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Martin Schulz im taz-Interview„Die SPD ist keine Männertruppe“

Der SPD-Kandidat Martin Schulz spricht über seine Partei, Frauen und die Agenda 2010. Und: Wieso Merkel gut nach Köln passen würde.

„Ich kämpfe bis zum 24. September, 18 Uhr“ Foto: Bernd Hartung

Frühstück mit dem SPD-Kanzlerkandidaten. Das Hotel Vila Vita Rosenpark in Marburg, samtige Polstersessel, dicker Teppich, eine Fototapete mit Bücherwand-Motiv. Martin Schulz, 61, lässt sich in einen Sessel sacken, bestellt Kaffee, Rührei mit Schinken und zeigt auf die Bücherwand. Eine solche sei auf dem Buchcover von Dietrich Schwanitz zu sehen. Stimmt, „Bildung. Alles, was man wissen muss“, ein Kanon im Taschenbuchformat. Schulz liebt Literatur, er liest auch nach 16-Stunden-Tagen im Wahlkampf noch ein paar Seiten. Mitten im Interview zieht er sein Smartphone aus der Tasche. Eine SMS von Merkel? Brennt ’s im SPD-Vorstand? Nein, seine Frau Inge schickt ein Foto. Ein Hibiskus hat sich im Garten selbst ausgesät. Schulz lächelt.

taz: Herr Schulz, was hat Ihnen Ihre Frau geraten, bevor Sie Kanzlerkandidat der SPD wurden?

Martin Schulz: Sigmar Gabriel und ich haben uns im Januar in Montabaur getroffen, um über die Aufteilung der Aufgaben in der SPD zu reden. Meine Frau und ich führten vorher ein sehr ernstes und langes Gespräch. Sie sagte: Prüfe dich. Mach es nur, wenn du ohne Zweifel bist.

Haben Sie die Entscheidung schon mal bereut?

Nein, keine Sekunde. Es war richtig, den SPD-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur zu übernehmen. Ich bin mit mir im Reinen.

Echt jetzt? Sie stehen mit dem Rücken zu Wand.

Ich habe eine andere Wahrnehmung. Hinter mir steht eine unglaublich geschlossene Partei. Knapp die Hälfte der Leute hat noch nicht entschieden, wen sie wählt. Die Sache ist offen. Ich bin ein Kämpfer.

Ihre Frau und Sie sind seit mehr als 30 Jahren verheiratet. Ist sie Ihre politische Ratgeberin?

Meine Frau weiß sehr genau, was die Leute umtreibt. Wir leben in Würselen, dort betrieb meine Frau lange ein Planungsbüro für Landschaftsarchitekten. Sie spricht mit Nachbarn, meine Geschwister leben in der Nähe, mein Bruder hat dort seine Arztpraxis. Das ist mein Anker im normalen Leben.

Journalisten lästern über Ihre Glatze, das Brillengestell, die Anzüge, die nicht maßgeschneidert seien. Solche Kritik trifft oft Frauen. Kränkt Sie das?

Nee, das lässt mich kalt. Das sind wenige Journalisten, die sich als Elite sehen, an Inhalten kein Interesse haben und lieber über Äußerlichkeiten schreiben. Interessanter intellektueller Anspruch, übrigens.

Im Interview: Martin Schulz

geb. 1955, war bei der vergangenen Bundestagswahl Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten und glückloser Herausforderer von Amtsinhaberin Angela Merkel. Derzeit ist er einfaches Mitglied der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Von 2012 bis 2017 übte er das Amt des Präsidenten des Europäischen Parlaments in Brüssel und Straßburg aus.

Der Spiegel sagt Ihnen den „Glamour eines Eisenbahnschaffners“ nach. Die Botschaft ist: Sie sind zu gewöhnlich fürs Kanzleramt.

Heute heißen die Schaffner Zugbegleiter, das hat der Spiegel leider noch nicht mitbekommen. Im Ernst: Solche Sätze drücken doch vor allem Verachtung für normale Leute aus. Zugbegleiter sind anständige Menschen. Diese Haltung, wir hier oben, ihr da unten, die regt mich auf. Ich komme aus gewöhnlichen Verhältnissen.

Ihr Vater war Polizist und stammte aus einer Bergbaufamilie.

Er arbeitete im Schichtdienst. Am Wochenende hat er als Musiker mit der Feuerwehrkapelle im Bierzelt gespielt, um das Schulgeld und Schulbücher für seine fünf Kinder bezahlen zu können. Mein Vater sah mit 70 jünger aus als mit 60.

Eine Langzeitstudie, die der SPD-Vorstand in Auftrag gab, lieferte interessante Ergebnisse über die SPD und ihren Erfolg bei Frauen: Sie schöpfe ihr Potential bei Wählerinnen nicht aus, jene verbänden kein erkennbares Thema mit ihr.

Mag sein, dass wir unsere Ideen manchmal nicht gut genug vermitteln. Aber kein erkennbares Thema? Die SPD kämpft für die Familienarbeitszeit. Wenn beide Elternteile ihre Arbeitszeit zwei Jahre lang reduzieren, um ihre Kinder zu betreuen, sollen sie 300 Euro pro Monat bekommen. Wir wollen ein Rückkehrrecht auf Vollzeitstellen. Und wir treiben den Kitaausbau voran. Die SPD tut viel für Frauen.

Die SPD wirkt wie eine männliche, teils machohafte Partei, der Führungsstil Ihrer Vorgänger war autoritär. Ist das ein Problem?

Ich teile ihre Einschätzung nicht. Die SPD ist keine Männertruppe. Wir haben mehr Ministerinnen als Minister im Kabinett. Dazu jede Menge Staatssekretärinnen und Ministerpräsidentinnen in wichtigen Bundesländern. Andrea Nahles, Manuela Schwesig oder Malu Dreyer sind starke Politikerinnen.

Den Wahlkampf prägen Sie, Sigmar Gabriel und Hubertus Heil. Das wirkt nicht sehr modern.

Als erste, große Aufschläge meiner Kampagne hatte ich drei Themen geplant. Das Arbeitslosengeld Q – dafür steht Andrea Nahles. Die Familienarbeitszeit – die hat Manuela Schwesig erfunden. Und Bildungspolitik – die hätte ich gerne mit Malu Dreyer vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl präsentiert. Mit allen drei Frauen wollte ich einen großen Auftritt.

Aber Hannelore Kraft wollte vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen nicht, dass Sie Bildung im Bund hochziehen. Weil sie fürchtete, dass ihr dann Fehler in der NRW-Schulpolitik um die Ohren fliegen.

Ich habe dann unser Bildungskonzept etwas später gemeinsam mit allen Ministerpräsidentinnen und –präsidenten vorgestellt.

Sehr viele Ortsvereinschefs sind ältere Männer. Diese Basiskultur wirkt für junge Frauen nicht gerade interessant, oder?

Eine SMS von Merkel? Foto: Bernd Hartung

In die SPD sind seit meiner Nominierung 23.000 neue Mitglieder eingetreten. Fast die Hälfte ist jünger als 35. Schauen Sie sich die Jusos an, da sind unglaublich viele kluge und engagierte Frauen. Johanna Uekermann ist nicht allein. Ich bestreite nicht, dass wir das eine oder andere strukturelle Problem haben. Aber da ist viel in Bewegung.

Machen Frauen anders Politik als Männer?

Frauen haben einen anderen Politikstil als Männer. Rationaler, planvoller, nicht so emotional.

Wirklich? Jetzt stellen Sie aber das Rollenklischee auf den Kopf.

Sie fragen mich ja nach meinen Erfahrungen. Ich erlebe die Frauen in der SPD-Führung so. Sie sind genauso machtbewusst wie die Männer, setzen ihre Punkte aber kühler durch. Sie sind innerlich ruhiger. Diese Sicht, so, das ist eine Versuchsanordnung, und wir gehen mal Fall A, B und C durch – die kenne ich nicht nur von Merkel. Manche Männer kommen damit schwer klar, weil sie denken, was die da macht, passt gar nicht zu einer Frau.

Macht es Ihre Kandidatur schwieriger, dass Sie als Mann eine Frau angreifen müssen?

Das ist schwer zu sagen. Ich attackiere meine Mitbewerber ja grundsätzlich nicht persönlich, mache lieber mal einen ironischen Spruch. Da merkt man mir meine Erziehung als Jesuitenschüler an. Fortiter in re, suaviter in modo, stark in der Sache, sanft in der Methode. Ich beobachte aber, dass mir Journalisten oft vorhalten, ich hätte Merkel persönlich angegriffen – dabei hatte ich nur sachlich Kritik vorgetragen. Politischer Streit mit einer Frau wird offenbar anders interpretiert.

Wenn ein Mann eine Frau angreift wirkt das böser?

Mag sein. Merkel hat ja einen Nimbus entwickelt. Freundlich, authentisch und unprätentiös. Aber die Art und Weise, wie sie ihre Positionen revidiert, ist gnadenlos opportunistisch. Nehmen Sie ihren Auftritt beim TV-Duell. Als ich forderte, die EU müsse die Beitrittsverhandlungen mit Erdoğans Türkei abbrechen, hat sie in ein paar Minuten ihre Haltung angepasst. Wahnsinn.

Merkel hat neulich erklärt, sie könne sich vorstellen, das nächste Kabinett zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. Das haben Sie schon vor sechs Monaten angekündigt. Wie fühlt es sich an, gegen Watte zu kämpfen?

„Schwarz-Gelb war die schlechteste Regierung in der Geschichte der Republik“ Foto: Bernd Hartung

Ich wundere mich eher. Sie sagen, ich kämpfe gegen Watte. Mir würden dazu weniger freundliche Begriffe einfallen. In Frankreich käme Merkel nach so einer Nummer in die mediale Frikassiermaschine. In Deutschland wird eher darüber geschrieben, welch schlauer Schachzug der Kanzlerin das wieder gewesen sei.

Die Medien sind schuld?

Nein. Aber es gibt eine bestimmte Neigung des deutschen Hauptstadtjournalismus zur Entpolitisierung. Das kenne ich anders. Selbst in Brüssel werden die, die hohe Funktionen inne haben, härter rangenommen als in Berlin.

Woher kommt die Neigung zu Merkel? Ist sie so erfolgreich, weil die Deutschen das Mittige mögen?

Ganz offensichtlich finden viele Deutsche Merkels Politikstil attraktiv. Bei ihr gibt es keine Zumutungen – aber eben auch keine klaren Positionen.

Merkel ist aber auch im gegnerischen Lager beliebt – bei Linkspartei-Wählern im Osten, bei Grünen-Wählern sowieso.

Frau Merkel ist eine professionell präsentierte Marke. Sie verkauft sich eben gut. Eigentlich würde sie wunderbar nach Köln passen. Dort sagt man: Et es, wie et es. Et kütt, wie et kütt. Et hätt noch immer jot jejange. Das kann man sympathisch finden. Aber das reicht halt nicht, um die Zukunft des Landes zu gestalten.

Offenbar sehen viele auch keine echte Differenz zwischen Ihnen und Merkel. Die SPD hat keine einzige Forderung im Angebot, bei der klar ist, dass die Union auf keinen Fall mitmacht.

Doch. Richtig ist: Frau Merkel vermittelt den Eindruck, für sie sei jede inhaltliche Position nur eine taktische Frage. Denken Sie an den Zickzackkurs in Sachen Atom unter Schwarz-Gelb. Oder daran, dass die jetzt so tut, als habe sie den Mindestlohn erfunden, den wir gegen ihren Widerstand durchgesetzt haben. Aber dass die Union die Bürgerversicherung und unser Renten- und Bildungskonzept je übernehmen wird, kann ich mir nicht vorstellen. Wollen Sie wissen, was meine Frau zu diesem Thema denkt?

Natürlich.

Zu gewöhnlich fürs Kanzleramt? Foto: Bernd Hartung

Meine Frau hat mir gesagt: „Die Leute wollen in Ruhe gelassen werden. Und du beunruhigst sie.“ Darüber haben wir gestritten. Denn ich glaube: Auch wenn die politische Mitte sediert ist, müssen wir unsere Themen vertreten und für Veränderung werben.

Sie haben kein Abitur und kein Studium. Hatten Sie deswegen Nachteile?

Als Autodidakt hatte ich es anfangs schwieriger in der Politik. Ich war ehrenamtlicher Bürgermeister und musste komplexe Rechtsfragen bearbeiten. Kommunalpolitik ist enorm verrechtlicht. Klar fällt das leichter, wenn man Jura studiert hat. In einer akademischen Ausbildung lernt man, sich einen systemischen Zugang zu Materie zu verschaffen. Diese Fähigkeit musste ich mir selbst aneignen.

Das Handelsblatt hat sinngemäß geschrieben: Wer kein Abi hat, kann kein Kanzler werden. Was haben Sie gedacht, als Sie das lasen?

Ich dachte, da fehlt noch was: „… und erst recht nicht Kanzler werden, wenn er Sozialdemokrat ist.“ Das ist die Anmaßung von Möchtegerneliten, die für sich reklamieren, dass das Land ihnen gehört. Gegen die kämpfen Sozialdemokraten seit 154 Jahren.

Herr Schulz, muss die SPD linker werden?

Wir sind eine linke Partei.

Warum haben Sie sich dann nicht hart von der Agendapolitik distanziert?

Ich habe versucht das innere Schisma der SPD zu beenden und die Partei zu befrieden. Mit einer vorsichtigen Änderung bei der Agenda 2010, dem Arbeitslosengeld Q. Dadurch bekommen Leute, die sich weiterbilden, länger Geld. Das hat ein großes Echo ausgelöst. Viele Sozialdemokraten, die uns die Agenda übel genommen hatten, sind zurückgekehrt.

Wieso so zaghaft? Die Agenda 2010 war für viele SPD-Sympathisanten der entscheidende Verrat.

Schulz: Auch nach 16-Stunden-Tagen im Wahlkampf noch Zeit für Literatur Foto: Bernd Hartung

Weil es mir nicht um die Diskussionen der Vergangenheit geht. Ich halte nichts von dieser retrospektiven Selbstbespiegelung. Und: Mir ging es darum, die SPD mit sich selbst zu versöhnen. Ich glaube, das ist auch gut gelungen. Zur Erinnerung: Im Januar lag die SPD in Umfragen bei 19 Prozent. Die Gefahr war, dass die AfD uns überholt. Ich bin im fliegenden Wechsel im Februar an den Start gegangen und habe den Auftrag, diese Partei als relevante Kraft zu erhalten. Dazu gehört eine integrativer Führungsstil.

2013 hatte die SPD mit dem Mindestlohn ein Thema, das für alle verständlich soziale Gerechtigkeit symbolisierte. Das fehlt Ihnen heute.

Nein, das stimmt nicht. Die Bürgerversicherung ist eine klare soziale Forderung. Wer in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, muss genauso gut versorgt werden wie ein Privatversicherter. Die Rückkehr zur Parität würde bedeuten, dass Millionen gesetzlich Versicherte sofort entlastet würden, weil die Arbeitgeber wieder die Hälfte der Beiträge zahlen würde. Und die nationale Bildungsallianz, die ich anstreben, ist ein eminent soziales Thema.

In Deutschland bestimmt die Herkunft über die Bildung. 77 Prozent der Kinder von Akademikern gehen auf eine Universität, aber nur 23 Prozent der Kinder von Facharbeitern. Woran liegt das?

Ich glaube, die deutsche Diskussion hat sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf akademische Bildung fokussiert, auf Gymnasien und Universitäten. Bildung fängt aber in der Kita an.

Die SPD hat im Bund seit 1998 15 Jahre lang regiert, sie stellt Ministerpräsidenten in wichtigen Bundesländern. Was haben Sie falsch gemacht?

Die Wähler interessiert nicht, wer was falsch gemacht hat. Sie wollen bessere Lösungen. Die SPD sorgt seit Jahren dafür, dass Kinderbetreuung politisch diskutiert wird. Wir haben das erste Ganztagsschulprogramm in der deutschen Geschichte durchgesetzt – gegen heftigen Widerstand der Union. Wir wollen, dass der Bund in Zukunft drei Milliarden Euro pro Jahr für bessere Schulen ausgibt. Und wir sind die einzige Partei, die sich wirklich intensiv um die berufliche Bildung kümmert.

In Deutschland besitzt die untere Hälfte nur ein Prozent des Vermögens. Warum ist das für die SPD kein Skandal?

Das halten wir für einen Skandal. Deshalb entlasten wir vor allem Familien mit kleinen und mittleren Einkommen bei Kitagebüren, Steuern und Abgaben. Und wir müssen auch die Vermögensgleichheit anpacken. Deshalb brauchen wir eine andere Erbschaftssteuer.

Ihr Programm drückt sich um harte Forderungen herum. Es gibt nur einen Prüfauftrag zur Vermögenssteuer.

Ich drücke mich nicht vor der Umverteilungsfrage. Die Kluft zwischen Arm und Reich war früher nicht so tief. Der Soziologe Helmut Schelsky hat das in den 50ern „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ genannt. Die Frage ist, wie man die Schere zwischen Arm und Reich wieder schließt. Die Vermögenssteuer ist ein interessantes Instrument, aber sie ist verfassungsrechtlich schwierig umzusetzen.

Jährlich werden 200 bis 300 Milliarden Euro in der Republik vererbt – der Staat bekommt nur etwa zwei Prozent. Aber im SPD-Programm steht dazu nur eine Absichtserklärung, nichts Konkretes. Warum?

Weil auch die Erbschaftssteuer rechtlich extrem kompliziert ist. Ich will mit der Erbschaftssteuer nicht das Gleiche erleiden wie mit der Vermögenssteuer – nämlich dass eine notwendige Steuer an rechtlichen Voraussetzungen scheitert.

Klingt wie Methode Merkel: besser nicht festlegen, dann kann man später dafür nicht verhaftet werden.

Auf keinen Fall. Wir werden in der nächsten Wahlperiode eine Erbschaftssteuer in Angriff nehmen. Kleinere Erbschaften werden ebenso von Steuern befreit sein wie wirtschaftliches Vermögen, das weiterhin nachweislich dazu dient, Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen. Aber private Erben größerer Vermögen müssen stärker besteuert werden. Das ist unser Grundsatz, den meinen wir ernst.

Die SPD will ein Chancenkonto für Arbeitnehmer. Jeder soll Anspruch auf 20.000 Euro haben, um etwa Weiterbildungen oder Existenzgründungen zu finanzieren. Die Idee ist gut, weil sie soziale Sicherheit mit individuellen Freiheitsgewinnen verknüpft. Doch kaum schreibt die Bild-Zeitung, dass das 800 Milliarden kosten würde …

… was Unsinn ist …

… schon bekommt die SPD Angst.

Nee, wir haben keine Angst. Ich habe das Chancenkonto als Kern­element des Zukunftsplanes vorgestellt. Das Chancenkonto ist die sozialdemokratische Antwort auf die Umbrüche der Digitalisierung: Wir wollen jedem und jeder ermöglichen, das Leben selbst zu gestalten, statt sich den Veränderungen in der Arbeitswelt zu unterwerfen. Das ist ein großes Projekt, das gerade viele junge Menschen begeistert. Aber wir hatten Pech bei der Präsentation, weil gleichzeitig der Dieselskandal in den Schlagzeilen war. Das ist keine Entschuldigung. Aber so war es.

Kommt noch etwas vor dem 24. September? Mobilisiert die SPD gegen Schwarz-Gelb?

Wir mobilisieren nicht gegen irgendjemand, sondern für uns. Aber natürlich werden wir auch daran erinnern, dass Schwarz-Gelb die schlechteste Regierung in der Geschichte der Republik war. Mit Frau Merkel als Kanzlerin.

Sie beginnen Ihre Sätze bis heute mit: „Wenn ich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werde“. Wie lange noch?

Bis ich Bundeskanzler bin. Ich kämpfe bis zum 24. September, 18.00 Uhr.

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14 Kommentare

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  • Ist das Zufall mit den Prozentangaben 77% und 23% (=100%)?

     

    Oder soll es heißen, dass 77% der Studenten aus Akademikerfamilien kommen und 23% aus Nicht-Akademikerfamilien?

  • Immerhin! Ein bißchen besser als das Interview mit Frau Merkel, wenn auch hier nichts Substanzielles zu finden ist. Besonders der Umgang mit Hartz IV ist typisch: Brauchen wir uns nicht drum kmmern, wir gucken nach vorne! Ja, der Wähler und Leser aber nicht. Jeder Weltr-, Wald- und Wiesentherapeut wird einem sagen, wenn Problem aus der Vergangenheit zu schwer auf der eigenen Geschichte lasten, dann muss man, ob man will oder nicht, sich diese Problem ansehen und einen neuen Blick darauf werfen. Ein sehr hohles Interview, aber auch ich lese fast jeden Abend noch eine Stunde in einem Buch. zur Zeit ist es "Die Hauptstadt", nein nicht Berlin von Robert Menasse. Herr Schulz kann nicht ein Einziges mitreißendes Statement gegen Frau M. in die Waagschale legen. So war dat nix!

  • Die SPD plakatiert was von

    "Mehr Gerechtigkeit".

    Warum ist sie dann nicht für die Abschaffung von Hartz IV?

    ...

    Doch wohl nicht so gerecht...

  • "Bis ich Bundeskanzler bin. Ich kämpfe bis zum 24. September, 18.00 Uhr."

     

    Da drück ich doch Daumen - oder besser Daumen!

  • Oh ja, „die SPD tut viel für Frauen“. So „viel“, wie jene Vorkriegs-Machos, die ihren Gattinnen die Erziehungsarbeit mit einem sogenannten Haushaltsgeld vergütet und sich ansonsten nicht eingemischt haben in ihre Kompetenzen (Kinder, Küche, Kirche).

     

    Ich glaube kaum, dass der SPD-Vorsitzende und Kanzler-Kandidat Martin Schulz für 300 Euro monatlich sein eigenes Engagement in nennenswertem Umfang reduzieren würde. Kinder sind in seinen Augen offenbar noch immer Sache derer, die nichts besseres zu tun haben. Dass die SPD mittlerweile mehr Ministerinnen als Minister hat, steht dazu nicht im Widerspruch.

     

    Man kann seine „Verachtung für normale Leute“ nicht nur dadurch zum Ausdruck bringen, dass man statt „Zugbegleiter“ „Eisenbahnschaffner“ sagt. Wer sich öffentlich über Journalisten mokieren will, die „sich als Elite sehen“, an „Inhalten“ aber „kein Interesse haben und lieber über Äußerlichkeiten schreiben“, sollte das wenigstens ahnen. Weil: Scheinheiligkeit kann honoriert werden, muss aber nicht.

     

    Dass Schulz' Mutter CDU-Gründungsmitglied war, merkt man ihm an, finde ich. Und weil er „aus gewöhnlichen Verhältnissen“ stammt, wird sich wohl an der Rolle der Bedeutung (der Macht) auch nicht so bald was ändern im demokratischen Deutschland. Noch lange wird die mehr oder weniger polierte Oberfläche dafür sorgen müssen, dass Leute als modern gelten.

     

    Etwas mehr Anpassungsfähigkeit (Opportunismus) dürfte es dann doch sein für meinen Geschmack. Vielleicht kann ja der Wessi-Mann noch etwas lernen von der Ossi-Frau: Die Welt ist einfach zu komplex und zu flexibel für die immer gleiche Uralt-Überzeugungen. Auf neue Fragen braucht es manchmal neue Antworten.

     

    Übrigens: Dass einer – auf Jesuiten-Latein –„sanft in der Methode“ ist, nützt ihm in Zeiten wie diesen, in denen dank SPD-Bildungs-Plan immer mehr Leute denken ohne es gelernt zu haben, gar nichts, wenn er „stark in der Sache“ gar nicht sein kann von seinem Sessel aus.

  • Habe nur die Überschrift gelesen. Das reicht! Denke da an die Nutzung der Privatschulen statt Gesamtschule, das Fehlen einer deutschen Kultur und die Zahl der 1 Mio. offenen Stellen Mitte 2015 lt. Arbeitsministerium.

  • Das kleine Bild: Auch nach 16 h Wahlkampf noch Zeit für Literatur ...mit verbogenen Fingern an der Fototapete.

     

    Titanic-Steilvorlage oder was ist das für ein PLan?

     

    Ansonsten das Abmühen sich als kleiner Mann zu generieren, aus Würselen und ohne Abi und Abgrenzung von den Eliten!

    Wie lachhaft!

    Der Mann wurde von Brüssel vereinnahmt sowie seinem studiert elitären Machtapparat.

     

    Wenn er da offen und ehrlich wäre hätte er eine Chance. So glauben ihm viel mit Abi nicht. Und genau die Progressiveren, gut Gebildeten wären es doch, die SPD wählen. Strategisch vollkommen falsch aufgesetzt seine Vita-Agenda.

  • Es sollte grundätzlich mal über den medialen Umgang mit Herrn Schulz nachgedacht werden: Zunächst wurde er zu einer Art Retterfigur stilisiert, mit Fokus vor allem auf seine persönliche, ja, private Geschichte. Zum politischen Werdegang kam dagegen relativ wenig rum, da musste sich schon mehr auf die Suche begeben werden.

     

    Und je näher die Wahl nun kommt, scheint Frau Merkels Einlulltaktik funktioniert zu haben und Herr Schulz wurde + wird wieder kleingeredet bzw. -geschrieben. Dabei wird den Wähler*innen gerne immer wieder seine (vermutete/behauptete) Chancenlosigkeit suggeriert. Wahlweise wird auch auf Nicht-Unterschiede zwischen ihm und der Kanzlerin hingewiesen - auch hier: "Klingt wie Methode Merkel".

     

    Obwohl ich das Interview (im Gegensatz zu BürgerL ;-) tatsächlich mit manch guter Frage gespickt finde, angenehm innenpolitisch und gesellschaftlich orientiert. Fragen nach dem Erscheinungsbild sollten zwar tatsächlich irrelevant sein, sind es im Allgemeinen meist nicht. Jeder Mensch, der in der Öffentlichkeit steht, sei es Politik, Sport, Kunst o. Ä. performt ja auch und stellt sich dar. In der Kunst wird das als B-Note bezeichnet. Und leider sind Äußerlichkeiten ziemlich mitverantwortlich für den ersten Eindruck, Sympathie, Antipathie etc... Übrigens nicht nur bei Boulevard-Leser*innen...

     

    Derzeit wird der Wahlkampf außerdem langweilig geredet/geschrieben, obwohl mensch doch froh darüber sein könnte, mit zumindest ein bisschen weniger Populismus als etwa in den USA oder anderen europäischen Ländern zu haben. Und deutlich mehr Fairness im Umgang untereinander, wie ich meine (manch Redner*in der sogenannten Alternative mal kurz ignoriert).

     

    P.S.: "Heute heißen die Schaffner Zugbegleiter, das hat der Spiegel leider noch nicht mitbekommen". Heute heißen die Krankenschwestern Gesundheits- und Krankenpflegerinnen - das hat wohl außer ein paar von ihnen selber noch überhaupt niemand mitbekommen...

    • @HopeDrone:

      Wie jetzt - soll ich etwa wirklich Mitleid haben mit dem Spitzenpolitiker und Kanzler-Kandidaten Schulz? Seit wann ist Mitleid denn ein guter Grund für eine (politische) Wahlentscheidung?

       

      Nein, ich denke, so lange die SPD nicht kapiert, welchen Kardinalfehler sie macht, wenn sie sich als Alternative zur Union präsentiert, ohne wirklich etwas anderes zu wollen, sollte sie nicht regieren müssen. Sie ist schließlich schon schwach genug. Der Ehrgeiz ihrer Macho-Führer hat sie beinah in den Bankrott getrieben. Wenn sie sich nicht bald völlig neu erfindet, wird sie völlig zu recht von der Geschichte aussortiert - mit allen negativen Folgen für die noch immer unaufgeklärte, unselbständige und angeblich lieber unpolitische (Nicht-)Wählerschaft.

       

      Wir schreiben nicht mehr 1900. Konservative Parteien haben wir genug. Es wird Zeit, dass die Schlaraffenträume augeträumt werden, sonst haben wir alle zusammen nicht mal den Hauch einer Überlebens-Chance. Da ist schon zu viel Macht in viel zu wenig dummen, groben Händen. Wer, wenn nicht die gute alte Tante SPD, sollte - schmerzuhaft erwacht - das Zeug zum Besser-Wessi haben? Hat die nicht immer Bildung propagiert?

      • @mowgli:

        Mit wem Sie Mitleid haben ist Ihr Ding und tut hier nix zur Sache. Obwohl, Mitleid empfinde durchaus in manchen Kontexten, im Wahlk®ampf sicherlich nicht. Da gehts mir ausschließlich um Fairness im Umgang.

         

        "Wenn sie [die SPD] sich nicht bald völlig neu erfindet, wird sie völlig zu recht von der Geschichte aussortiert" - so what?? "Konservative Parteien haben wir genug." - Richtig!

         

        Wichtiger als die Frage CDU oder SPD - in persona Merkel oder Schulz - empfinde ich diejenige nach einem (vernünftigen) Koalitionspartner und noch mehr die einer starken Opposition - und zwar ebenfalls mit Vernunft gesegnet...

  • Mit diesen z.T. dämlichen Fragen haben sich die Autoren sicher für einen Job bei der Welt oder Bildzeitung qualifiziert. Die Arroganz der Fragesteller scheint an allen Stellen durch. Ein Manko: es wurde vergessen genauer auf die Kleidung von Schulz einzugehen. Dafür gab es ja dann wenigstens ein Foto von seinen Schuhen und Socken.

    Toll, da Fragen Zwei die durchblicken, die wissen dass sie zur Elite gehören und auf der richtigen Seite stehen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Bildunterschrift:

    "Schulz: Auch nach 16-Stunden-Tagen im Wahlkampf noch Zeit für Literatur"

     

    Interessant dabei: Es ist leider nur fake. Wer kann schon aus einer Fototapete ein Buch angeln? Dass es nur eine Tapete sein kann, ist im oberen Foto an der Ecke zu erkennen, wo Buchrücken an Buchrücken angrenzt.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Dass das eine Fototapete ist, steht schon oben. Ehe man wieder "Fakenews" brüllt vorher doch mal kurz durchlesen.

      Und ob der Mann abends noch ein Seiten liest oder nicht: wirklich entscheidend?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @BamBus:

        Beeindruckende Überreaktion...