: Sag dem Diesel leise Servus
Zukunft des Verkehrs Warum der Ausstieg von Volvo aus der Dieseltechnik die deutschen Autobauer mehr beunruhigt als die Beschlüsse der Grünen
Jahrgang 1966, ist Politologe. Er arbeitet in den Niederlanden am European Institute of Public Administration (Eipa) und seit 2016 auch an der Universität Maastricht. Seine Kolumne „ökosex“ erschien in der taz. Er plant, seinen Hybrid-Pkw durch ein Elektroauto zu ersetzen.
von Martin Unfried
Natürlich werden die anderen Parteien das im Bundestagswahlkampf genüsslich ausschlachten: Typisch Ökodiktatur! Die Grünen wollen uns die Autos verbieten! Dabei müssten sie nur erklären, dass es einen großen Unterschied zwischen einem Verbot und einem Zulassungsende gibt. Geht es nach der grünen Bundespartei, dann sollen nämlich 2030 keine Benzin- und Dieselmotoren in Pkws mehr zugelassen werden. Wer im Jahre 2029 kauft, darf seinen Diesel natürlich noch fahren. Deshalb hört sich der grüne Beschluss radikaler an, als er ist.
Mit Blick auf die klimapolitischen Ziele der jetzigen Bundesregierung wäre dieser sogar einleuchtend. Im Moment weiß von der Politik bis in die Wissenschaft niemand so richtig, wie die Dekarbonisierung der Autoantriebe zwischen 2030 und 2050 funktionieren soll.
Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann merkt man an, dass auch ein Grüner in einem Land der automobilen Arbeitsplätze auf Eiern laufen muss. In einem Interview sagte er kürzlich noch, die Autobranche müsse sich bis 2040 vom Verbrennungsmotor verabschieden. Das Jahrzehnt zwischen 2030 und 2040 sei entscheidend bei der Umstellung auf klimaneutrale Mobilität.
Jobs sind das falsche Argument
2040? Hatte der Bundesrat Anfang des Jahres nicht sogar bereits mehrheitlich befunden, es wäre wünschenswert, wenn bereits 2030 kein Verbrenner mehr zugelassen würde? Die schwäbisch-grüne Bescheidenheit scheint auf den ersten Blick Realpolitik in einem Land, in dem Zehntausende Arbeitsplätze bei Daimler, Bosch oder Mahle von der Dieselproduktion abhängen. Sichert eine längere Übergangspahse also Arbeitsplätze? Nicht unbedingt.
Ein Verzicht auf eine deutliche Ansage für 2030 ist industriepolitisch fragwürdig. Wie im Fall des Dieselskandals gerade erlebt, ermutigte staatliches Laisser-faire zu Fehlinvestitionen und gar Manipulationen. Und darunter leiden nicht nur beispielsweise die feinstaubgeplagten Stuttgarter Kinder, sondern gerade die überzeugten Dieselfahrer. Denen drohen Fahrverbote, und selbst relativ neue Fahrzeuge werden finanziell entwertet, weil die Politik trotz offensichtlicher Probleme mit der Luftreinhaltung jahrelang der Industrie entgegenkam. Das sollte sich im Klimaschutz nicht wiederholen.
Unbestritten ist: Um 2050 tatsächlich die in Paris vereinbarte Dekarbonisierung zu schaffen, muss insbesondere auch der Autoverkehr CO2-frei werden. Das heißt in jedem Fall Elektrifizierung mit Batterie und erneuerbarem Strom oder später vielleicht mit erneuerbarem Wasserstoff. Werden zwischen 2030 und 2040 noch viele Verbrenner zugelassen, scheitert der Klimaschutz kläglich. Entscheidend ist nämlich die Frage, wie lange es dauert, um die gesamte fossile Fahrzeugflotte auszutauschen.
Zwei Nachrichten der letzten Wochen scheinen sich in dieser Hinsicht zu widersprechen: Die Bundeskanzlerin gab zu, dass das Ziel, dass bis 2020 eine Million Elektroautos fahren, nicht mehr zu erreichen sei. Die Elektromobilität kommt in Deutschland, anders als in den Niederlanden oder in Norwegen, nicht voran.
Die zweite Nachricht der letzten Wochen überrascht wesentlich mehr: Volvo bereitet den Abschied vom Dieselmotor vor. Das wird insbesondere den deutschen Herstellern nicht gefallen. Die Ansage von Volvo widerspricht nämlich der bisher kommunizierten These, der Diesel sei nötig als Übergangstechnologie ins Elektrozeitalter. Laut Volvo hat der Diesel bereits mittelfristig keine Zukunft mehr.
Dagegen war der Übergang in den Augen von VW, Daimler oder BWM bisher zeitlich sehr großzügig gedacht. VDA-Chef Matthias Wissmann gab jüngst zu Protokoll, dass selbst Unternehmen mit sehr ambitionierten Elektrozielen davon ausgingen, im Jahr 2030 noch zwei Drittel der Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ausstatten zu können – ein Zeugnis kollektiver Verdrängung. Damit sind die nationalen und europäischen Klimaschutzziele nicht zu halten.
Der Thinktank „Agora Verkehrswende“ weist mit einem Thesenpapier darauf hin, dass auch die Hoffnung auf synthetische flüssige und gasförmige Kraftstoffe (Power to Liquid, Power to Gas) zur Rettung des Verbrenners trügerisch sei. Es ist nicht effizient, mit erneuerbaren Energien Strom zu produzieren und ihn dann in Kraftstoffe umzuwandeln. Sinnvoll ist es, den Strom direkt mit Batterie und Elektromotor zu nutzen.
Zetsches Irrtum
Volvo hat verstanden: Die teure Abgasbehandlung wird zusätzlich zum finanziellen Ausschlusskriterium. Das eigentliche unternehmerische Problem ist dabei das Fehlen von Investitionssicherheit: Daimler-Chef Dieter Zetsche erklärte vor seinen Aktionären, niemand könne heute mit Gewissheit sagen, wann sich Elektroautos am Markt durchsetzen – schon deshalb seien effiziente Verbrenner in der Übergangszeit ein wesentlicher Teil der Lösung. Soll heißen: Ohne gesetzliche Regelung für 2030 und entsprechende Zwischenziele werden viele Hersteller lieber noch zweigleisig fahren, aus Furcht vor dem kurzfristigen Verlust von Marktanteilen.
Am Ende könnten aber gerade die deutschen Autobauer auf ihren Investitionen sitzen bleiben. Dass man mit halber elektrischer Kraft gegen Tesla und die Chinesen bestehen kann, ist industriepolitisch fragwürdig. Volvo hingegen will Fehlinvestitionen vermeiden und sagt: Der Diesel sei zwar bis 2020 noch wichtig wegen der CO2-Flottenverbräuche. Danach werde die Abgasbehandlung aufgrund der strengeren Normen allerdings zu teuer.
Die Theorie vom Diesel als mittelfristige Übergangstechnologie ist damit gestorben. Eher sollten Investitionen in neue Dieseltechnologien bereits in wenigen Jahren eingestellt werden. Der Investitionsstopp für die Entwicklung von Benzinmotoren muss dann rasch folgen.
Paradoxerweise sichert eine schnellere Elektrifizierung auch den Bestand der Flotte von Diesel und Benzinern über 2020 und 2030 hinaus. Fahrverbote zur Luftreinhaltung und wegen CO2-Emissionen werden dann seltener nötig. Das sollte wiederum Winfried Kretschmann freuen, der noch aktuell der taz mitteilte, er habe privat einen neuen Diesel gekauft.
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