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Nach der US-PräsidentschaftswahlFrau sein geht auch ohne Clinton

Die vermeintlichen Stärken Hillary Clintons waren gar keine. Donald Trump hat alles falsch gemacht – und offenbar deshalb alles richtig.

Es gab jede Menge Kritik an Trump, doch sie hat nicht ausgereicht Foto: ap

Berlin taz | Was ist da nur passiert? Wie konnte Donald Trump, entgegen fast allen Umfragen in den Wochen zuvor, am Dienstag dennoch eine Mehrheit zusammenbekommen?

Die Nachwahlbefragungen geben einen gewissen Aufschluss, insbesondere wenn man die Ergebnisse mit denen der Wiederwahl von Barack Obama 2012 vergleicht. Beispiel Frauen: Hatte Hillary Clinton gehofft, durch die Chance, als erste Frau der Geschichte ins Weiße Haus einzuziehen oder zumindest doch nach Bekanntwerden der „Pussy“-Bänder Donald Trumps bei den Wählerinnen einen Erdrutschsieg einzufahren, zeigen die Daten, dass nur 54 Prozent der Wählerinnen ihr die Stimme gaben – Obama hatten vor vier Jahren noch 55 Prozent der Frauen gewählt.

Nach Donald Trumps diversen rassistischen Ausfällen und inmitten der „Black Lives Matter“-Bewegung hätte Clinton eigentlich bei allen People of Color deutlich zulegen müssen. Stattdessen verlor sie in allen Bevölkerungsgruppen deutlich gegenüber Barack Obama vor vier Jahren, auch wenn Trump nur bei den Weißen eine klare Mehrheit von 58 Prozent einfahren konnte.

Die Daten belegen, was man seit Trumps Vorwahlsiegen wusste: Seine stärkste Wählergruppe waren die relativ bildungsfernen, ökonomisch abgehängten weißen Niedrigverdiener, die sich vom System verraten fühlen und an Trumps Selbststilisierung als Kämpfer für die Vergessenen glauben.

Gegen alle Regeln

Aber allein mit denen hätte Trump nicht gewinnen können. Auch in nahezu allen anderen Wählergruppen schneidet Trump gut ab – besser jedenfalls als John McCain 2008 und Mitt Romney 2012. Nach beiden Wahlen hatte die Führung der Republikanischen Partei Arbeitskreise eingesetzt und Gutachten in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie die Republikaner wieder einen Weg ins Weiße Haus finden könnten.

Offensichtlich, so die Analyse, reiche es nicht, im Wesentlichen ältere weiße Männer aus den ländlichen Gebieten und den Vorstädten anzusprechen. Die Empfehlungen sollten die Republikanische Partei öffnen und modernisieren, doch der Vorwahlprozess machte diese Hoffnung zunichte – einer der Gründe, warum sich die Parteielite ob des Kandidaten Donald Trump die Haare raufte. Sie befürchteten, Trump könnte derart hoch verlieren, dass auch die republikanischen Mehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus mit ihm in den Abwärtsstrudel geraten könnten.

Doch das bewahrheitete sich nicht. Zwar gaben die Republikaner sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus jeweils ein paar Stimmen ab, behielten jedoch in beiden Kammern die absolute Mehrheit.

Aber „The Donald“ musste gar nicht öffnen, im Gegenteil. Befeuert durch unentwegte Medienaufmerksamkeit, brach Trump mit allen Regeln nicht nur des menschlichen und politischen Anstands, sondern auch der gewohnten Wahlkampfführung. Er erklärte alle für albern und ahnungslos, die ihm prophezeiten, er verspiele seine Wahlchancen durch seine unbeherrschten und beleidigenden Auftritte. Er könne, sagte er noch während der Vorwahlen auf dem Weg zur Kandidatur, mitten auf der 5th Avenue jemanden erschießen, und es würde ihn keine Stimme kosten. Eine nicht mehr ganz realitätsferne Einschätzung.

Die skeptische Mehrheit

Es bleibt Spekulation, ob ihm das auch gelungen wäre, wenn jemand anderes als Hillary Clinton gegen ihn angetreten wäre. Sicher ist: So wie sich ein großer Teil der Clinton-Wähler vor allem für sie entschied, um Trump zu verhindern, hatte Trump allein aufgrund der Abneigung gegen Clinton auch schon eine ansehnliche Wählerbasis.

Dazu kommen jene absolut enthusiastischen Trump-Fans, die ihn auf jeder Rally bejubelten – und die traditionellen Konservativen und Evangelikalen, die zwar Trumps Verhalten als einen Schlag ins Gesicht und eine Verletzung ihrer ethischen Grundsätze empfanden, ihm aber dennoch mit Inbrunst anhängen. Knapp über 58 Prozent aller Wähler sagten nach der Stimmzettelabgabe, sie seien über eine Trump-Präsidentschaft besorgt oder sogar deutlich beängstigt – eine Mehrheit bekam Trump trotzdem. Bei den Evangelikalen und wiedergeborenen Christen stimmten 81 Prozent für Trump.

Die Demoskopen scheinen vor diesen Wahlen weniger denn je in der Lage gewesen zu sein, den tatsächlichen Wählerwillen einigermaßen korrekt zu erfassen. Und die Wähler selbst wussten offenbar auch nicht, was sie tun: Mehr als die Hälfte aller Trump-Wähler gaben an, ihre Wahlentscheidung erst spät im Oktober oder gar erst in den letzten Tagen vor der Wahl getroffen zu haben.

Das dürften nicht diejenigen sein, die schon seit Mitte letzten Jahres Trump-Veranstaltungen füllen. Zunächst von seinen innerparteilichen Gegenkandidaten, dann von den Medien war Trump stets mitleidig belächelt worden, weil er sich nicht um den Aufbau solider Wahlkampfinfrastruktur kümmere, sondern stattdessen lieber große Hallen fülle, um sich wohlzufühlen und feiern zu lassen.

Für Trump hat das funktioniert. Er hat eine Anti-Establishment-Front von ganz rechts außen bis moderat enttäuscht aufgebaut, die unter sich wenig Berührungsängste kennt, sich hinter ihrem Messias Donald Trump vereint und vermutlich viel eher als längerfristige Bewegung zu begreifen ist als die Anhänger der „Revolution“ von Hillary Clintons innerparteilichem Gegenspieler Bernie Sanders.

Es wird spannend zu sehen, ob so ein Bündnis auch hält, wenn Trump regiert und nicht mehr den Outsider geben kann.

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14 Kommentare

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  • Es verwundert wenig, dass die Demoskopen sich aller Nase lang derart vertun, wenn sie so oberflächlich vorgehen. Was soll diese Erbsenzählerei um ein Prozentchten hier und ein Prozentchen dort, dass Clinton im Vergleich zu Obama an abgegebenen Stimmanteilen weniger errungen hat??

     

    "It's the TURNOUT, stupid." würde ihr Mann sagen.

     

    Wer eine Wahl in den USA gewinnt, tut das zuvorderst, weil genug Menschen, die ihm zuneigen, überhaupt zur Wahl gehen. Und genau daran ist Clinton im Zweifel gescheitert: Angst vor Trump allein und ein zweites X-Chromosom reichen eben nicht aus, um die Mobilisierung zu erreichen, die Obama (oder seinerzeit auch Bush) in ihrer jeweiligen Klientel bewerkstelligt haben.

     

    Es war von vornherein klar, dass Trump mit seiner Anti-Establishment-Agenda ungewöhnlich viele Wähler mobilisieren würde, die in den vergangenen Wahlen nicht wählen gegangen sind (und damit aus der Arithmetik der Pollster herausfallen). Warum? Weil er versprach, was auch Obama zum Sieg getragen hat: Veränderung - also eine - aus Sicht der Unzufriedenen - durch und durch aktive, positive Botschaft. Im Vergleich dazu wirkt Clintons tapferes "Weiter so." ein wenig mager - und genau deshalb ist es eben auch kein solcher Bringer in der Wählermobilisierung.

     

    Die vor Trump (nicht zu Unrecht) Zitternden sind vielleicht brav zur Urne getapert. Aber sie wurden durch Jene aufgewogen, die - in mittlerweile fast ein Vierteljahrhundert alter republikanischer Tradition - alles hassen und verhindern wollen, was "Clinton" heißt.

    Entschieden haben die Wahl aber Jene, die sich von Trump wirklich etwas versprechen, weil es zu ihnen bei Clinton nicht so viele Gegenstücke gibt. Deshalb hat Trump auch in den Clinton-Hochburgen und ihren bevorzugten demografischen Segmenten immer noch mehr Anhänger gefunden als umgekehrt Clinton in den seinen.

  • Clinton 47,7 % und Trump 47,5% aller Wählerstimmen. Das US-amerikanische Wahlsystem macht´s möglich, dass Trump gewann. Darauf sollte einmal hingewiesen sein.

    • @lions:

      Die USA sind eben ein föderaler Staat, der bewusst an dieser Identität und damit an einem gewissen Regionalismus festhält: Es sind effektiv die Staaten, die den Präsidenten wählen, nicht unmittelbar deren einzelne Bürger.

       

      Das wirkt natürlich etwas anachronistisch. Aber da dieses Konstrukt sich - selbst MIT der krassen Ausnahme des Bürgerkriegs - in den letzten Jahrhunderten als eine herausragend stabile demokratische Staatsform erwiesen hat, kann ich persönlich gut verstehen, dass weiter daran festgehalten wird. Insbesondere sollten die Bürger eines Landes, dessen aktuelle Regierungschefin gerade auch mit den (parlamentarisch repräsentierten) Stimmen gewählt wurde, die eigentlich ihrem Herausforderer galten, sich diesbezüglich nicht auf zu hohe Rösser schwingen...

    • @lions:

      Ja, darf man gerne, allerdings war es einmal bei Obama (oder war es Bush?) schon mal so, dass nun so dringend herausstellen zu wollen führt dann wieder dahin zu rück, wieso man nicht glauben konnte, dass der Mann gewinnt.

       

      Ebenso sollte man da wir die 5% Hürde im Verhältniswahlrecht haben, man vielleicht nicht mit Steinen werfen aus dem Glashaus.

       

      Systeme sind halt Systeme

      • @Krähenauge:

        Obama gegen McCain: 53 % zu 47 %

        Also so wird´s nix.

        Aber ein Wahlssytem ist noch kritisierbar?

        • @lions:

          Stimmt , es war Bush gegen Gore 2000 mit 47,9% zu 48,4%.

           

          Natürlich darf man das Wahlsystem kritisieren (es ist ja Stand 18xx) , aber es zu kritisieren weil Trump gewonnen hat, nein das darf man nicht.

          • @Krähenauge:

            Klar, wenn die Absurdität mit ihm erst so richtig deutlich wurde. Man darf dass, haben wir das nicht erst von Trump gelernt?

  • "Hillary Clinton [hatte] gehofft, durch die Chance, als erste Frau der Geschichte ins Weiße Haus einzuziehen, einen Erdrutschsieg einzufahren". Nun aber "zeigen die Daten, dass nur 54 Prozent der Wählerinnen ihr die Stimme gaben – Obama hatten vor vier Jahren noch 55 Prozent der Frauen gewählt."

     

    Frau Clinton war vermutlich zu beschäftigt um zu registrieren, dass die Zeiten sich geändert haben. Frauen an der Macht sind nichts Spektakuläres mehr. Es gibt schon etliche davon und die wenigsten von ihnen machen ihre Sache erkennbar besser als ein Mann sie machen würde. Das x-Chromosom genügt also nicht mehr als Argument. Clintons Polit-Strategen haben mit ihrer Arroganz nicht nur die "relativ bildungsfernen, ökonomisch abgehängten weißen Niedrigverdiener" verprellt. Sie haben auch die Frauen unterschätzt, und zwar unabhängig von ihrer Hautfarbe.

     

    Dass Hillary Clinton immer noch versucht, ihrem Vater, ihrem Ehemann und nicht zuletzt sich selber zu beweisen, dass Frauen nicht grundsätzlich schlechter sind als Männer, ist ihr Problem. Dass die Strategen der Demokratischen Partei glauben, jeder, der nicht ist wie sie, sei auf den Kopf gefallen, ist allerdings ein Problem, das wir alle miteinander haben.

    • @mowgli:

      ;) - upps!

       

      Das lappt ja heute - doch - doch -

      Schwer ins Philosopische!

       

      (by F.K.Waechter - "...... -

      "Dein Bier war auch nicht schlecht!";)

  • Gut möglich, dass sich die Demokraten mit der Nominierung Hillary Clintons diesmal selbst besiegt haben. Die Amerikaner wollten wohl mehrheitlich keine Frau als Präsidenten, auch wenn sie zweifellos weit besser für dieses Amt qualifiziert ist und auch ungleich mehr Erfahrung und Integrationsfähigkeit dafür mitbringt. Sie wollten mit Sicherheit auf gar keinen Fall eine Frau wie Hillary Clinton an der Spitze, weil die für ein verhasstes politisches System steht, das sich vornehmlich um sich selbst kümmert und entweder gar nicht willens, oder gar nicht in der Lage ist, seinen Versprechungen die passenden Taten folgen zu lassen.

    Die allseits große Aufregung über den Ausgang der Wahl kann ich im übrigen überhaupt nicht teilen. Trump mag ein Irrer sein, aber - mal ganz unter uns - muss man denn nicht sowieso vollkommen irre sein, wenn man sich um das Amt des amerikanischen Präsidenten bewirbt?

  • Aber jetzt kommt der System Change:

     

    das Präsidialsystem wird abgeschafft und eine neue basisdemokratische Struktur wie in Rojava etabliert.

    Tuzla 2014 hat es gezeigt!

    • @nzuli sana:

      Genau sowas wird eben nicht geschehen. Trump steht für die Macht des Geldes und wer jetzt glaubt, mit der Wahl Trumps hätte sich irgendetwas an der Politik in Amerika geändert, der hat schon bisher gar nichts verstanden. Die war doch schon immer gruselig, nur hier in Europa hat man sich das immer gerne schöngeredet.

      • @Rainer B.:

        Entschuldigen Sie, vermutlich war das missverständlich.

        ich meinte nicht mit, sondern in den Kämpfen GEGEN Trump . Sollte als negative Dialektik Hoffnung verbreiten.

  • ".... Bei den Evangelikalen und wiedergeborenen Christen

    Stimmten 81 Prozent für Trump...."

     

    Das verwundert ja nun auch nicht wirklich. Newahr.

    Nur mal als Beispiel - In Vechta oder gar Cloppenburg -

    Könnste auch nen Besenstiel - Aufstellen!

    Gewählt! - Garantiert - Aber so was von!

    Hauptsache - schwarz!