piwik no script img

Dieselfahrverbot in HamburgÜberm Grenzwert

Die Stresemannstraße in Hamburg ist die erste Straße in Deutschland, für die bald ein Fahrverbot gilt – mit Ausnahmen. Ist das Symbolpolitik?

Bald fast ohne Diesel: Stresemannstraße in Hamburg-Altona Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Nach Pfingsten soll es so weit sein. Ende Mai sollen in Hamburg an zwei Straßenabschnitten die ersten „Durchfahrtsbeschränkungen“ für ältere Dieselfahrzeuge erlassen werden, hat die Umweltbehörde angekündigt. Der Plan, dies bereits im April zu tun, habe sich leider nicht halten lassen: Zum einen liegt die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht vor, zudem verzögert sich die Herstellung der nötigen Schilder und Masten.

Dennoch wird Hamburg die erste deutsche Stadt sein, die diese Konsequenz aus dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar zieht. Denn der im Sommer 2017 erstellte neue Luftreinhalteplan sah vor, im Fall der Fälle rund 580 Meter der Max-Brauer-Allee sowie einen etwa 1,6 Kilometer langen Abschnitt der Stresemannstraße mit „Durchfahrtsbeschränkungen“ zu versehen: für alle Dieselwagen bis Euro 5 auf der Allee, auf der Strese nur für LKWs bis Euro V.

Diese Maßnahmen durften damals nicht „Fahrverbote“ heißen, weil Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) versichert hatte, mit ihm werde es so was nicht geben. Die Bundesrichter sahen das im Februar anders, und Scholz ist seit März nicht mehr im Amt – so rasch können sich Sichtweisen und Etiketten ändern.

Beide Straßen sind hoch belastete Hauptverkehrsadern, die vom Bahnhof Altona ins Schanzenviertel und das dichtbesiedelte Eimsbüttel führen sowie von St. Pauli zur Elbtunnel-Autobahn in Bahrenfeld. Sie kreuzen sich unter der Sternbrücke, über die im Minutentakt ICEs, Regionalzüge und S-Bahnen brausen.

Es ist der unwirtlichste Ort Hamburgs und zugleich der giftigste. Seit Jahren liegen die Schadstoffwerte in der Luft an beiden dicht bebauten Verkehrsachsen über den EU-Grenzwerten. Bereits im November 2014 verurteilte das Verwaltungsgericht Hamburg die Stadt auf Klage eines Anwohners der Max-Brauer-Allee dazu, Gegenmaßnahmen einzuleiten – doch lange geschah nichts.

Werte unter den Grenzwert drücken

Nun sollen die Fahrverbote auf den beiden Trassen dafür sorgen, die hohen Stickstoffdioxid-Werte im Jahresdurchschnitt unter den EU-Grenzwert zu drücken. Für manche Autofahrer bedeutet das einen Umweg. Das aber wirft Fragen auf: Wenn man um die gesperrte Straße herumfahren kann oder muss, verlagert sich das Problem dann nicht nur? Wird es in den Nebenstraßen schmutziger, lauter und gefährlicher?

Umweltexperte Axel Friedrich, der den BUND, Nabu und die Deutsche Umwelthilfe berät, bevorzugt eine Verbotszone. „Das wäre fachlich korrekt, ist aber politisch schwieriger“, spricht Friedrich den entscheidenden Punkt an. Noch immer hoffen einflussreiche Politiker aus CDU, CSU, SPD und FDP, innerstädtische Fahrverbote verhindern zu können, noch immer befürchten Oberbürgermeister von Städten wie Kiel den Verkehrsinfarkt, wenn sie ihre Hauptschlagader – und um die geht es in der Regel – für den dieselbetriebenen Wirtschaftsverkehr sperren.

In Hamburg sollen für die gesperrten Abschnitte Umleitungen ausgeschildert werden: für die Max-Brauer-Allee über die Königstraße und Holstenstraße; für die Stresemannstraße über den Ring 2 zur Fruchtallee, zwischen Messegelände und Karoviertel hindurch und weiter auf dem Ring 1 via Lombardsbrücke und Hauptbahnhof zum Deichtortunnel. Ob und wie diese Vorschriften in der Praxis kontrolliert werden sollen, ist unklar. Auch eine 32-seitige Broschüre der Umweltbehörde zum Thema klammert diese Frage aus.

Klar ist jedoch, wer die gesperrten Straßen auch weiterhin mit eigentlich verbotenen Wagen befahren darf: AnwohnerInnen sowie deren Besucher, Kunden und Beschäftigte von ansässigen Geschäften, Büros, Praxen oder Kanzleien, außerdem Busse, Krankenwagen, Polizei und Feuerwehr, Post, Müllautos, Handwerker und Lieferanten.

Wer sich also im Internet ein kluges Buch über lebenswerte Innenstädte bestellt, kann es sich auch weiterhin von großen, braunen Dieselfahrzeugen bis vor die Haustür bringen lassen.

Alles über Deutschlands erste Straße mit Dieselfahrverbot lesen Sie in der gedruckten taz am Wochenende oder am E-Kiosk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Was soll der Schwachsinn?

    Es wird nicht einen Stinker weniger geben in der Stadt.

    Also - weg mit den Grenzwerten und - freies Stinken für freie Bürger überall!!!

  • Wie viele Autofahrer wissen denn jetzt auf Anhieb, welche Abgasnorm sie mit ihrem Wagen einhalten? Und mit dem Wagen vom Nachbarn, mal geliehen für nen Ausflug, oder der Wagen vom Chef, den soll man von da nach da fahren. Oder man wohnt nicht in Hamburg und hat sich die Frage noch nicht gestellt. Schau ich dann erstmal ins Handbuch, parkenderweise, linke Spur?

    Des weiteren: als Anlieger gilt, wer ein Anliegen hat - bzw. oh, da steht ein Ordnungshüter an meinem Auto, muss ich mir wohl noch nen Brötchen in der Bäckerei da kaufen. Oder kurz mit dem Verkäufer im Teppichladen reden... Beratung, kein Interesse, aber Kunde war man ja trotzdem. Oder ich hab's einfach beim Aussteigen vergessen, was ich hier wollte, Schusseligkeit ist ja nicht verboten.

    Die Regel geht in Wirklichkeit gegen Deppen, die nicht wissen, was sie für ein Auto haben und sich dann nicht schnell ne Ausrede einfallen lassen können. Womit ich mich mit einschließe, wüsste nicht, welches der Autos, die ich so gefahren bin im Leben, Euro V, VI oder was auch immer war. Ich bin immer schon froh, wenn ich an der Tanke weiß, ob Diesel oder Benzin.

  • Das Vorgehen ist doch ein Witz, oder? Die Ausnahmen sind löchrig wie ein Käse, keiner weiß wie es kontrolliert werden soll und betroffenen sind keine Zonen? Einfach mal ne Hypothese von mir: das ist weder Effektiv noch Signifikant in der Verringerung der Verschmutzung.