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Kolumne Leipziger Familie und GedönsNeuer Wein in alten Schläuchen

Kolumne
von Nadja Mitzkat

Ehe für alle, alles gut? Bislang wurden 16 Paare in Leipzig vor dem Altar getraut. Trotzdem ist es wie die klassische Ehe ein Bund der Ungleichheit.

Auch die Ehe für alle führt die strukturelle Ungleichheit zwischen den Partnern weiter Foto: dpa

D er Jahreswechsel naht, da neigt frau zum Blick zurück. Was ist die größte emanzipatorische Leistung des Jahres? Neben der #MeToo-Debatte sicherlich die „Ehe für alle“.

Während über #MeToo und seine Folgen kontrovers diskutiert wurde, schienen bei der Ausweitung der Ehe auf Mann-Mann- und Frau-Frau-Beziehungen alle einig: Endlich, seufzten unisono Feuilletonisten und Parteimitglieder, erkennt Vater Staat die gesellschaftliche Realität an.

In Leipzig traten am 6. Oktober als Erste ein Mann und seine Transfrau vor den Altar. Ihnen folgten bisher 15 weitere Paare. Sie alle dürfen sich nun ganz offiziell Ehepartner nennen und haben das Recht, Kinder zu adoptieren.

Damit steht der Traum von der bürgerlich-romantischen Familie nun allen offen. Als Feministin muss man das gut finden. Oder?

Nein. Die Ehe ist ein Verbund, der auf der vermeintlich „natürlichen“ Ungleichheit zwischen Männern und Frauen basiert. Historisch betrachtet diente sie der Kirche als Kontrollinstrument über die Sexualität. Kinder sollten nur innerhalb dieses Rahmens zur Welt kommen. Den Ehepartnern wurden dabei unterschiedliche Bereiche zugewiesen – den Frauen das Heim und die Familie, den Männern der öffentliche Raum.

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Dieser Grundgedanke scheint überholt und wirkt doch bis heute fort: Das Ehegattensplitting belohnt eine möglichst ungleiche Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen. Auch im Jahr 2017 arbeiteten die meisten Frauen in Teilzeit und leisteten nebenher das Gros der Haus- und Familienarbeit. Und die unter dem Hashtag #MeToo geschilderten Erlebnisse zeigen: In den Machtpositionen im öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Raum sitzen nach wie vor Männer.

Die Ehe für alle bedeutet, neuen Wein in alte Schläuche zu füllen. Es wird Zeit für neue Formen der gleichberechtigten Partnerschaft – und zwar für alle!

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8 Kommentare

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  • Lesben und Schwule haben sich eben auch das Recht erkämpft, *nicht* zu heiraten. Es geht darum, eine Wahl zu haben. Jetzt zu erwarten, dass sie die Standesämter stürmen, ist absurd. Sie werden der Ehe genauso aufgeschlosssen oder skeptisch gegenüberstehen, wie der Rest der Gesellschaft auch.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Diesen Text finde ich gut, danke.

  • "Das Ehegattensplitting belohnt eine möglichst ungleiche Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen."

    Dieser Satz ist so absurd falsch, das tut schon weh.

     

    Steuerkunde für Anfänger:

    "Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt die tarifliche Einkommensteuer vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c EStG das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommen nach Absatz 1 ergibt (Splitting-Verfahren)."

     

    Schwer zu verstehen? Eigentlich ist es ganz einfach:

    Egal, wie sich das Einkommen in einer Ehe aufteilt, die Steuer für das gemeinsame Einkommen ist am Ende immer die selbe.

    Wenn einer der beiden 120k im Jahr verdient, und der andere 0, dann wird die Steuer ganz exakt genau so ermittelt, als würden beide 60k verdienen.

    Und wenn beide 60k verdienen, dann auch.

    Und wenn einer 90k und einer 30k verdient, dann ebenso.

     

    Es werden also mitnichten ungleiche Einkommensverhältnisse begünstigt. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Es wird darauf verzichtet, es zu bestrafen, wenn einer von beiden weniger verdient als der andere.

     

    Mal in Zahlen, Vergleich ohne und mit Ehegattensplitting, Zahlen für 2018.

    Wenn die Eheleute gemeinsam 120.000€ im Jahr verdienen:

    Mit Splitting (egal wie die Aufteilung ist):

    22568,56 € ESt + Soli; 18,8%

    Ohne Splitting, wenn beide gleichviel verdienen:

    22568,56 € ESt + Soli; 18,8%

    Ohne Splitting, wenn einer alleine verdient:

    34979,58 € ESt + Soli; 18,8%

    Je weiter die Schere auseinander klafft, desto mehr "Strafsteuern" müssten bezahlt werden.

     

    Bei nur 60k im Jahr sieht es noch schlimmer aus, da reicht die Schere von 4939,20 € (8,2%) bis 11284,28 € (18,8%). Mehr als eine Verdoppelung.

     

    Damit ist auch eindeutig klar, wieso manche das Splitting ablehnen: Es fördert Partnerschaften aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Manche, die sich "Feministen" nennen, mögen so etwas gar nicht.

    • @kleinalex:

      @kleinalex. Danke kleinalex für die klaren Worte - auch wenn sie bei Hannibal Corpse nicht fruchten. Logik trifft auf Ideologie - das alte Dilemma.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @kleinalex:

      Ich würde mich verbal nicht so weit raushängen, wo ist ihre Berechnungsgrundlage und die Logik?

      Vielleicht tut es Ihnen aus anderen Gründen weh?

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @kleinalex:

      ''Je weiter die Schere auseinander klafft, desto mehr "Strafsteuern" müssten bezahlt werden.

      [...]

      Es fördert Partnerschaften aus unterschiedlichen sozialen Schichten.''

       

      Das widerspricht sich völlig.

      Sie rechnen das aber auch schön:

       

      Nehmen wir einen Menschen mit 60.000 Euro Jahreseinkommen. Unverheiratet würde er 19.148,98 Euro Steuern zahlen, das sind knapp 32%.

       

      Verdient die Partner*in gar nichts, dann zahlen sie zusammen ''das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommen [...] ergibt'', also für im Schnitt 30.000 Euro nur 2 x 6.204,76 = 12.409,52 Euro, knapp 21 Prozent also.

       

      Verdient die Partner*in die Hälfte, also 30.000 Euro zusätzlich, dann ergibt sich für im Schnitt 45.000 Euro ein Steuersatz von 2 x 12.146,16 = 24.292,32 Euro, das sind gute 27%.

       

      Verdienen beide Partner gleich viel, dann werden für insgesamt 120.000 Euro 2 x 19.148,98 = 38297,96 Euro, was 32% entspricht, also genauso viel, wie wenn sie jeweils einzeln Steuern zahlen müßten.

       

      Also zusammengefaßt ist die Behauptung aus dem Text richtig:

      "Das Ehegattensplitting belohnt eine möglichst ungleiche Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen."

       

      Mann 60.00 Euro, Frau gar nichts: 21% Steuern.

      Mann 60.00 Euro, Frau 30.000 Euro: 27% Steuern.

      Beide jeweils 60.00 Euro: 32% Steuern.

       

      Quelle: //http://www.grundtabelle.de/Grundtabelle-2017.pdf

       

      Sie haben fast recht wenn sie schreiben, das Splitting belohne Partnerschaften aus unterschiedlichen Schichten. Das ist nur für Ehen der Fall, aber eben nicht für Partnerschaften generell!

      Splitting belohnt aber eben auch, wenn einer der Partner nur Teilzeit arbeitet und dazu die klassische Mutterrolle übernimmt.

       

      Das bedeutet einen Nachteil für geringerverdienende Ehen: Sie zahlen ebenso viel, als wären sie einzeln besteuert, bei jeweils 30.000 Euro also 21%. Würde ein Paar mit 60.000 und 30.000 Euro einzeln besteuert, wären 25.353,74 Euro fällig 1.061,42 mehr als mit Splitting.

       

      Wer hat, dem werde gegeben!?

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @85198 (Profil gelöscht):

        ''Mann 60.00 Euro, Frau gar nichts: 21% Steuern.

        Mann 60.00 Euro, Frau 30.000 Euro: 27% Steuern.

        Beide jeweils 60.00 Euro: 32% Steuern.''

         

        Sorry, da ist bei den '60.00' eine Null verloren gegangen, es sind natürlich wie wie oben auch 60.000 Euro gemeint.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @85198 (Profil gelöscht):

          Ihre Berechnungsgrundlage hätte ich gern gesehen. Ich habe ja den Soli nicht herausgerechnet. Darüber will ich mich nicht streiten. Denn auch das ändert nichts am Problem.

           

          Das Problem ist, dass sie so tun, als wären mit der Heirat zwei Menschen zu einem verschmolzen.

           

          Ich mache es noch einmal mit ihren Zahlen vor:

          Wenn einer alleine 120.000 Euro verdient, zahlt er 34979,58 € ESt.

          Heiratet er eine Hausfrau, die gar kein Einkommen hat, fällt sein Steueraufkommen auf 22568,56 € ESt.

          Würde er eine Frau heiraten, die genauso viel verdiente, dann würde er keine 12.411 Euro sparen.

           

          Der Satz aus dem Text bleibt immer noch wahr:

          "Das Ehegattensplitting belohnt eine möglichst ungleiche Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen."

           

          Es ist einfach nicht legitim, die Ehen mit gleichem Einkommen untereinander zu vergleichen und dann zu schlußfolgern, dass alle Menschen gleich behandelt werden.

          Gerechtigkeitsgrundlage sind Individuen, nicht Ehen oder andere Vergsellschaftungsformen.

           

          Es werden gutverdienende Männer belohnt, wenn sie sich eine Hausfrau anheiraten.

          Benachteilgt werden Männer, deren Frau Vollzeit arbeiten geht.

           

          Auch von Frauenseite liegt eine Bevorteilung vor, wenn frau einen gutverdienenden Ehepartner hat und wenig oder gar nicht arbeitet.

          Benachteiligt werden Frauen, die Vollzeit arbeiten gehen, wenn der Mann gleich viel oder mehr verdient.

           

          Warum sollte es gefördert werden, wenn gutverdienende Männer mit schlechtverdienenden Frauen verheiratet sind? Das sind Steuergeschenke für Reiche.

           

          Warum sollte es überhaupt steuerlich gefördert werden, wenn Menschen verheiratet sind?

          Das Argument ist ja, dass der Staat an der sozialen Sicherung spart. Das führt aber zur Abhängigkeit der gar nichts oder nur wenig verdienenden Frauen von ihren Partnern und ist nur eine Entschuldigung für die fehlende soziale Sicherung in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens und einer solidarischen Gesundheits-, Pflege- und Altersvorsorge.