte Weg“ durch Chemnitz: eine vom Verfassungsschutz beobachtete, rechtsextreme Kleinstpartei. Mit dabei: ein knappes Dutzend Polizisten mit blauer Weste. „Social Media“ oder „Kommunikationsteam“ stand darauf. Das klingt sympathisch und ist sicher auch sinnvoll. Und dennoch: Es ist interessengeleitete Kommunikation. Und die gehört eingeordnet. Immer.

Bei Pharma-Konzernen und Chemieunternehmen, bei Waffenschmieden und AKW-Betreibern: Würde man sich dort mit den Aussagen der Pressestelle zufrieden geben, ohne jede Rückfrage? Man würde es nicht. Warum sollte man das bei der Polizei anders halten?

Bei G20 wurden halb so viele Polizisten im Einsatz verletzt, wie behauptet.

Bei G20 wurden halb so viele Polizisten im Einsatz verletzt, wie behauptet. In Ellwangen konnten weder Waffen noch Gewalttäter gefunden werden. Das kam raus, weil Journalisten nicht einfach abgetippt, sondern angerufen und nachgefragt haben.

Damit soll nicht gesagt sein, dass die Kommunikationsteams der Polizei lügen. Aber sie betonen manches stärker, anderes nicht, lassen Dinge weg – und können natürlich auch nicht alles sehen oder hören.

 Das ist auch nicht schlimm.

Marcus Engert

Marcus Engert ist Schwerpunktreporter für Grund- und Freiheitsrechte im Deutschland-Büro von BuzzFeed News.

Redaktionen haben täglich mit PR zu tun, auch von staatlicher Seite. In der demokratisch verfassten Mediengesellschaft gehört das dazu: viele Akteure, viele Sichtweisen, alle bringen etwas ein, Medien und eine kritische Öffentlichkeit gewichten und verhandeln das miteinander. Das ist Demokratie.

Die Polizei schützt das Funktionieren dieser Demokratie. Ohne sie ginge es nicht. Ihre Pressestellen aber sind nicht der Wahrheit verpflichtet, so mancher Polizeigewerkschafter erst recht nicht. Journalisten schon.

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16 Kommentare

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  • Das entscheidende Problem ist, dass die Journalisten nicht mehr ihre Arbeit tun. Recherche, vor Ort sein, kritisches Hinterfragen - Fehlanzeige! Das kann man auch bei der taz eröeben - wenn immer wieder zum Seitenfüllen Agenturberichte übernommen werden, ohne Nachrecherche. Die Macht der staatlichen Pressestellen ist nur der Ausdruck des Zustands des bundesdeutschen Journalismus und der Medienunternehmen. Was tröstet? Dass es vor 40 Jahren während der Anti-AKW-Bewegung auch so war? Damals allerdings bestimmte der politische Komplex die Berichterstattung, heute sind es Marktgesetze, Online-Wahn und handwerkliche journalistische Mängel.....

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Der beschönigenden Beschreibung des polizeilichen Kommunikationsstils durch Marcus Engert ist entgegen zu halten: eine solche Kommunikation enthält wesentliche Merkmale von MANIPULATION. Und das ist alles andere als harmlos: Es ist schlimm, denn so wird Wahrheitsfindung erschwert.

     

    Es sei denn, man ist an Wahrheit nicht interessiert. Sondern nur an der Durchsetzung eigener Interessen.

  • Die Polizei ist ein Apparat, genauer, ein Staatsapparat.

     

    WIe geht man mit einer Maschine in irgend einem Betrieb um, wenn es sich zeigt, daß da diverse gefährliche Mängel bestehen?

     

    Richtig, man behebt die Mängel oder man setzt die Maschine außer betrieb, sofern zumindest noch Reste von Verantwortungsbewußtsein eine Rolle spielen.

     

    Und warum ist das beim "Apparat" Polizei anders? Weil man es nicht besser hinbekommt? Oder weil man den Einschaltknopf für das Verantwortungsbewußtsein nicht findet? Oder weil man es nicht anders haben will, obwohl es bequem möglich wäre?

    • @wxyz:

      Dito! In die Richtung wollte ich auch etwas schreiben. Wobei ich aus herrschaftskritischer Perspektive heraus eine "Mängelbehebung" weder als realistisch ansehe, noch gut fände - eine Herrschaftsinstitution bliebe sie ja.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Eigene Recherchen haben noch niemandem geschadet.

  • Total interessengeleitet diese Kommunikationsteams, echt ey, steht bei BuzzzzzzzFeed-News!

  • "Damit soll nicht gesagt sein, dass die Kommunikationsteams der Polizei lügen."

     

    Warum nicht? Natürlich lügen die, genauso wie der Rest dieser großen "Familie". G20 ist ein extremes Beispiel, aber auch auf den vielen kleineren Demos bekommt man ständig nur Mist zu hören und zu lesen. Ein gutes anderes bekannteres Beispiel wäre die Flora-Esso-Häuser-Demo im Dezember 2013...

  • "Polizisten, der einen Journalisten zur Löschung von Fotos auffordert?" So jemand gehört entlassen. Fristlos. Das solche Staatsdrohnen von meinen Steuern bezahlt werden - widerlich.

     

    "Die Polizei schützt das Funktionieren dieser Demokratie. Ohne sie ginge es nicht."? Ja wirklich nicht? so eine militärisch rechte Schlägertruppe braucht niemand. Die sollen Raub und Mord aufklären und Verkehrsunfälle regeln. Mehr nicht.

     

    Diese Staatsdrohnen gehören rund um die Uhr überwacht. Jede Kamera die man auf die richtet trägt zum Schutz der Bevölkerung bei. Jedes Fehlverhalten muss kompromisslos geahndent werden.

    • @danny schneider:

      "Verkehrsunfälle regeln"?

    • @danny schneider:

      Du klingst, als kämest du aus dem Osten und als besuchest du regelmäßig Demonstrationen.

       

      Denn diese Sicht auf Polizei kenne ich aus Leipzig, wo die Wut überwiegt und eine realistische Differenzierung fehlt. Die Fronten sind beidseitig härter. Ich selbst lebe in Düsseldorf, hier erfährt man eine andere Welt und "Den Polizisten" zu diffamieren, hat noch in keiner Welt geholfen. In erster Linie deshalb, weil es oft genug nicht gerechtfertigt ist. Wie viele Polizisten gehen ihren Aufgaben rechtmäßig nach? Der größte Teil. Kritik? Immer! Klaro. Aber Aussagen wie diese sind kontraproduktiv, lösungsablehnend.

      • @Meerstein:

        Was soll dieses Pauschaldenken..?! Nur weil's bei dir in Düsseldorf gemütlich mit der Polizei hergeht... Zum Gipfel wurde "Ganz Hamburg hasst die Polizei!" skandiert, und Hamburg liegt bekanntlich im Norden...

        • @Ano Nym:

          Es geht gerade darum, nicht pauschal zu denken. Dass der größte Teil der Polizei gute Arbeit leistet, ist ein Fakt. Aber auch diese Aussage soll gegebene polizeiliche Straftaten nicht verharmlosen - und es nervt, dies immer verdeutlichen zu müssen.

          • @Meerstein:

            Der "Regelalltag" und Dienst nach Vorschrift der Cops sieht auch so aus, dass sie bspw. Menschen abschieben, Bewohner*innen aus ihren Wohnungen räumen, rassistische Kontrollen durchführen, dass viele Dienstvergehen durch Korpsgeist verdrängt werden ...

        • @Ano Nym:

          @ano nym

          "Ganz Hamburg hasst die Polizei".

          Das wurde zwar skandiert, aber es stimmt halt nicht.

          Es gibt immer wieder mal eine Liste welche Berufe "vertrauenswürdig" sind und welche nicht.

          Spitzenreiter sind immer die Feuerwehrleute, die Polizei landet auf Platz 10. Ihr vertrauen 80% der Menschen.

          Den Journalisten vertrauen nur 36%

           

          Quelle: //http://www.spiegel.de/karriere/berufe-diesen-berufsgruppen-vertrauen-die-deutschen-a-1080403.html

          • @Stefan74:

            Ja, leider ist das nicht so. Viele sind staatsaffin bzw. ambivalent.

        • @Ano Nym:

          Tout le monde deteste la police! Auch in Düsseldorf... :D