piwik no script img

Nach dem Referendum in der TürkeiEinfach den Döner fragen

Weil ein paar Deutschtürk*innen Erdoğan toll finden, wird plötzlich eine Integrationsdebatte geführt. Und wir dürfen uns wieder mal erklären.

Alle Deutschtürken haben für Erdogan gestimmt? Was für ein Quatsch Foto: dpa

Rund 1,5 Millionen Türken*innen in Deutschland durften am Sonntag beim Referendum abstimmen. Etwa die Hälfte ging zur Wahl und von ihnen stimmten wiederum 63 Prozent mit Ja. Jetzt müsste man erst mal prozentrechnen, um zu klären, wie viele Deutschtürk*innen tatsächlich für Erdoğan sind. Das ist vielen Politiker*innen und Kommentator*innen aber zu kompliziert – und so führen sie lieber eine Integrationsdebatte.

Das Ergebnis: Türkische Wurzeln zu haben und – welch hohe Gnade – in einem demokratischen Land wie Deutschland aufgewachsen zu sein, machen unsereins plötzlich zum Erklärbären für die deutschtürkische Community und deren vermeintlichen Erdoğan-Flash.

Lustig für uns Deutsch­türk*innen sind dabei die Gesprächspartner, die wir zu lesen und zu sehen bekommen: Dönerverkäufer als Migrationsexperten, die erklären, warum die Deutschtürk*innen so wählen wie sie wählen. Klar: Die sind auskunftsfreudig, liefern kamerataugliche Bilder (Döner schneiden!) und sind leicht erreichbar. Und: Meistens weiß man schon, was die Gesprächspartner sagen werden, ein hervorragendes, eingängiges Freund-Feind-Schema in der Debatte.

Zum Vergleich: Wären Aussagen von Currywurst-Imbissbetreibern bei der Bundestagswahl eine Alternative zu den Statements von Politikern und Wahlforschern? Spricht diese Berufsgruppe repräsentativ für die Gesamtheit einer Community, die in Berlin-Kreuzberg vielleicht mit anderen Sorgen und Nöten kämpft als in Stuttgart?

Vielleicht ja, aber eher nein.

Deutschtürk*innen werden mikroskopiert

Dabei gäbe es Expert*innen ohne Dönerhintergrund, wie etwa der Migrationsrat Berlin-Brandenburg. Und die weisen eher darauf hin, dass es eine Menge zu kritisieren gäbe an dem Referendum in der Türkei. Aber auch sie müssen vorweg erst einmal schreiben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. „Die hiesige Gesellschaft ist in vielerlei Hinsicht divers“, schreibt der Migrationsrat in seiner Presseerklärung zu der „rassistischen Debatte“ über das Wahlverhalten der Deutschtürk*innen.

Und weiter: „Die Rede von ‚Integration‘ tut ein weiteres Mal so, als ließe sich Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, die hier wohnen, arbeiten, leben, alt werden, und eines Tages hier sterben werden, das Bekenntnis zu einem Konsens abverlangen, der nie existiert hat.“

Stimmt: Deutschtürk*innen werden mikroskopiert und unter Generalverdacht gestellt. Die Mehrheitsgesellschaft hält sich derweil fein raus – weil, ist ja nur die doofe türkische Community, die derzeit Probleme bereitet.

Ganz schnell könnte man sich also all der Probleme, die ein Einwanderungsland natürlich hat – und in Zukunft haben wird – entledigen. Und zwar indem man alle Erdoğan-Fans des Landes verweist. Und genau dazu hätte manch eine*r gerade große Lust, so scheint es zumindest.

Nur die doofe Community bereitet Probleme

Interessanterweise kommt dieser Wunsch zum Verschicken nicht nur von NPD, AfD, Pegida oder aus der „Das­wird­man­ja­nochmalsagendürfen“-Ecke, sondern auch aus linken Kreisen, ja sogar – und das ist der wirklich interessante Aspekt der Geschichte – von Menschen, die in der Türkei leben, und die restriktive Politik des AKP-Regimes am eigenen Leib erleben müssen.

Sie sind sauer. Verständlich. Aber das nun die Almancis, also die Deutschtürk*innen, an der Misere schuld sind, ist schlichtweg zu einfach gedacht.

Denn nur ein gewisser – wohlgemerkt: kleinerer – Anteil der hiesigen Türkeistämmigen hat für Erdoğan gestimmt. Und das, wohlgemerkt, aus vielfältigen Gründen. Über die aber kaum gesprochen wird.

Stattdessen werden lustvoll Integrationsdebatten geführt, als gebe es diese nicht schon seit Jahrzehnten. Als Deutschtürkin erinnert man sich zu gern an Roland Koch, dessen Unterschrif­ten­aktion gegen den Doppelpass wohl weitaus prominenter ist als seine Spendenaffäre. Schon damals gab es Integrationsdebatten, nur wurden die eben von konservativen Politikern angestoßen. Heute dagegen von Cem Özdemir.

Debatten sind Teil der Erklärung

Diese Debatten sind, da sie nie auf eine Lösung hoffen, sondern immer nur vertagt werden, vielleicht Teil der Erklärung für die konservativ-nationalistische Ausrichtung mancher Mitglieder in der deutschtürkischen Community.

Übrigens, zum Thema Todesstrafe: Wer führt eine Integrationsdebatte über deutsche Pegida-Fans, die im Oktober 2015 einen Galgen für Merkel und Gabriel bastelten?

Tja, man hat es gar nicht so einfach als Erklärbär. Denn das kann man wirklich nicht so einfach erklären.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

30 Kommentare

 / 
  • Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt...

     

    "Weil ein paar Deutschtürk*innen Erdoğan toll finden..."

    Wenn man die Polemik weglässt, ist dies der Kern der ganzen Argumentationskette des Artikels. Allerdings ist diese Argumentation unhaltbar: Fakt ist, dass 63% der türkischen Wähler in Deutschland für die Abschaffung der Demokratie in der Türkei gestimmt haben. Das sind mitnichten "ein paar". Das sind deutlich mehr, als in der Türkei und das, obwohl in der Türkei die Opposition massiv beeinträchtigt wurde, während die hier lebenden Türken pluralistische Informationsquellen zur Verfügung hatten. Und ja, dieses Wahlergebnis lässt Rückschlüsse auf die (undemokratische, autokratische) Geisteshaltung sowie Integrationsdefizite dieser Wähler und der Gruppe, die sie repräsentieren, zu.

     

    Auf der emotionalen Ebene kann ich verstehen, dass man sich als echter Demokrat (gleich welcher Nationalität) über dieses Wahlergebnis empört, peinlich berührt oder beschämt ist. Schönreden (wie die Autorin es vergeblich versucht) hilft aber nicht. Man muss schon die Fakten zur Kenntnis nehmen, wenn man eine sinnvolle Anlayse aufbauen will.

     

    Die Autorin versucht dagegen zu suggerieren, dass alle Nichtwähler Erdogan nicht toll finden, was selbstverständlich absurd ist. Mit der gleichen Logik (der Nichtwählervereinnnahmung) könnte man umgekehrt argumentieren, das ca. 80% der wahlberechtigten Türken in Deutschland die Abschaffung der türkischen Demokratie nicht verhindern wollten.

  • Wer für Ja für Herrn Erdogan gestimmt hat, hat dazu beigetragen, dass es eine sehr starke Debatte über die Doppelte Staatsbürgerschaft geben wird. Hoffentlich waren die Stimmen aus Deutschland für Herrn Erdogan nicht entscheidend. Wobei das spielt kaum eine Rolle. Wer weis, wie mit Journalisten oder mit Frauen in der Türkei umgegangen wird, zweifelt diese Wahl schon deswegen an. Und außenpolitisch vor allem in Syrien wird Herr Erdogan nun zu einem noch stärkeren Risikofaktor mit seiner Natur und nunmehr alleiniger Macht über ein Land.

  • Also ich denke, auch hier (zumindest in der taz) wird doch öfter mal mit dem Gedanken gespielt, um Sachsen eine schöne Mauer zu bauen oder auch gewisse Deutschländer erst mal in Deutschland zu integrieren. Wieso hat Ebru Tasdemir den Eindruck, dass Linke sich weniger mit rechten Auswüchsen auseinandersetzen als mit Fragen der "Integration" von Türkinnen? Vielleicht weil sie selbst sich von Letzterem mehr betroffen fühlt? (Wir können unsere Pegidas oder AfDler nur mal nicht in irgendein Großdeutsches Reich abschieben wollen, sondern höchstens nach Sachsen oder Thüringen (wenn ich den Thüringern da mal nicht Unrecht tue!)

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wie manfrau an der Resonanz erkennen kann:

    Ein guter Diskussionsbeitrag und Denkanstoß. Danke.

  • "Übrigens, zum Thema Todesstrafe: Wer führt eine Integrationsdebatte über deutsche Pegida-Fans, die im Oktober 2015 einen Galgen für Merkel und Gabriel bastelten?"

     

    ... Oder ... "Der Spiegel und die Galgen: Linke Galgen sind Meinungsäußerung – Pegida-Galgen sind „radikal“

     

    Zitat:"Unter dem Bild schreibt die Spiegel-Redaktion lapidar: Stoffpuppen am Galgen: „Mit drei Stoffpuppen von Theo Waigel, Jürgen Rüttgers und Helmut Kohl (v.l.n.r.) am Galgen marschieren Studenten am 04.12.1997 in Düsseldorf zum Landtag. Mit der Kundgebung in der Landeshauptstadt wollen die Demonstranten auf das nach ihrer Meinung unzumutbare neue Hochschulrahmengesetz aufmerksam machen.“

     

    Es gibt Beispiele ZuHauf in denen der TAZ nahestehendes Klientel symbolisch zum Töten andersdenkender aufrufen!

    • @conny loggo:

      1. Weder die Macher der TTIP-Guilotine noch der Erbauer des Merkel/Gabriel-Galgens sind vor Gericht gekommen. So what?

      In dem einen Fall sind erst keine Ermittlungen aufgenommen worden, im zweiten Fall sind sie wieder eingestellt worden. Und daraus möchten Sie was genau ableiten? Das Linke beliebter als Rechte in Deutschland sind? Würde ich zwar für gewagt halten, aber letztendlich ist es auch belanglos. Entscheidend ist, dass es rechtliche Gleichheit gibt. Ein Menschen- oder Bürgerrecht auf gemocht werden gibt es nun mal nicht. Zum Glück.

       

      2. Was ist denn bitte ein 'der taz nahestehendes Klientel'?

      • @pitpit pat:

        Klientel der TAZ sind Leute voll auf TAZ Linie. Ich würde gerne wissen wie viele "nicht rassistische Forumsbeiträge" nicht zugelassen werden weil sie zur TAZ Botschaft nicht passen. (Nicht ganz so radikal wie in Spiegel Online)

         

        Aber gut, das Forum ist nicht dazu da um der TAZ immer wieder kontra zu geben zu können. Und ab und an ist doch auch etwas zu lesen dem man vorbehaltlos zustimmen kann.

        Ab und an geht ja eine andere Meinung durch. Deshalb ist es sinnvoll weiter im Forum seine Meinung zu posten.

        Es ist ja natürlich auch sinnvoll die Meinung anderer lesen zu können.

        • @conny loggo:

          Ich bin immer wieder erstaunt, wieviele Kommentare es zu lesen gibt, in denen sich echauffiert wird, dass die taz so viele Posts löschen würde.

           

          Ich habe hier andauernd die Gelegenheit, mit "nicht rassistischen Forumsbeiträgen" Meinungen zu posten die nicht auf Linie der taz oder des jeweiligen Schreiberlings liegen und bislang wurde deswegen von mir noch kein Post gelöscht.

        • @conny loggo:

          Eine ernstgemeinte Frage habe ich aber noch, falls Sie Lust haben, noch eine zu beantworten: In Ihrem Satz "Ich würde gerne wissen wie viele "nicht rassistische Forumsbeiträge" nicht zugelassen werden weil sie zur TAZ Botschaft nicht passen." haben Sie 'nicht rassistische Forumsbeiträge' in Anführungszeichen gesetzt. Was bedeutet das und was ist daran anders als wenn Sie sie weggelassen hätten?

        • @conny loggo:

          Vielen Dank für Ihre Erklärung. Jetzt weiß ich, was mit 'der taz nahestehend' meinen.

          Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass es wichtig ist, hier Meinungen zu lesen^^. Meinungen waren schon immer im Dutzend billig zu haben und heutzutage kriegt man sie hinterhergeworfen. Wichtig sind nachvollziehbare Gründe für Meinungen. Über die könnte man diskutieren. Ob der Kommentarberreich einer Zeitung dafür das richtige ist, sei dahingestellt.

  • Wir haben berufsbedingt ein Jahr in NY gelebt und erhielten diesen Song als Willkommensgeschenk – „Woody Guthrie- This Land Is Your Land“ Siehe auch YouTube Video davon.

     

    Leider war bis vor kurzem Deutschland nicht eine Willkommensgesellschaft. Ausgrenzungen gibt es in der USA auch, aber auch ein Angebot Menschen auf allen Ebenen (auch Gefühlsmäßig) mitzunehmen. Ich bin in Deutschland aufgewachsen und Ausgrenzung war die Regel. Endlich ändert sich das. Und, ich hoffe, dass wir die Partizipation voranbringen. Wir müssen auf der lokalen Ebene Wahlrecht ermöglichen und die Menschen eingliedern, wir müssen ihnen eine Perspektive bieten, dass sie nach Erfüllung vorgegebener Kriterien Deutscher werden können und das man dies auch nicht rückgängig machen kann, etc. Diese Kriterien dürfen auch nicht Herkunftsspezifisch sein, sonst sehen wir Menschen ja nicht gleich etc.

     

    Ich finde den Artikel sehr gut, da dieser uns Auffordert, den Blick nicht nur auf eine Bevölkerungsgruppe einzugrenzen!

  • Dass es Ebru Tasdemir als „Erklärbär“ gerade schwer hat, glaube ich ihm gern. Dass man das „wirklich nicht so einfach erklären [kann]“, glaube ich hingegen nicht.

     

    Menschen machen Fehler. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: einen Mangel an positiver Erfahrung (Kompetenz) und das daraus resultierende Übermaß an Belastung, (Überforderung). Einfach gesagt: Wenn eine Aufgabe nicht bewältigt wird, ist entweder die Aufgabe zu groß oder der Mensch ist zu schwach.

     

    Im Rahmen des Referendums mit „Ja“ zu stimmen, war zweifellos ein Fehler. Es bedeutet, dass die Türkei in eine Vergangenheit zurückkehrt, die sie mühsam genug hinter sich gelassen hatte. Dass sich nun viele Menschen (und besonders Linke) fragen, wie der Fehler passieren konnte, ist verständlich und auch völlig richtig. Das Problem ist nur, dass auch beim Hinterfragen Fehler auftreten – die dann zu Antworten führen, die das Problem nicht verkleinern sondern vergrößern.

     

    Menschen, die sich mangels Kompeten überfordert fühlen, wollen einfache Antworten. So ein Erklärbär erschwert die Suche danach. „Schuld“ an der Misere ist dann eben nicht mehr ein unveränderliches „Döner-Gen“, sondern ein kompliziertes aber (theoretisch) beeinflussbares Ursache-Wirkungs-Geflecht, zu dem erschwerend die Individualität hinzu kommt. Das Ergebnis? Klar: Überforderung. Man müsste sofort etwas tun, weiß aber nicht, wo man beginnen soll und wie es nachher weitergehen kann. Man fühlt sich hilflos und alleingelassen – und reagiert entsprechend gereizt oder mit Total-Verweigerung.

     

    Im besten Fall heißt es dann: „Erklärbär vor! Geht du voraus und schau, wie weit du kommst!“ Nur: Das ist keine Lösung für's Problem. Ein Bär allein verändert die Gesellschaft nicht. Er kämpft sich höchstens an ihr ab. Und nachher heißt es: „Hab ich's doch gewusst! Gut, dass ich abgewartet habe!“

     

    Wer nichts macht, macht auch keine Fehler – und brauch also auch nicht bestraft zu werden. Es ist ein großer Fehler, so zu denken.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      "Dass es Ebru Tasdemir als „Erklärbär“ gerade schwer hat, glaube ich ihm gern."

       

      Ebru ist ein weiblicher Vorname.

  • "Übrigens, zum Thema Todesstrafe: Wer führt eine Integrationsdebatte über deutsche Pegida-Fans, die im Oktober 2015 einen Galgen für Merkel und Gabriel bastelten?"

     

    ???????

     

    Dieser Galgen & Fallbeil auf der Anti-TTIP-Demo (einmal gewesen und für immer das singuläre Symbol) ... haben was mit der Einführung der Todesstrafe in einem europäischen Land gemein? und wie hoch hängen Sie die Symbole in Zeitungen und auf Kundgebungen in der Türkei?

     

    Die deutsch-türkischen Doppelpässler_innen haben gewählt. Und die Mono-Türken auch. Das Ergebniss passt uns nicht ... weil die Folgen dem Grundgesetz widersprechen und daher die Frage nach der Loyalität der Deutschtürk_innen unbeantwortet ist.

     

    Statt hier zu relativieren, sollten Sie als Demokratin lieber zum Türkei-Boykott aufrufen. So wie hier in der TAZ nach der 24%AfD-Wahl in Mecklenburg zum Urlaubs- und Reiseverzicht nach Ostdeutschland. Oder ist das doch nicht vergleichbar?

  • nun, dass wahlergebnis gib zahlenmäßigt wieder, was ich nach 20 jahren kontakt ,als arbeitendes industriewesen, bei türkischen kollegen festgestellt habe. die allermeisten sind nicht angekommen und wollen es auch nicht. dann lebt man halt nebenher und muss die konsequenzen tragen. die welt ist wie die welt ist

  • Der Artikel schafft es rhetorisch und inhaltlich nicht höher als das Niveau der VICE.

    Was will uns Frau Tasdemir sagen? Dass es unsinnig ist, trotz doppelter Staatsbürgerschaft und fortwährender Integrationsdebatte, über das Wahlergebnis der in Deutschland lebenden Deutsch-Türken zu reden? Dass das alles nichts miteinander zu tun hat? Ich bin selber türkscher Abstammung, hatte noch nie den türkischen Pass. Die meisten meiner türkischstämmigen Freunde und Bekannte haben ihren türkischen Pass abgegeben, weil sie den Braten schon längst gerochen haben. Wer regierungskritisch ist und künftig seinen Urlaub in der Türkei verbringen möchte, ohne bei jeder Ein- und Ausreise, die Angst im Hinterkopf zu haben, möglicherweise Ärger mit der Justiz haben zu können, verzichtet auf's türkisch sein. Zumindest auf Papier. Das ist leider auch ein, wenn auch nur ein verschwindet geringer Teil der Crux, wenn wir über das Wahlergebnis in Deutschland reden. Die, die vielleicht mit "Nein" gestimmt hätten, konnten es z.T. nicht.

    Vermutlich kämen sie jetzt mit dem Argument um die Ecke, man würde mit zweierlei Maß messen.

    Genau an der Stelle sollte Roland Koch recht haben. Wer sich entscheidet hier zu leben - völlig gleich, welche Staatsform wir haben - sollte doch bitte nicht die Zukunft derer beeinflussen, die in der Türkei leben.

    Auf die anderen Punkte ihres Artikels einzugehen, würde den Rahmen sprengen.

    Nur eins noch, ich hoffe, sie haben mit sich gerungen, das Beispiel des Galgen von Pegida-Aktivisten anzuführen und dass der Vergleich mit der Todesstrafe nur von ihrer Naivität zeugt.

    • @sarakasmus:

      Hm. „Naivität“ ist immer das Totschlagargument derer, die schon längst aufgegeben haben. Und „den Braten gerochen“ haben nachher immer solche Leute, die vorher zu feige, zu beschäftigt oder zu verschnupft waren, ihn rechtzeitig aus dem Ofen zu nehmen.

       

      Sie haben „die Türkei“ samt ihrer rd. 80 Millionen Einwohner schon aufgegeben, werte*r SARAKASMUS, richtig? Und dafür möchten Sie nun lieber belobigt werden als verurteilt. Verständlich, das. Nur: Wieso sind Sie überhaupt auf eine externe „Ansage“ angewiesen? Ich will es Ihnen sagen: Weil Sie nicht ganz sicher sind, dass sie sich richtig entschieden haben. Sie wissen nicht genau, ob Sie sich schämen müssen oder nicht und suchen die Bestätigung durch eine externe Kompetenz, weil sie sie in sich selber grad nicht finden können.

       

      Ich werfe Ihnen das nicht vor. Dafür kenne ich das Gefühl zu gut. So weit ich sehe, ist es menschlich, so zu fühlen. Gemeinschaft bietet Menschen Sicherheit – und beschneidet zugleich ihre Freiheit. Das merkt man allenthalben an einer Art Hassliebe, die die Menschheit pflegt. Schade finde ich nur, dass Sie Ihr privates Unwohlsein ausgerechnet am „Erklärbären“ Ebru Tasdemir abreagieren, obwohl der/die/das Ihnen doch gerade erst erklärt hat, dass er/sie/es es schwer zu haben glaubt im Augenblick.

       

      Was soll das eigentlich? Wieso suchen Sie sich ausgerechnet einen „angeschlagenen“ Gegner und nicht jemanden, der aktuell im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein meint? Ist Ihnen das Risiko zu groß, mit der geplanten Frustabfuhr zu scheitern? Bloß keine Panik: Die meisten „Starken“ tun nur so. Sie wollen nicht, dass sie zum Sandsack werden. Sie wissen ja, wie die Gesellschaft „tickt“ und beugen Schwierigkeiten vor. Ein angeschossener „Problembär“ allerdings kann echt gefährlich werden. Wäre ich Sie, würde ich meine Taktik überdenken.

      • @mowgli:

        Was interpretieren Sie denn in den Kommentar von Sarkasmus rein. Bei mir hat er grade eine Lampe entzündet: Ich verstehe, dass viele Türken ihren Pass behalten haben eben weil sie Fans sind von Erdogan bzw. seiner Geisteshaltung. Wer anders denkt, nimmt den deutschen Pass, schon allein um der persönlichen Sicherheit willen. Mir leuchtet das voll und ganz ein. Braucht auch nicht mehr groß über Integration diskutiert werden.

  • Zum Vergleich: Wären Aussagen von Currywurst-Imbissbetreibern bei der Bundestagswahl eine Alternative zu den Statements von Politikern und Wahlforschern?

     

    Wenn Sie eine ehrliche und realistische Sicht auf die Dinge bevorzugen: Auf jeden Fall!

    Beziehen Sie noch TaxifahrerInnen, KneipenbesitzerInnen, StreetworkerInnen und viele andere mehr mit ein.

  • "Stattdessen werden lustvoll Integrationsdebatten geführt, als gebe es diese nicht schon seit Jahrzehnten. Als Deutschtürkin erinnert man sich zu gern an Roland Koch, dessen Unterschriftenaktion gegen den Doppelpass wohl weitaus prominenter ist als seine Spendenaffäre."

    Ihren Whataboutism in allen Ehren, recht hat der Koch gehabt. Hätte auch niemlas gedacht das ich sowas sage.... Wo wäre denn Kollege Yücel, wenn er sich für eine Staatsbürgerschaft hätte entscheiden müssen und dann die Deutsche genommen hätte. Aber hey, für so ein bißchen Heimatgefühl riskiert man schon mal Knast

    "Übrigens, zum Thema Todesstrafe: Wer führt eine Integrationsdebatte über deutsche Pegida-Fans, die im Oktober 2015 einen Galgen für Merkel und Gabriel bastelten?" Was die Relativiererei angeht, liebe Autorin, sind sie Spitzenklasse. Randständige poltische extremisten hier, mit einem wannabe Diktor an der Staatsspitze der Türkei gleichzusetzen macht mich sprachlos.... Zumal Sie so auch ihr Verständnis von demokratischer Debattenkultur offenbaren. Nicht meins!

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Nonzke:

      "Wo kann man denn hier gegen die Ausländer unterschreiben ?", diese Frage einer deutschen Durchschnittskartoffel an den damals wahlkämpfenden und Unterschriften sammelnden Koch war selbst diesem erkennbar peinlich. Und doch gut auf den Punkt gebracht. CDU/CSU führen "Integrationsdebatten" nur der Ausgrenzung wegen. Gleiches gilt für jahrzehntelanges Türkeibashing, "Kinder statt Inder"-Gelaber, Kopftuch- und Burkaverbotdebatten. Wir haben ja sonst keine Probleme. Dann kommt noch die Wagenknecht vorbei und labert vom missbrauchten Gastrecht und stets werden Anpassungsanstrengungen gefordert. Gartenzwergnazis wie Sarazzin oder die von der AfD lassen wir gleich mal beiseite. Den Doppelpass, der Millionen von Menschen gleiche rechtliche Teilhabe hierzulande ermöglichen soll, infrage zu stellen, nur wegen Denis Yücel ist schon sehr fragwürdig und dürfte auch von ihm abgelehnt werden. Zu Recht. Was die Integrationsleistungen weiter Teile der Bevölkerung von zB. Freital, Clausnitz, Heidenau, Bautzen oder Dresden angeht: Da siehts in der Tat mau aus. Obwohl die meist nur einen Pass haben ...

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Außer argumentum ad hominem und whataboutism kann ich ihrer Aussage keine rationales Argument finden, welches einer Auseinandersetzung würdig ist.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @Nonzke:

          Das glaube ich Ihnen, dass Sie nichts finden ...

    • @Nonzke:

      Kennen Sie Herr Yücel und die Motive seines Handelns? Und wenn Herr Yücel ein Risiko eingeht und tatsächlich verhaftet wird, dann ist 1. er an seiner Verhaftung selber schuld und 2. hat Roland Koch recht?

      Ich kenne ihr Verständnis demokratischer Debattenkultur nicht, aber ich habe einen Einblick in ihr Verständnis von Argumentation bekommen.

    • @Nonzke:

      "recht hat der Koch gehabt. Hätte auch niemlas gedacht das ich sowas sage..."

       

      Den Gedanken hatte ich diese Woche auch bereits... mit großer innerer Bestürzung. -.-

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @Co-Bold:

        Wenns in Deutschland mal wieder schief laufen sollte, ist jeder Doppestaatler auf der sichereren Seite ...

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    "Denn nur ein gewisser – wohlgemerkt: kleinerer – Anteil der hiesigen Türkeistämmigen hat für Erdoğan gestimmt. Und das, wohlgemerkt, aus vielfältigen Gründen. Über die aber kaum gesprochen wird."

     

    Jo, den Satz notieren wir jetzt mal, im September können wir ihn wieder rauskramen um das Wahlergebnis der AfD schnell wegdrücken zu können.

     

    Übrigens, zum Thema Todesstrafe, da kommt die Stunde der Wahrheit erst noch. Wenn Erdogan sein "Versprechen" wahr macht und über die Todesstrafe abstimmen lässt, dann haben die Erklärbären hierzulande wohl wieder viel zu tun...

     

    Was mich habe wirklich interessieren würde ist etwas ganz anderes. Wen genau sollte man denn befragen um eine für die Community repräsentative Meinung zu bekommen?

     

    Die Autorin beschwert sich zwar über die Befragung von Dönerberkäufern, selbst liefert sie für das Ergebnis aber kaum Erklärungen, ausser vagen Schuldzuschreibungen kommt da nichts.

  • Moment. Moment. Wer nicht zur Wahl ging, hat damit keineswegs Erdogan abgelehnt. Kann nämlich auch schweigende Zustimung. Und wenn 63% den Führer wählen, dann ist das sehr wohl erklärungsbedürftig. Das wäre nämlich so, als ob 63% der Deutschen der NPD ihre Stimme geben.

  • Tja, als Mitglied einer Minderheit hat mers ned einfach. Ich hätte zwei anzubieten: Ossi und bekennender Katholik (nichtpraktizierend). Sippenhaft ist halt leider noch nicht abgeschafft...

    • 3G
      32795 (Profil gelöscht)
      @Hugo:

      Da haben Sie noch Glück gehabt. Ich sage bewusst "noch". Iegendwann sind Sie ein alter, weißer Mann, das überstrahlt dann alles, dann sind Sie, ob Sie wollen oder nicht, das personifizierte Böse.