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Kommentar Streit in der LinksparteiDer Kampf geht weiter

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Partei- und Fraktionschefs haben einen halbgaren „Kompromiss“ geschlossen. Der Machtkampf geht weiter. Ganz im Sinne der „Reformer“.

Virtuoser Strippenzieher: Linkspartei-Fraktionschef Dietmar Bartsch Foto: dpa

W as für ein peinliches Schauspiel führt die Linkspartei in diesen Tagen auf! Die Klausurtagung ihrer Bundestagsfraktion bildete den vorläufigen Höhepunkt einer Schlammschlacht, die seit der Bundestagswahl mit unglaublicher Brutalität ausgetragen wird. Von wüsten Beschimpfungen über Mobbingvorwürfe bis hin zu skurrilen Rücktrittsdrohungen: Statt als kämpferische linke Opposition präsentiert sich die Partei gegenwärtig als wilder Intrigantenstadl, in dem jedes Mittel zur Bekämpfung des innerparteilichen Gegners probat scheint.

Die gegenseitig geschlagenen Wunden sind tief. Es wäre naiv, zu glauben, dass nach dem halbgaren „Kompromiss“ zwischen den Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch auf der einen und den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger auf der anderen Seite nun der Streit beigelegt wäre. Wer den grimmigen Auftritt Wagenknechts nach ihrer Wiederwahl gesehen hat, dem dürfte klar sein: Der Kampf geht weiter.

Was diese Kontroverse so selbstzerstörerisch macht: Auch wenn es auf den ersten Blick anders erscheinen mag, geht es realiter nicht um Inhalte. Auch nicht um die tatsächlich bestehenden Differenzen in der Flüchtlings- und Integrationspolitik oder beim Thema Europa. Ginge es nur darum, dann könnte der Streit rationaler und mit weniger Verletzungen ausgetragen werden – und die innerparteilichen Frontstellungen würden anders aussehen. Denn dann bekäme das Bündnis der „Wagenknechtianer“ mit den „Bartschisten“ schnell Brüche.

Doch obwohl der sogenannte Reformerflügel dem Parteizen­trum um Riexinger und Kipping eigentlich inhaltlich wesentlich näher steht, hat er sich dafür entschieden, lieber im Windschatten der Tradi­tionslinken um Wagenknecht zu segeln – bis hin zur politischen Selbstverleugnung. Anstatt in die inhaltliche Auseinandersetzung zu gehen, reibt sich die Parteirechte die Hände: Während sich das Wagenknechtlager und das undogmatisch linke Parteizentrum um Riexinger und Kipping zerfleischen, sichern Dietmar Bartsch & Co. ihre Pfründe.

Gerade die „Reformer“ hätten nach der Bundestagswahl viel aufzuarbeiten. Ihr „realpolitisches“ Politikkonzept steckt offenkundig in einer tiefen Krise, wie die dramatischen Verluste in ihren Osthochburgen zeigen. Wer sich den trostlosen Zustand der Linkspartei in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern anschaut, sieht dabei schnell, dass das größte Problem nicht gerade ihre progressive Position in der Flüchtlingsfrage sein dürfte.

Ausgerechnet in ihren Stammländern – also dort, wo sie sich lange als „Volkspartei“ fühlen durfte – wirkt die Partei vielfach ausgebrannt und ideenlos. Im negativen Sinne ist sie inzwischen längst Teil des etablierten Politikbetriebs. Aufrührerischen Geist, Lust auf gesellschaftliche Veränderung sucht man vergebens. Da erscheint es fast zwangsläufig, wenn sich dort der Protest gegen als ungerecht empfundene Verhältnisse nicht mehr in einer Stimmabgabe für die Linkspartei artikuliert.

Diskussionen darüber wären sinnvoller als unproduktive Machtkämpfe. Im Interesse von Bartsch und seinem Anhang wäre das allerdings nicht, sind sie doch maßgeblicher Teil des Problems.

Es ist erstaunlich: Ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit werden immer noch fast alle Ost-Landesverbände – mit Ausnahme Thüringens – von früheren SED-Mitgliedern geführt. Auch Dietmar Bartsch steht für jene Garde einstiger realsozialistischer Nachwuchskader, die nach der Wende als vermeintliche „Reformer“ in der PDS ihre politische Karriere fortsetzten.

Tatsächlich jedoch waren und sind sie vor allem virtuose Strippenzieher und Machtapparatschiks. Das mag zwar für Ministerämter im Osten oder gar eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl im Huckepackverfahren reichen. Für eine attraktive Linke reicht das jedoch nicht.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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12 Kommentare

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  • Inne Polletick:

     

    Die Steigerung von "Feind" lautet:

    Feind-Todfeind-Patrteifreund!

     

    Denn so is Polletick!

    ...

  • Info.-Empfehlung

     

    Wider die Globalisierung des Egoismus

     

    Linkspartei. Hinter dem Streit um die Fraktionsspitze verbirgt sich die viel größere Frage nach einer Vision für die gerechte Internationalisierung. Die Antwort steht aus.

     

    Von Jakob Augstein | Ausgabe 42/2017

     

    »Oskar Lafontaine hatte recht, als er nach der Wahl den Sack aufmachte und die Zuwanderung mit der sozialen Frage verknüpfte. Man dürfe, sagte er, „die Lasten der Zuwanderung über verschärfte Konkurrenz im Niedriglohnsektor, steigende Mieten in Stadtteilen mit preiswertem Wohnraum und zunehmende Schwierigkeiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit mangelnden Sprachkenntnissen nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen sind“.

     

    Das ist eine Binsenweisheit, die die Wähler der Linken besser verstehen als die Funktionäre. {...}

     

    Es entspricht dem Wesen der Linken, sich gegen die Globalisierung des Egoismus zu stellen. Aber gleichzeitig darf sie sich nicht damit abfinden, dass eine solidarische Gesellschaft den Preis der Abschottung und Ausgrenzung kostet. Hinter dem Streit um die Fraktionsspitze verbirgt sich die viel größere Frage nach einer Vision für die gerechte Internationalisierung. Die Antwort steht aus.«

     

    Vgl.: https://www.freitag.de/autoren/jaugstein/wider-die-globalisierung-des-egoismus

  • "Für eine attraktive Linke reicht das jedoch nicht."

    Für eine attraktive Linke reicht doch die Sahra Wagenknecht. Frau Dr. Wagenknecht ist nicht nur äußerlich sehr attraktive sondern sie ist auch eben sehr intelligent Wortgewand und besitzt ein Intellekt, von dem manche in dieser Republik nur träumen können. Also wenn Sie Ihre Augen offen halten, dann würden Sie die attraktive Linke sofort erkennen.

  • "Es ist erstaunlich: Ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit werden immer noch fast alle Ost-Landesverbände – mit Ausnahme Thüringens – von früheren SED-Mitgliedern geführt. Auch Dietmar Bartsch steht für jene Garde einstiger realsozialistischer Nachwuchskader, die nach der Wende als vermeintliche „Reformer“ in der PDS ihre politische Karriere fortsetzten."

    Das stimmt aber erstaunlich ist es auch, dass der Autor des Artikels hier (Jahrgang 1966) nicht einmal in die Versuchung kommt, zu erwähnen, wie viele NAZI nach 1945 im Westen von Deutschland karriere gemacht haben,sogar bis zum Ministerpräsident geschafft haben oder die Blockparteien aus dem Osten nach der Wende unbehelligt weiter an ihrer Berufslaufbahn arbeiten konnten.

    • @Anna Deiport:

      Warum sollte er die West-Alt-Nazis erwähnen? Was haben die mit dem Niedergang der 'Linken' zu tun? Viel mehr aber solche Reflexe, die Probleme nicht austragen sondern tabuisieren wollen.

  • Jetzt darf er sich stellvertretend für Anna Lehmann an Sahra Wagenknecht abarbeiten. Erstaunlich ist nur, Wieviele von Sorte "Lehmann" bei TAZ arbeiten.

  • Leider wahr.

  • Es kommt einem der Gedanke, dass vor allem die Vertreter aus den Ost-Ländern der Machtverlust im Bundestag umtreibt. Immerhin gelang es der Partei ja vor allem in den alten Ländern zuzulegen, was die Bundestagssitze aus dem Westen erhöht hat - zulasten der Ex-DDR. Man erinnere sich, vor wenigen Jahren wurde in den Medien von einem West- (Radikale) Ost- (Realos) Konflikt gesprochen. Grotesk erscheint, dass Frau Wagenknecht als Vertreterin der radikalen Linke gilt - gottbehüte, glücklicherweise endet Links sein nicht bei dieser Partei. Es bahnt sich dort die Verlaufsform an, wie einst bei den Grünen und die sind als Tiger gesprungen und landen jetzt als Bettvorleger für CDU/CSU und FDP....

  • Meine Betrachtung:

    Egal ob rechte oder linke Ränder des politischen Spektrums:

    Je weiter außenstehend, desto engstirniger sind die handelnden Protagonisten. Nicht das Große Ganze oder Inhalte im Zentrum des Tuns und hier auf der Such nach einer handhabbaren LInie, sondern rechthaberisch und nicht kompromissbereit.

     

    Daher kann man stets abraten derlei Truppen zu unterstützen.

    Solange es halbwegs läuft in einer Gesellschaft werden das immer Randerscheinungen bleiben die sich mit sich selbst beschäftigen. Insofern: Gut gemacht Linke; so bleibt ihr eine Randerscheinung und ich bin ein großer Fan von euch.

    • @Tom Farmer:

      Die „gute“ alte Ränder-, auch Extremismustheorie geschimpft, zum hunderttausendsten Male aufgewärmt. Linksradikale gleich … ja, die alte Mär.

       

      Ich bin alt genug mich an das „engstirnige“, zum Teil „rechthaberische“ Handeln in Parteien der sog. „Mitte“ zu erinnern.

       

      Konservative haben parteiintern zu keiner Zeit eine Beißhemmung gehabt, wenn der Spitzenmann (oder demnächst Mal) –frau nicht mehr die für selbstverständlich gehaltenen Wahlprozente einfährt.

       

      Leute wie Barzel in der CDU der 70er, Bernhard Vogel in Rh.-Pfalz sind Opfer von Unionsintrigen. Letzterem wurden gar (damals noch ein No-Go & Karriere-KO-Kriterium) von fiesen Partei“freunden“ junge Kerle gerüchteweise angedichtet, die „ein- und ausgingen im Vögeleinhaus“), Streibl, Huber, Beckstein sind in der CSU auf der Strecke geblieben.

       

      In der SPD braucht man nur an „Onkel Herbert“ erinnern und seine Intrige gegenüber Willy Brandt, der ja „gerne lau badet“. In den Neunzigern wurde Scharping abserviert und Kurt Beck kaut heute noch an der Art und Weise, wie er gemeuchelt wurde.

       

      FDP… naja, Erich „Ritterkreuz“ Mende war irgendwann auf mal fällig, als Scheel auf „sozialliberal“ statt „nationalliberal“ machte. Bei Genschers doppelzüngigem Rübermachen 1982 von Schmidt zu Kohl wurde die gesamte sozialliberale Resterampe weggemobbt (Andreas von Schöler, Verheugen, Matthäus). Guido Westerwelle und der laufende „Altherrenwitz“ Rainer Brüderle wurden dagegen ja fast sanft abgeräumt.

       

      Bei den Grünen, wie wir wissen, ging´s da eher auf offener Bühne zur Sache und da flogen ja auch schon mal rote Farbbeutel auf Außenminister.

       

      Ja, die Ränder…

      • @esgehtauchanders:

        Sie haben ein anderes Thema aufgerufen als ich! Ich schrieb von personelle Organisation vs. Inhalten; sie allein von Personalreue.

         

        Dennoch meine Einschätzung:

        Ein Ritt durch 50 Jahre Politik oder wie und nur die Beispiele aus der zweiten Reihe! Klar, aus der ersten gabs nämlich keine?

         

        Wenn die Linke in der jetzigen Verfassung überhaupt so alt wird.

         

        Nein, ich widerspreche Ihnen . Die Nibelungentreue der etablierten Parteien an ihren Vorsitzenden (egal ob Fraktion, Partei oder Regierung) ist doch das Hauptproblem der Standardparteien. Bis zur Abwahl darf gevorsitzt werden, Egal ob Kohl, Schröder oder Merkel.

        Da kommen aus besagten Gründen die Linken gar nicht erst hin; Stichwort personeller und inhaltlicher Hühnerhaufen.

        • @Tom Farmer:

          Ansichtssache. Historisch betrachtet war der FDP-Konflikt Scheel-Mende richtungsweisend für die Möglichkeit einer SPD-geführten Bundesregierung ab 1969. „Mehr-Demokratie-wagen“ hätte es ohne diesen Richtungswechsel nicht gegeben. Wohl kaum „zweite Reihe-Thema“

           

          Die Abservierung von Barzel war das Eingeständnis, dass die kalte-Kriegs-Anti-Ostpolitik der CDU ein Riesenselbstbetrug und damit gescheitert war. Das war „das“ zentrale außenpolitische Kampffeld der Jahre um 1972. Zweite Reihe?

           

          Der Konflikt Wehner-Brandt war der entscheidende, der den Abgang von Brandt bewirkte. Brandt war in Depressionen verfallen in 1973. Heinz Klunckers ÖTV (Vorgänger von verdi) forderte mal eben 15 (!) % Gehaltszuwachs in der Tarifrunde 1974. Die Diskussion um „politische Streiks“ stand im Raum. Wehner wollte Schmidt am Ruder haben als „Macher“ und Pragmatiker. Der Fall Guillaume war eher Zufall und diente nur dazu das Fass überlaufen zu lassen. Auch hier alles andere als „zweite Reihe“ Der Wechsel Brandt-Schmidt war richtungsweisend für die SPD-Wirtschaftspolitik der 70er Jahre.

           

          Und die Grünen … das Thema Jugoslawienkrieg und Fischers Rede auf der Bielefelder Bundesdeligiertenversammlung hängt ihnen friedenspolitisch bis heute in den Klamotten. Glaubwürdigkeit vs. "staatstragend" bzw. „regierungsfähig“ (so wie BILD und FAZ sie definieren).

           

          Das sind inhaltliche Konflikte gewesen stets mit politischen Akteuren verknüpft.