piwik no script img

Kolumne German AngstGeflüchtete? Geile Soft Skills!

Sonja Vogel
Kolumne
von Sonja Vogel

In Cottbus regiert die rechte APO. Dabei wäre es doch einfach, geflüchtete Menschen positiv rüberzubringen: Als teamfähig und stressresistent!

Nazis fordern, Politik liefert. So geht Demokratie in Brandenburg Foto: dpa

Schnauze voll!“ steht auf den Schildern. Viele Hundert Cottbusser demonstrierten so gegen Geflüchtete in ihrer Stadt. Dem Brandenburger Innenministerium war ihr Wunsch Befehl. Es verkündete einen Flüchtlingsstopp. Schön, wenn eine APO noch etwas bewegen kann.

Aber haben die Cottbusser wirklich etwas gegen alle Geflüchteten? Vielleicht sind ja nur die falschen gekommen, nämlich – hört man ihnen zu – Arbeitsscheue, Asoziale, Kriminelle?

Eine ehrliche Haut, das ist die, in der der Wille zur Arbeit steckt. Deutsche Tugenden wie Fleiß und Ordnung. Hört sich an wie von der Müllhalde der Geschichte. Heißt aber heute nur anders: Soft Skills, die Rekrutierung der gesamten Erfahrungswelt zur Optimierung des eigenen Marktwerts. In der freien Wirtschaft hat man diesen Gedanken weitergesponnen. Wenn Menschen hier Menschen in Not nicht als Menschen akzeptieren wollen, verkaufen wir sie ihnen als Arbeitskräfte!

Es ist aber so eine Sache mit dem Kapitalismus. Nichts kann er allein, und darum muss es immer Deppen geben, die sich mit frischen Ideen in seinen Dienst stellen.

Kapitalismus kann nichts allein

In diesem Fall war es die Agentur Social Bee. Mit Plakaten, auf denen Geflüchtete aus Eritrea, Syrien oder der Türkei abgebildet sind, wirbt sie für deren Einstellung. Aber nicht, weil es eine gute Sache wäre, Menschen unabhängig zu machen – noch immer werden die Hürden im Bürokratiedschungel von „ungesichertem“ Aufenthalt bis Arbeitsverbot besonders hoch gesetzt. Nein. Weil sie geile Soft Skills haben! Unter jedem Plakat steht ein Spruch wie „Ich bin stressresistent – Auf der Flucht wurde ich verhaftet und mehrere Tage verhört“ oder „Ich bin zielorientiert – Auf der Flucht war ich drei Monate lang zu Fuß unterwegs“. Das ist doch mal praktisch gedacht, und man kann sich den Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit vorstellen: „Sie haben es in einem überladenen Gummiboot über das Mittelmeer geschafft, ohne zu ertrinken? Dann sind Sie ja teamfähig und stressresistent!“

So wird es sicher gehen: Kapitalismus sticht strukturellen Rassismus.

Ganz egal wie „provokativ“ oder „witzig“ die Kampagne gemeint ist: Sie zeigt, was in den letzten Monaten in Deutschland geschehen ist. Sie spricht einige an, die dem Weg der Kanzlerin seit 2014 gefolgt sind: von rhetorisch moderat (= gegen die Schließung der Grenzen) bis fundamental gegen die Einwanderung und das Asylrecht (= Schließung der Grenzen jenseits Deutschlands, in der Türkei und Libyen). Der Diskurs über massenhafte Flucht und Einwanderung ist komplett nach rechts gerutscht, hin zu Zahlenspielen und Obergrenzen – ein Menschenrecht auf Asyl hat keinen Platz mehr.

Und das ist das Fatale an dieser Kampagne. Es ist ganz sicher nicht die Aufgabe von Asylsuchenden, „unsere Gesellschaft (zu) bereichern“, wie es einer der Social-Bee-Gründer sagt. Das Recht auf Asyl ist deshalb ein Menschenrecht und universell, weil es die Unterscheidung zwischen nützlich und unnütz nicht kennt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Sonja Vogel
tazzwei-Redakteurin
Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Müssen denn so viele Frustrierte in die gleiche Kerbe hauen? Ist der Neid wirklich so groß? Viele Flüchtlinge sind eine Bereicherung. Hier finden Sie sie Asylantragszahlen, damit Sie nicht weiter das Schauermärchen der "Millionen Flüchtlinge" verbreiten:http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/aktuelle-zahlen-zu-asyl-dezember-2017.pdf?__blob=publicationFile

  • Versucht mal einfach zu Denken :"wir haben kaum bezahlbare Wohnungnen , Altersarmut,Arbeitslosigkeit,Millionen Hartz 4 Empfänger......Plus Millionen Flüchtlinge und Asylanten".

     

    Wer soll oder kann das bezahlen? Die Reichen sind außen vor, da kommt ja nur noch die arbeitende Bevölkerung in frage.

     

    Ich geh dann mal zur Arbeit......

  • Endlich mal eine Kampgane die ein ehrliches Bild der Flüchtlinge zeigt: Ausschließlich Männer.

  • Danke für den Artikel.

    Es geht um MENSCHEN IN NOT. Hat hier einer schon mal fortlaufend Fotos von toten Familienagehörigen aus Syrien unter die Nase gehalten bekommen? Hat er dann auch irgendwas vom Recht auf Asyl und Obergrenzen gebesserwissert???

    • @chillbill:

      Ich stimme Ihnen vollkommen zu. Wir können uns in die Lage der anderen Menschen versetzen.

      Jedoch, ein um das andere Mal spreche ich mit nationalen Organisationen, welche die Interessen von Migranten vertreten, und diese können eines nicht verstehen, nämlich dass sie im Prinzip gegen den Neoliberalismus zuerst kämpfen müssen. Wer in einer Gesellschaft die Akzeptanz von Fremden fördern will, der muss das das Soziale an der Marktwirtschaft befördern, damit die Menschen miteinander kooperieren können. Und Zweitens, das Asylrecht ist kein Hilfseinwanderungsrecht. So wird es jedoch überwiegend, da Deutschland keine Außengrenze mit Krisenregionen hat, subgenutzt.

      • @Gerhard Krause:

        Als Mensch in einer Gesellschaft kann mensch einfach handeln wie ein Mensch und dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten, anstatt irgendwelche Gesetze irgendwas regeln zu lassen und auf eine angebliche Flüchtlingsschwemme, überforderte Bürokratie oder Asylgesetze hinzuweisen.

  • Obergrenzen sind kein Widerspruch zum Recht aus Asyl.

     

    Recht auf Asyl haben alle, die sich im Inland befinden und die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Damit geht nicht das Recht auf Grenzüberschreitung einher. Auch zukünftig wird niemand einen negativen Asylbescheid erhalten nur weil möglicherweise eine Obergrenze überschritten worden ist.

     

    Sind Obergrenzen überschritten, dann werden möglicherweise Grenzen geschlossen. Das hat mit dem Recht auf Asyl nix zu tun. Wie der Social-Bee-Gründer bereits sagt, das Recht ist universell und gilt insbesondere auch bei unseren direkten Nachbarn.

     

    Das Asylrecht war im Übrigen noch nie nützlich im wirtschaftlichen Sinne, musste es jedoch noch nie sein. Und die Geschichte von den syrischen Ärzten, Krankenschwestern und Fachkräften hat sich als das herausgestellt, was es von Anfang an war: Eine Geschichte.

    • @DiMa:

      Das ist aber ein sehr beschränktes Verständnis des Grundrechts auf Asyl. Keine Ahnung, ob es überhaupt in rechtlicher Hinsicht stimmig ist. An der Idee des Grundrechts geht es aber auf jeden Fall vorbei, wenn man Schutzbedürftige an der Grenze abweist.

      • @Stefan Segal:

        Abweisen an der Grenze - steht im Ermessen der Behörde, nach Ihrem Beispiel wohl die Bundespolizei. Die Zurückweisung ist grundsätzlich möglich, aber ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG). Da sind wir noch nicht bei der(-en) Vollstreckung.

        Einstweilige Anordnung und Antrag (§ 14 Abs. 2 AufenthG), aber auch - im Grunde langatmig (Jahre), aber grundsätzlich möglich - Widerspruch und Anfechtungsklage, sowie Umstellung auf Verpflichtungsklage möglich (s. § 14 Abs. 2 AufenthG). So dürfte m.E. die Lage sein.

      • @Stefan Segal:

        Das ist falsch. Die Bundesrepublik Deutschland kann und muss Grundrechte nur im Inland garantieren. Kein Staat der Welt ist für die Durchsetzung von Rechten im Ausland zuständig.

         

        Ferner ist kein Staat verpflichtet seine Grenzen für Ausländer zu öffnen. Erst 2017 hat der EuGH entschieden, dass es keinen rechtlichen Anspruch auf die Erteilung eines sogenannten humanitären Visums gibt. Der Anspruch auf Asyl entsteht daher faktisch erst nach der Grenzüberschreitung.

        • @DiMa:

          Sie haben recht, aber wenn da nur nicht die Einreise wäre.