piwik no script img

Wahlkampfauftakt der AfDRechte Reibereien

Die Spitze streitet über den Kurs. Zwei Wochen vor dem Parteitag ist noch immer offen, wer die AfD in den Bundestagswahlkampf führen wird.

Meuthen (l.) spricht seiner Kochefin Petry die Eignung zur Spitzenkandidatur ab Foto: reuters

Essen taz | Jörg Meuthen ist hinter die Bühne gewichen. Jetzt steht der AfD-Chef, abgeschirmt von Sicherheitskräften, mit dem Gesicht zu der schwarzen Plane, die die Rückwand der Bühne ist, und geht seine Rede ein letztes Mal durch. In dem kleinen Zelt daneben, das für diese Zwecke auf dem Marktplatz in Essen-Altenessen aufgebaut ist, hat sich Frauke Petry niedergelassen, Meuthens Kovorsitzende.

An diesem Samstag ist Wahlkampfauftakt der AfD in Nordrhein-Westfalen, wo am 14. Mai ein neuer Landtag gewählt wird. Und die beiden Bundesvorsitzenden der rechtspopulistischen Partei halten es nicht mehr gemeinsam in einem Zelt aus.

In den vergangenen Tagen ist der Führungsstreit in der AfD ein weiteres Mal eskaliert. Der Ausgangspunkt: ein Antrag Petrys für den Bundesparteitag der AfD am 22. April in Köln, wo die Partei über Spitzenkandidaten und Wahlprogramm für die Bundestagswahl im September entscheidet. In ihrem Antrag fordert Petry eine Kursentscheidung der Partei zwischen Realpolitik und Fundamentalopposition – und damit zwischen ihr auf der einen und Vizechef Alexander Gauland und dem Rechtsaußen Björn Höcke auf der anderen Seite.

Der Antrag hat für viel Wirbel in der AfD gesorgt, am Freitag haben sich elf von zwölf Landes­chefs in einer Schaltkonferenz dagegen ausgesprochen. „Das ist ein ganz falscher Ansatz; er spaltet, statt zu vereinen“, sagt Meuthen am Samstag hinter der Bühne. „Wer immer aber Spitzenkandidat wird, muss die Partei zusammenführen.“

Damit spricht Meuthen seiner Kochefin die Eignung zur Spitzenkandidatur ab. Viele in der Partei aber vermuten gerade darin das Ziel von Petrys Vorstoß: Dass sie sich doch noch als alleinige Spitzenkandidatin durchsetzen und das Parteiausschlussverfahren, das gegen den Thüringischen Landeschef Höcke läuft, absichern will.

Kein Team, das vertrauensvoll zusammenarbeitet

Zwei Wochen vor dem Parteitag ist offen, wer die AfD in den Wahlkampf führen wird. Zwar haben sich die Parteimitglieder in einer Befragung und auch die Mehrheit des Bundesvorstands für ein Team und gegen eine einzelne Person an der Spitze ausgesprochen, doch ein Team, das halbwegs vertrauensvoll zusammenarbeiten kann, hat sich bislang nicht gefunden. Gauland, der neben Petry immer wieder für ein solches Team gehandelt wurde und auch das Gespräch mit ihr darüber gesucht hat, steht weiterhin bereit. Er sagt aber auch: Gegen Petry werde er nicht kandidieren.

Diese will auf dem Parteitag auch das Grundsatzprogramm der Partei ergänzen. In dem entsprechenden Antrag, der der taz vorliegt, heißt es: „Das Bekenntnis zur deutschen Leitkultur ist verbunden mit der Erkenntnis, dass im Hinblick auf die Kulturleistungen anderer Völker kein Anlass besteht, den nationalen Gedanken zu überhöhen.“ Und weiter: „Die Politik der AfD ist unvereinbar mit politik-philosophischen Strömungen, die eine totale Alternative zum pluralistischen, demokratischen System entwickeln. Insbesondere ist in der AfD für rassistische, antisemitische, völkische und nationalistische Ideologien kein Platz.“

Manch einen in der Partei dürften beide Vorstöße an den ehemaligen Parteichef Bernd Lucke erinnern. Dieser hatte in seinem „Weckruf 2015“ eine Abgrenzung der AfD nach rechts eingefordert; auch wollte er alleiniger Vorsitzender werden. All das ging schief. Lucke unterlag Petry, die damals noch mit Gauland und Höcke verbündet war, und verließ die Partei.

Aus dem Bremer Landesverband liegt ein Antrag vor, das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke zurückzunehmen. Nach einem Bericht der Bild am Sonntag würden Höcke in dem Antrag „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“, Verfassungsfeindlichkeit sowie Kontakte zur Spitze der rechtsextremen NPD vorgeworfen.

Unterdessen hat Petrys Ehemann Marcus Pretzell, Spitzenkandidat in NRW, Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Bei der Bochumer Behörde ist, wie der Spiegel berichtet, eine Strafanzeige wegen „Nichtabführen von Beiträgen zur Sozialversicherung“ eingegangen. Pretzell, der auch im EU-Parlament sitzt, soll dort einen Vertrag mit dem ehemaligen Focus-Journalisten Michael Klonovsky unterzeichnet haben. Es sollen aber weder Gehalt noch Sozialabgaben geflossen sein.

Pretzell erklärte, der Vertrag sei von der Zustimmung des EU-Parlaments abhängig gewesen, die aber nicht erfolgt sei. Deshalb sei das Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen. Inzwischen hat Klonovsky aber eine Rede veröffentlicht, die er für Pretzell geschrieben haben will.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Das schlimmste was passieren kann, ist nicht ein Sieg der Hoecke Fraktion, wo die AfD dann ihr wahres Gesicht zeigt.

     

    Das schlimmste, was passieren kann. wäre ein Sieg des Petri-Clans mit ihrer verlogenen Ablehnung des Rassismus, etc

     

    Der Clan will die vielen in der AfD verankerten N-Wörter ausgeklammert wissen und verstecken, um eine aktzeptierbare weit-rechts-konservative Revolution jenseits von CSU etc. einzuleuten.

     

    Es wird ein inzeniertes Showdown für die Presse geben in der ein ein paar Köpfe rollen werden. Die Presse wird dieses Spiel mitmachen und ganzer Breite darüber berichten, damit der Wähler "sieht", wie supi dupupi die partei gegen Rechtsextremismus vorgeht.

     

    taz: berichtet über die vielen weiteren Rechtshansels auf dem Parteitag und lasst euch nicht verarchen!

  • Eins dürfte klar sein: Die AfD dürfte wohl kaum von jemandem in den Wahlkampf geführt werden, der oder die schon im April diesen Jahres austritt oder danach wirksam ausgeschlossen wird.

     

    Jedenfalls berichteten Sie doch schon, wie schlecht bei den anderen Landesverbänden der von Petry gewünschte Punkt Antirassismus für das Programm aufgenommen wurde. Das nehme ich auf dem Hintergrund wahr, dass Sie berichteten, dass Frau Petry Wahlkampf für den Landesverband führte, den sie selber wegen rechter Unterwanderung für auflösenswert befand. Glaubwürdigkeit udn EHrlichkeit bei Frauke Petry? Wohl eher nicht.

     

    Ich bin schon sehr gespannt, was da die Printausgabe der taz alles nach dem Parteitag der AfD bringt. Dürfen Sie überhaupt reingehen oder müssen Sie sich auf die Interviews der frisch nach dem Austritt aus der Partei oder Rauswurf wegen Hausverbots vor die Mikros tretenden Prominenten "begnügen"?

  • Schon überholt, der Gauleiter hat seine Kandidatur gegen Petry zurückgezogen. Die Debatte um Höcke interessiert die Wähler der AfD nicht. Sie wollen ihr Rachebedürfnis für die vermeintlichen Demütigungen durch das Establishment befriedigen. Ihnen bietet die Afd den 'bösen Ausländer' zur Abreaktion - da schaut dann keiner auf das politische ultra-neoliberale Programm der Partei. Das Politikkonzept der Nationalrassisten wird aufgehen, wie kürzlich in den Iederlanden. Flüchtlinge-Migration, Nationalismus, sie werden den Wahlkampf bestimmen - darauf wette ich einen Wilders....

  • Für "völkische" Ideologien ist in der AfD kein Platz - das möchte Petry festschreiben lassen, dieselbe Petry, die den Begriff "völkisch" wieder positiv besetzen wollte?

    Ja was denn nun?

    Mal abgesehen davon, dass in diesem Fall - wenn völkische Ideologien doch keinen Platz in der AfD haben - die Partei sich gleich auflösen kann, weil das für den Großteil der Mitglieder und Funktionäre zutrifft.