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Kommentar Ausschuss zu G20-KrawallenWie die Kleinkinder

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Als sich Hamburgs Innenausschuss mit den G20-Ereignissen beschäftigte, zeigte sich vor allem eine Weigerung, Realität zu akzeptieren.

Reden statt Klären: Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD, l.) und Polizeidirektor Hartmut Dudde während der Ausschusssitzung am Mittwoch Foto: dpa

E ine skurrile Szene bot sich am Mittwoch in der Sondersitzung des Innenausschusses zu den G20-Ereignissen. Statt Erkenntnisse vorzulegen, die der Aufarbeitung des missglückten Polizeieinsatzes, der ausgeuferten Krawalle und der Polizeigewalt dienen, waren sich die Verantwortlichen einig: Der Einsatz sei ein voller Erfolg gewesen, Polizeigewalt habe es nicht gegeben.

Indem Innensenator Andy Grote (SPD) den Begriff „Polizeigewalt“ als „diffamierend“ zurückwies und der „Polizeiführer“, wie sich Hartmut Dudde selbst nennt, die Zahl verletzter Polizist*innen nach oben korrigierte, machten die Verantwortlichen auch deutlich, was die parlamentarische Aufarbeitung ergeben soll: nichts.

Es geht nicht darum zu klären, was schief gelaufen ist, sondern darum, die von Scholz bereits vergangene Woche diktierte Interpretation der Ereignisse, wonach es keine Polizeigewalt gegeben habe, weiter zu untermauern. Egal, was Augenzeug*innen gesagt, egal, was parlamentarische Beobachter*innen beobachtet, und egal, was zahlreiche Journalist*innen dokumentiert haben.

Erwachsene Menschen, dreiste Lügen

Man muss sich das mal klarmachen: Da stellen sich erwachsene Menschen in verantwortungsvollen Positionen öffentlich hin und behaupten Dinge, von denen jeder weiß, dass sie dreiste Lügen sind. Es gibt es zahlreiche Videos, die dokumentieren, wie Polizist*innen am Rande der Proteste auf Santitäter*innen, Journalist*innen, Demonstrant*innen und Schaulustige einprügeln.

Wenn Scholz und Co. nicht dem Internet oder der Vernunft abgeschworen haben, kann das unmöglich an ihnen vorbeigegangen sein. So zu tun, als sei die Realität eine andere, gleicht dem Verhalten eines Kleinkindes, das die Augen zukneift, sich die Ohren zuhält und schreit: „Es war aber nicht so!“

Vielleicht ist die Aufregung über dreiste Lügen naiv. Vielleicht ist die Lektion: So funktioniert halt Politik. Aber es ist so schwer aushaltbar, wenn etwas in einem doch noch auf den gesunden Menschenverstand hofft.

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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39 Kommentare

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  • Es gibt hier einen sehr schönen Bericht, wie gute Polizeiarbeit zur Befriedung der Situation beiträgt. Dafür sollte man der Polizei dankbar sein:

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/g20-sek-einsatz-im-schanzenviertel-dann-herrschte-absolute-stille-a-1157522.html

  • Nee Nee Nee - Alter! Mr. TaztiGewaltig!

     

    So wird das ja nichemal was mit dem

    Schein im kleinen!! Öffentlichen!

    ( ca 3.Sem jur.!;))

    1. Vermischen der Gewaltbegriffe *

    (Verfassung/Grundgesetz & Strafrecht!)

    2. Alle Menschen sind vor dem (Straf)Gesetz gleich - Auch Polizisten!!

    (Jau. Wenn die auch gern das Gegenteil glauben & abgewichste Staatliche Gefährder glauben machen wollen!)

     

    Nu. Erinner an die Diskussion - schön gezeigt by Christian Rath - wg höherer

    Strafandrohung bei Gewalt gegen Polizisten! - Ein kapitaler Griff ins Klo!)

    Soweit mal. &

    kurz - Um das Mindeste zu sagen!

     

    (* dazu & "Macht" etc Kapitelchen in -

    "Denken ohne Geländer by

    Hannah Arendt!;)

    • @Lowandorder:

      Naja, Polizist_innen glauben das nicht nur, sondern haben so gut wie keine negativen Konsequenzen zu befürchten, sollten sie sich gesetzeswidrig verhalten. Manchen wird in der BRD zugestanden vor dem Gesetz gleicher zu sein.

      • @Uranus:

        Ja. Da hamse in Ihrer Octovalence der Monde einen ganz üblen Teil der

        Verfassungswirklichkeit benannt.

        Nur - wird da nix "togestanden" -

        Sondern liegen die vielfältigen Gründe u.a. in dem tradierten Korpsgeist &

        Wie ja gerade in HH mit Olaf I. & Goldepaulette Dudde an der Spitze zu

        "Bewundern" - an deren Doppelpaß der Exekutive.

        Fein - wenn es JournalistInnen gibt - Die da den Finger in die Wunde legen wie Silke Burmester - kerr! &

        Es Gerichte gibt - wie unlängst bei dem verfassungswidrig zur "Bundespolizei" umfirmierten paramilitärischen exGrenzschutz - die die rechtswidrigen Führungsvorgaben zu Beweisaufnahmen geißeln! &

        Sie hier cum grano salis letztlich doch zutreffend einen Mißstand benennen.

         

        Nur sollte Uranus aufpassen -

        Daß er nicht versehentlich seine

        8 Monde: Titania, Miranda, Umbriel, Ariel, Trinculo, Margaret, Oberon, Cordelia - am Wandern hat - wa!

        Das scheint manchmal verwirrend zu sein - odr?!;) & - doch doch -

        Vermutete "Ambivalencen" könnten sich da als Fehldeutungen der "Mondewanderung"erweisen - kerr!;)) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Kopernikus

  • 3G
    33710 (Profil gelöscht)

    Gesetzestreue lohnt sich nicht mein Darling.

    "Schade um den Spaß den du verpasst;

     

    Wenn alle dicht halten geht auch keiner in Knast !!!!

    • 3G
      33710 (Profil gelöscht)
      @33710 (Profil gelöscht):

      Der deutsche Idealismus und G20

      https://linksunten.indymedia.org/de/node/218905

       

      Netter Artikel....

       

      Lohnt sich !!!

  • Der miserable Eindruck, den Polizei und deren politische Führung in HH machen, ist meines Erachtens nicht das Vorzeichen eines heraufziehenden Sozialstaates, wie in gewissen linken Kreisen perhorresziert wird, sondern drückt die Art und Weise aus, wie ein Polizist soziale und politische Konflikte wahrnimmt. Ihr Methoden sind Bespitzelung, Verleumdung und Gewalt. Am 12. Juni dieses Jahres veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen gründlich recherchierten Artikel, der en detail Sinn, Zweck und Durchführung verdeckter Ermittlung beschreibt. Dass dies ruinöse Folgen für das Leben von Menschen haben kann, ist den Verantwortlichen scheißegal-, sind schließlich Staatsfeinde, selber schuld.

    Kein Wunder, dass zwar nicht ganz Hamburg, aber die renitente Linke die Polizei hasst.

    Der Artikel der SZ ist unter folgender URL verfügbar: http://www.sueddeutsche.de/politik/verdeckte-ermittlungen-in-der-roten-flora-liebst-du-mich-1.3543338

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Andreas Müller:

      "nicht das Vorzeichen eines heraufziehenden Sozialstaates"

       

      Was hat denn der Sozialstaat mit Polizeitaktiken zu tun?

  • Früher, also so vor 15 Jahren, wäre ein Politiker, der derart dreist lügt, auf Druck der Parteiführung zurückgetreten, da man schlicht Stimmenverlust befürchtet hätte. Heute können die doch mit brennenden Katzenbabys jonglieren und werden dennoch gewählt. Und da liegt die Krux.

     

    Btw. Warum hakt man bei solchen Aussagen nicht nach? "Herr Dudde? Was sagen sie zu den unzähligen Berichten von Journalisten, parlamentarischen Beobachtern und Anwohnen, sowie den Videos, die alle Polizeigewalt belegen?"

    • @Frank Fischer:

      Eine Einschränkung des Spielraumes ist wohl schon durch die Institution Innenausschuss vorgegeben. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss will die Regierung ja scheinbar nicht. Das aber passt nicht in deren Herrschaftsstrategie...

    • @Frank Fischer:

      "Früher, also so vor 15 Jahren, wäre ein Politiker, der derart dreist lügt, auf Druck der Parteiführung zurückgetreten, da man schlicht Stimmenverlust befürchtet hätte."

       

      Wie kommen Sie bloß auf diesen hölzernen Weg? Schon F.J. Strauß, 'Old Schwurhand' Zimmermann, H. Kohl und wie sie alle hiessen vergessen? - Achso, die waren ja die Parteiführung... Ja dann...

  • Scholz lügt!

    Und wenn er Mumm hat, soll er mich jetzt verklagen.

  • Politik aus dem Kindergarten...

     

    Bezeichnend und beschämend. Alle sind auf dem Ego-Trip. Sachliche Analyse kommt da kaum vor. Und es wird einfach mal behauptet, was in den persönlichen Kram passt. Da kann man sich nur abwenden.

    Prügelvideosd von der Polizei waren auch in "Report" zu sehen; leugnen hat also keinen Zweck.

  • Von Trump,Erdogan und Putin gelernt.

    Aber Vorsicht,denn wie der Volksmund aus Erfahrung weiß:

    DIE KLEINEN HÄNGT MAN,DIE GROßEN LÄßT MAN LAUFEN.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Lügner*innen sollten zurücktreten oder aus ihren Ämtern entfernt werden. Gibt es in Hamburg niemanden mehr mit Rückgrat?

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Seit OTTO wissen wir doch:

       

      "Oh hamburger Land,oh hamburger Land,dir sind alle Laster unbekannt!

      Nur Unzucht ,Sauferei und Neid,

      die kennt man hier seit einiger Zeit!"

  • Es war leider schon immer so, dass selbst offensichtliches von Politiker geleugnet wurde. Früher hat das noch besser funktioniert, als die Presse noch ein Informationsmonopol hatte und die Lügen dann brav brachte. Heute wirkt es ein wenig entrückt und absurd. Bei vielen Bürger_innen, die sich nicht aktiv informieren, wird es aber immer noch funktionieren.

  • Wenn dreist über Gewalt gegen Bevölkerung gelogen wird, ist das also realpolitischer Pragmatismus?!

    "Vielleicht ist die Aufregung über dreiste Lügen naiv. Vielleicht ist die Lektion: So funktioniert halt Politik. Aber es ist so schwer aushaltbar..."

    Die ganze Sache ist also ein emotionales Problem von Sozialromantikern und -neidern und Autokratie ist was ganz anderes. Und im Herbst schön SPD wählen *kotz.

    Dieser Artikel beeinträchtigt mein persönliches Sicherheitsempfinden, ich bin nämlich Hamburger!

  • Solange so etwas in Deutschland passiert und unwidersprochen bleibt, sollte keiner mehr über Trumps Realitätsverlust räsonieren.

  • Wer die klugen Überlegungen von

    Hannah Arendt zu Wahrheit&Lüge in der Politik auf dem Schirm hat -

    Vergisset!

     

    Take. The Arrogance of Power - by

    J. William Fulbright &

    "The dirty Hamburgo" &

    Das muß einem keineswegs spanisch vorkommen!

    kurz - Ein Elend!

  • Polizeigewalt ist grundsätzlich legitimiert oder legitimierbar, die Gewalt von Demonstranten und Autonomen ist es grundsätzlich nicht.

     

    Wer etwas anderes will, verläßt den Boden des Rechtsstaates und der Verfassung.

    • 3G
      33710 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Vermummung ist doch keine Gewaltanwendung. Wer glaubt, die Anwesenheit von Vermummten könnte einen derartigen Gewaltrausch durch Polizisten rechtfertigen, der hat tatsächlich eine mächtige Meise unterm Pony.

    • @TazTiz:

      Das ist grundsätzlich falsch.

       

      Sie vergessen

       

      a) das Gebot der Verhältnismäßigkeit

       

      b) in Konflikt befindliche Grundrechte

       

      Gerade das Gebot der Verhältnismäßigkeit widerspricht einer umfassenden "grundsätzlichen Legitimation" staatlicher Gewalt. Ihre Vorstellungen entsprechen lediglich den Verhältnissen in einem autoritären Polizeistaat. Offenbar haben Sie ganz elementare Teile unserer Verfassung und der freiheitlich-rechtlichen Grundordnung nicht verstanden.

    • @TazTiz:

      Mhmm..dann ist der Straftatbestand "Körperverletzung im Amt" §340 StGB nicht existent?

    • @TazTiz:

      Auch Demonstranten haben Grundrechte...(überraschenderweise!) Und die Verhältnismäßigkeit ist zu wahren. Und sogar Polizisten müssen sich an Gesetze halten.

       

      Das sind grundlegende Rechtskenntnisse.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Das ist ja toll. Dann ist ein Rechtstaat nach deiner Definition also jeder Untertanenstaat, der Gesetze hat die durchgeprügelt werden-auch gerne mal gegen das geltende Gesetz

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Das sehen Erdogan und Putin auch so.

      Allerdings weist Amnesty International doch regelmäßig daraufhin, dass willkürliche bzw. grenzüberschreitende Polizeigewalt nicht mit einem an den Menschenrechten orientierten Rechtsstaat vereinbar sind.

    • @TazTiz:

      Sorry, wir leben (noch) nicht in einem Polizeistaat.

    • @TazTiz:

      Das ist so nicht richtig: Wenn die Polizei den Boden des Rechtsstaates verlässt, dann haben Sie bzw. wir alle ein Recht auf Widerstand. Das müsste Art. 20 des GG sein.

       

      Merke: Wenn der Staat nicht verantwortungsvoll mit seinem Gewaltmonopol umgehen kann, verliert er seinen Anspruch darauf.

      • @Olo Hans:

        Grundsätzlich heißt im juristischen Sinne: im Prinzip oder in der Regel, Ausnahmen sind möglich, die jedoch begründet sein müssen. Nur so kann es gemeint sein.

         

        Es bleibt trotzdem dabei: Private Gewalt ist grundsätzlich nicht legitimiert. Weder gegen die eigenen Kinder, den Partner ... oder eben die Polizei.

  • „Wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen.“ (Oma)

    • @Rainer B.:

      By the way - Vorort!

      Die eine eine Frage!

       

      Goldene Epauletten -¿¡!;)

       

      Kaleu oder Pfingstochse?

       

      Merke - "Auf hoher See &

      Vorm WaWe 10.000 - Strahl -

      Biste in DUDDES HAND!"

      Ungelogen!

      Da mähtste nix.

      Normal.

      https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5423464&s=Wasserwerfer/

      • @Lowandorder:

        Ach guck mal an. Der WAWE 10.000 war natürlich wieder eine deutsch-österreichische Co-Produktion. Logisch -wenn's eine „Qualität“ braucht.

      • @Lowandorder:

        "Und immer 'n Handbreit -

        Wasser im Bidet!" H.R.

        Hauptsache! H.D.H.

        • @Lowandorder:

          Bevor ich mir Sand in den Kopf stecke - was soll jetzt hier H.D.H bedeuten?

          Habe Die Helden?

           

          Sie haben jetzt genau 3 Minuten bis zur Räumung. 1-2-3 Attacke!

          • @Rainer B.:

            Hanns Dieter Hüsch -

            "Wie Geht's? Gut! Hauptsache."

            • @Lowandorder:

              „Da gibbet am Niederrhein Hunderte von. Alles Verrückte, die keiner Fliege was zuleide tun. Höchstens sich selbst.“ (Hanns Dieter Hüsch)

            • @Lowandorder:

              Aaachh sooo. Hanns Dieter Hüsch - immer gern!