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Racial Profiling in KölnZu früh für einen Schlussstrich

Die Politik möchte die Debatte um Racial Profiling beenden. Doch sie beginnt erst, denn die Behauptungen der Polizei sind fragwürdig.

Schweigsame Polizei: Bisher gibt es keine Details zu den Festgehaltenen aus dem Kölner Polizeikessel Foto: dpa

BERLIN taz | Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben am Montag das Vorgehen der Kölner Polizei in der Silvesternacht verteidigt. „Ich will ausdrücklich sagen, dass es richtig war, wie die Polizei aufgetreten ist – in Köln und anderswo“, sagte Merkel am Montag bei der Jahrestagung des Beamtenbundes dbb in Köln. Auch Kraft dankte dort der Polizei. Über die anschließende Rassismusdebatte sei sie „wahnsinnig wütend“, fügte Kraft hinzu.

Nach der jüngsten Silvesternacht hatten massenhafte Kontrollen von mutmaßlichen „Nordafrikanern“ durch die Polizei eine Debatte um Racial Profiling ausgelöst. Insgesamt 1.700 Polizisten waren in Köln im Einsatz gewesen, um Vorfälle wie im Jahr zuvor zu verhindern. Silvester 2015 hatte es in Köln zahlreiche sexuelle Übergriffe auf Frauen und massenhafte Diebstähle gegeben. Die Verdächtigen und – wenigen – Verurteilten waren überwiegend Nordafrikaner. Ein überwiegender Teil von ihnen war erst seit wenigen Monaten in Deutschland und besaß einen Asylbewerberstatus oder überhaupt keinen gültigen Aufenthaltstitel.

Insbesondere der Polizeikessel vor dem Hauptbahnhof zum Jahreswechsel 16/17 war auf Kritik gestoßen, weil dort Hunderte von Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe festgehalten und überprüft wurden. „Ab 22.00 Uhr befanden sich in und um den Kölner Hauptbahnhof bis zu ca. 1.000 Personen mit nordafrikanischem Hintergrund. Alle Personen, die dem nordafrikanischen Spektrum zugeordnet werden konnten, wurden außerhalb des Bahnhofs im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einer Identitätsfeststellung unterzogen“, heißt es in einem vertraulichen Polizeibericht, aus dem Spiegel Onlinezitierte. Das widerspricht der Aussage der Polizei, es habe dort kein Racial Profiling gegeben.

Nachträglich behauptete die Kölner Polizei, sie habe die Menschen nicht nur aufgrund ihres Aussehens, sondern auch aufgrund ihres Verhaltens festgehalten, was rechtmäßig gewesen wäre. Die Betroffenen seien aggressiv, alkoholisiert und in Gruppen aufgetreten, so die Polizei. Betroffene und Augenzeugen widersprechen dieser Darstellung. Dem steht auch die Tatsache entgegen, dass die Polizei an dieser Stelle lediglich 48 Platzverweise gegen einzelne Personen aussprach und die Menge kurz nach Mitternacht ohne weitere Kontrollen laufen ließ.

Bis heute verweigert die Kölner Polizei eine Auskunft darüber, welcher Nationalität die 650 Menschen waren, die sie vor dem Hauptbahnhof einer intensiven Überprüfung unterzog. Dass auch nur ein Intensivtäter darunter war, oder dass überwiegend potentielle Troublemaker nordafrikanischer Herkunft festgehalten wurden, dafür gibt es bislang keinen Beweis.

Unklar ist auch, worauf sich die Aussage des Kölner Polizeipräsidenten gründet, es seinen in dieser Nacht „überraschend viele junge Männer nordafrikanischer Herkunft“ nach Köln unterwegs gewesen. Denn von den 170 Personen, deren Personalien die Bundespolizei auf dem Weg nach Köln gezielt überprüfte, waren 56 mit deutscher, 23 mit syrischer, aber nur 22 mit algerischer und 17 mit marokkanischer Nationalität.

„Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe sind verboten. Sie verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, der taz. „Wer sich diskriminiert fühlt, kann sich direkt an die Bundespolizei, aber auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden.“

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12 Kommentare

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  • Danke zunächst an die taz für die daten die aus dem artikel zu lesen waren. Endlich mal etwas konkretes das man nicht „fühlen“ muss.

    Die anschließende diskussion ist viel fruchtbarer als in irgend einem anderen forum.

    Es fällt auf das viele sich nach einer alternative zu dem vorgehen der polizei fragen bzw keine alternative zu dem vorgehen sehen wollen. Folgener vorschlag:

    wenn sie auf einer landstraße fahren und die polizei sehen. Schauen sie dann auf ihren tacho um zu sehen ob sie zu schnell fahren?

    Und wenn sie nicht zu schnell fahren und die polizei sie anhält, papiere kontroliert, wagen auf fahrtauglichkeit untersucht ect. sind sie dann ein geläuterter auto fahrer oder eher verärgert?

    Was ich damit sagen will ist das ausweiskontrollen keine straftaten verhindern die präsenz der polizei aber sehr wohl. Das was die polizei 2015 nicht gemacht hat und 2016 allen gerecht geworden wäre ist präsenz zu zeigen (in dem hbf nicht davor).

    Das was sie getan hat war präsenz und lupen reines racial profiling. Für mich also verständlich das sie nicht aus den schlagzeilen kommt.

  • Der moralische Aspekt ist klar: "racial profiling" im Sinne von willkürlicher polizeilicher Kontrolle Unschuldiger aufgrund beispielsweise der Hautfarbe darf es nicht geben. Genau dieses "racial profiling" existiert aber: Schwarze Deutsche können ein Lied davon singen.

     

    Nicht so klar ist der praktische Aspekt: Was hätte die Polizei an Silvester 2016 in Köln besser machen können (außer vielleicht auf den Ausdruck "Nafri" zu verzichten)? Was hätte denn jeder von uns getan bzw. nicht getan, wenn er auf irgendeiner Ebene in die zweifellos notwendigen Sicherungsmaßnahmen involviert gewesen wäre? Was hätte ich als Einsatzleiter oder einfacher Polizist in dieser Situation anders gemacht ohne zu riskieren, dass sich die Ereignisse von Silvester 2015 auch nur ansatzweise wiederholen?

     

    Ich denke, man muss akzeptieren, dass es an Silvester 2016 schlicht und einfach keine Ideallösung gab, die jeden einzelnen zufriedengestellt hätte.

  • Welche Folgen racial profiling bei der Ermittlugnsbehörden hat, zeigen die NSU-Morde. Wir erinnern uns: Die Plolizei bildete eine Soko 'Dönermorde', die Medien-Öffentlichkeit - bis hin zum Spiegel und auch die Linke - hielten das lange für ein Resultat mafiotischer Strukturen innerhalb der Migranten. Obwohl ein Profiler früh auf einen rechten Hintergrund hinwies, setzte die Polizei lange die Betroffenen und ihre Angerhörigen einem Generalverdacht aus. Das kommt dabei heraus, wenn man racial profiling duldet.

    • @Philippe Ressing:

      Hallo Herr Ressing,

       

      dann machen sie doch nen Vorschlag wie es ohne racial profiling gegangen wäre.

       

      Im Gegensatz zu Nazis, Fussballhools und autonome Steinewerfer (oh Entschuldigung das heißt ja "Aktivisten") tragen Taschendiebe keine äußeren Erkennungszeichen (ich glaube sogar - muss ich aber erst die grüne Theorie noch fragen - Taschendiebe versuchen bewusst unauffällig zu sein).

      Bleibt also nur die Zuordnung nach anderen optischen Merkmalen. Telephatische Kräfte um Gedanken zu lesen hat die Polizei nicht.

       

      Ein nicht rassistischer Polizeieinsatz in Köln, sodass auch Frau Peter und Herr Bax nichts zu meckern gehabt hätten würde bedeuten: weniger Kontrolle.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Na danke, da sind sie wenigsten Ehrlich und fordern Rassismus beim Polizeieinsatz.

        Mir geht es darum, dass klar wird, racial profiling in den Köpfen vieler Beamten hat im Fall NSU 10 Jahre lang die Aufklärung behindert wenn nicht verhindert!

  • Das mit rumgeeiere wegen Rassismus, Antidiskrimienierung und so weiter geht mir langsam auf den Nerv.

     

    Wo gehobelt wird fallen Späne. Und das war beim Einsatz in Köln halt so. Und wem es von unseren "nordafrikanischen Gästen" hier nicht passt kann jederzeit gehen.

     

    Für mich ist das Thema durch

  • Dank für die Recherche:

    "Dass auch nur ein Intensivtäter darunter war, oder dass überwiegend potentielle Troublemaker nordafrikanischer Herkunft festgehalten wurden, dafür gibt es bislang keinen Beweis."

    "Von den 170 Personen, deren Personalien die Bundespolizei auf dem Weg nach Köln gezielt überprüfte, waren 56 mit deutscher, 23 mit syrischer, aber nur 22 mit algerischer und 17 mit marokkanischer Nationalität"...

    Schon diese beiden Rechercheergebnisse sprechen doch gegen den Rassismusverdacht.

  • "Alle Personen, die dem nordafrikanischen Spektrum zugeordnet werden konnten, wurden außerhalb des Bahnhofs im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einer Identitätsfeststellung unterzogen"

     

    Nordafrikanisches Spektrum - say what?

    Seit wann bestimmt die Herkunft über die (politische) Gesinnung eines Menschen? Wenn es ein nordafrikanisches Spektrum gibt, dann muss es folglich auch ein deutsches Spektrum geben. Ein syrisches. Und so weiter. Das hat nichts mehr mit Polizeiarbeit und Arbeitsschwerpunkten zu tun - das ist offen rassistisch. Und dazu noch auf die dümmste Weise. Die Herkunft als Beleg für die Qualität eines Menschen.

     

    Ich bin schon ein wenig fassunglos über den offen kommunizierten Rassismus. Und Frau Kraft "wahnsinnig wütend". Rot-Grün eine progressive Kraft? My ass.

  • „Wer sich diskriminiert fühlt, kann sich direkt an die Bundespolizei, aber auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden.“

     

    Wer sich verbrannt fühlt, kann sich gleich im nächsten Feuer heilen. Nachdem sich Kanzlerin, Ministerpräsidentin und Polizei festgelegt haben, dass kein Racial Profiling stattfand, werden BuPo(!) und Antidiskriminierungsstelle sicherlich alle Hebel in Bewegung setzen, um Gegenteiliges zu beweisen. Vor der Lektüre dieses Artikels wusste ich nicht einmal, dass es eine Antidiskriminierungsstelle gibt, bin da wohl ein Einzelfall.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    ach Herr Bax, hören Sie endlich auf etwas zu Konstruieren.

    Sie machen Sich lächerlich.

     

    haben Sie nichts besseres zu tun?

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Endlich solidarisiert sich jemand von der SPD auch öffentlich mit den anderen Wahnsinnigen hier :)

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @8545 (Profil gelöscht):

      LOL: Immer dieses pathologisieren, wenn keine Argumente vorhanden sind.

      Frau Lüders weist nur, auch wie Amnesty International, auf die Rechtslage hin. Das ist auch die Aufgabe von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und Amnesty International.