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Kommentar Bundeswehreinsatz im InlandEin schäbiges Schauspiel

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Im Namen des Kampfs gegen den Terror soll der Boden für künftige Einsätze der Bundeswehr im Innern bereitet werden. Warnende Stimmen fehlen.

Verteidigungsministerin von der Leyen bei einem Besuch einer Panzerbrigade in Torgelow Foto: dpa

D as bislang Undenkbare denkbar machen – das ist der eigentliche Zweck der Übung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Thomas de Mai­zière. Im Namen des Kampfs gegen den Terror bereiten sie den Boden, um künftig die Bundeswehr auch ohne Grundgesetzänderung unterhalb der Schwelle des Staatsnotstands militärisch im Inland einsetzen zu können. Dass der grüne Ministerpräsident und bekennende Schwarz-Grün-Befürworter Winfried Kretschmann bei diesem Schmierenstück mitspielt, verwundert zwar nicht, bleibt aber trotzdem empörend.

Mit der Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel wollen von der Leyen und de Maizière jetzt offensiv den Interpretationsspielraum bei der Auslegung des Grundgesetzes nutzen, den das Bundesverfassungsgericht 2012 eröffnet hat. Das nicht abwegige Kalkül ist, dass die Karlsruher Richter der Bundesregierung schon nicht in die Parade fahren werden.

Es ist das gleiche schäbige Schauspiel, das schon in den Jahren nach der Wiedervereinigung aufgeführt wurde, um Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr wider den Wortlaut des Grundgesetzes möglich zu machen. Auch damals fehlte es an einer verfassungsändernden Mehrheit im Bundestag, also passte die Kohl-Regierung sukzessive – und von Karlsruhe sanktioniert – die Verfassungspraxis den „neuen Realitäten“ an. Genauso macht es nun die Merkel-Regierung – mit gerademal leichtem Murren der SPD-Minister.

Deutschland ist einer der wenigen Staaten weltweit, die sich einer strikten Trennung von Militär und Polizei verschrieben haben. Aus guten historischen Gründen sind die innerstaatlichen Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr stark limitiert. Die Terrorbekämpfung im Innern sollte eine polizeiliche Aufgabe bleiben.

Aus guten Gründen ist die Rolle der Bundeswehr bisher limitiert

Als die Große Koalition 1968 mit den Notstandsgesetzen den Einsatz der Bundeswehr im Innern grundsätzlich ermöglichte, gab es einen großen gesellschaftlichen Aufschrei. Dabei ging es seinerzeit „nur“ um den extremen Ausnahmefall des Staatsnotstands. Doch zu nah war noch die Zeit des Nationalsozialismus, zu präsent auch die unrühmliche Rolle, die die Reichswehr in der Weimarer Republik gespielt hatte. Inzwischen ist die Erinnerung verblasst. Heutzutage gibt es keine Demokratiebewegung, keine große außerparlamentarische Opposition, keinen Heinrich Böll, keinen Ernst Bloch und keinen Helmut Gollwitzer, die vor der Gefahr einer inneren Militarisierung warnen. Sie fehlen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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25 Kommentare

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  • Bei der Debatte um den Bundeswehreinsatz bei innenpolitischen Krisen wird vergessen, dass wir mittlerweile eine Berufsarmee haben. Wird diese Bundeswehr gegen soziale Unruhen eingesetzt, steht da nicht mehr der 'Bürger in Uniform' gegen den Bürger - sondern ein Legionär, der für seinen Job bezahlt wird. 'Innere Führung' einer Armee im demokratischen Staat wird wieder durch Kadavergehorsam ersetzt. Beim Kapp-Putsch rechter Freikorps 1920 gegen die Weimarer Republik verweigerte Reichswehrchef von Seeckt den Einsatz: "Reichswehr schießt nicht gegen Reichswehr". Gegen Linke ging man degegen mit voller Gewalt vor. Ein wichtiger Grund, warum die Bundeswehr in inneren Auseinandersetzungen nicht eingesetzt werden darf - und das gilt immer noch.

    • @Philippe Ressing:

      Sollte es wirklich wieder soweit kommen, dass die Bundeswehr und nicht die Polizei gegen Demonstranten, Aktivisten und Radalieren vorgeht spielt es keine Rolle ob das Gesetz das erlaubt oder nicht.

       

      Wer meint es sei legitim mit ner Haubitze die Probleme der z.B. Riegarer Str. zu lösen wird sich auch nicht von nem Blatt Papier abhalten lassen.

  • Liebe Pohlmänner et al, so richtig rund werden die Cassandra-Rufe aber erst, wenn noch ein wenig dargelegt wird, wie sich die Notstandsgesetze in den letzten 48 Jahren Bahn brachen und zügig um- und eingesetzt werden, nachdem sie in Kraft traten.

    • @Trango:

      Alter - Audi! - aka - Horch!-

      Wir sind ganz Ohr - &

      Lesen - erGreif end mit!;()

      So nicht geschreddert!

      Versprochen!

  • Abgesichts der drohenden Verabschiedung der "Notstandsgesetze" schrieb Theodor W. Adorno 1968: "Fühlt man sich einmal dessen sicher, was alles man mit den Notstandsgesetzen decken kann, so werden sich Gelegenheiten, sie zu praktizieren, schon finden. Das ist der wahre Grund, warum man dagegen aufs schärfste protestieren muß, daß nun die bislang allmähliche Aushöhlung der Demokratie auch noch legalisiert werde. Zu spät ist es, wenn einmal die Gesetze es erlauben, jene Kräfte außer Aktion zu setzen, von denen erwartet wird, daß sie den Mißbrauch in Zukunft verhindern könnten: eben dazu wird der Mißbrauch es nicht mehr kommen lassen. In der größten erreichbaren Öffentlichkeit ist gegen die Notstandsgesetze zu opponieren wegen des Verdachts der Notstandsfreude derer, die sie erlassen." - Offenbar ein uraltes Problem der bundesdeutschen Demokratie.

    • @Albrecht Pohlmann:

      "Na aber sicher dat!

      Normal!" &

       

      Da kann ich nach - schonn -

      "Mir ist mies. Theo" by Hans Eisler;)

       

      Nur den SDAJ-ler aus HH auffer Hofgartenwiese Bonn - zitieren:

      "Jenossinnen - Jenossen -

      Ich sach euch -

      Wir haben schon drei Innenminister

      Geschafft!

      Wir werden auch diesen Innenminister

      Noch schaffen! - Sach ich euch!…"

       

      (In den Jubel sei angemerkt -

      Nich das FrozenThomas noch

      Andreas Voßkuhle als Präsi KA

      Beerbt wie einst - IM Ernst Benda!)

      Das - Wäre denn doch ein mehr als -

      All zu schäbbiges Spiel!;((

      • @Lowandorder:

        Asche auf mein Haupt -

         

        "Mir ist mies.Teddy."

        muß es nach Ernst Bloch -

        Natürlich heißen!;)

  • Sehr informativ ist auch dieser TELEPOLIS-Beitrag: http://www.heise.de/tp/artikel/49/49281/1.html

  • In Sachsen-Anhalt entsteht mit "Schnöggersburg" (ein Fall für spätere antimilitaristische Linguisten) in der Colbitz-Letzlinger Heide ein urbanes Übungszentrum der Bundeswehr, in welchem diese künftig für den Aufstand im Inneren trainieren wird (sie meinen also uns, liebe TAZ-Leserinnen und -Leser). Selbstverständlich verdient die deutsche Rüstungsindustrie gewaltig an diesem verfassungsfeindlichen Projekt. Die Anwohner, die seit Jahren nicht mehr "ihren Wald" betreten dürfen, sind genervt. Dokumenatrfilmer (Stipendiaten der "Werkleitz-Gesellschaft" in Halle/S.) erhielten keine Drehgenehmigung. Streng geheim gehalten, wird die Bekämpfung unserer künftigen Aufstände trainiert. - Ich übertreibe? Verschgwörungstheoretisiere? Hm - wozu braucht denn man eine simulierte "Großstadt" mit U-Bahn, Downtown, "problembehafteten" Randbezirken? - Eben. Das europäische Militär bereitet sich auf den Einsatz gegen uns vor.

    • @Albrecht Pohlmann:

      Mit "Schnöggersburg" geht Ihre Kritik aber fehl. Es ist nunmal eine Tatsache, daß heutige Einsätze auch solche in modernem urbanen Umfeld umfassen. Dahingehend gab es bei der Bundeswehr bisher nix. "Bonnland" in Hammelburg simuliert ein Dorf, das ist gut für den eigentlichen Orts-und Häuserkampf, allerdings kann es nicht auf Einsätze in großen Städten vorbereiten. Daher ist "Schnöggersburg" schlicht eine logische Konsequenz (die durchaus auch aus der Truppe schon länger gefordert wurde).

  • Drei zufällig ausgewählte Beispiele dafür, wie Bundes- und Landtagsfraktionen der Pareti "DIE LINKE" Planungen für den Bundeswehreinsatz im Innern infrage stellen, kritisieren und davor warnen. Eindeutig, konsequent, grundgesetzfundiert. - Aber gell, liebe TAZler, das wäre euch jetzt wieder zu blöd gewesen, die uncool-ostig-schmuddelige "SED-Nachfolgeorganisation" zu zitieren. Deshalb also lieber: "Warnende Stimmen fehlen." - Ich erlaube mir, zum wiederholten Mal davor zu warnen, daß durch Ignoranz oder Abwehr linker Positionen, die nicht ins eigene (links-grün-bürgerliche) Schema passen, die ohnehin geschwächte linke Bewegung weiter geschwächt wird. Was ausdrücklich nicht heißen soll, daß für eine linke Zeitung jede linke Psition kritikresistent sein sollte. Aber die TAZ berichtet im Schnitt sehr viel weniger darüber, was Politiker DER LINKEN in Parlamenten sagen oder tun, als über die anderer Parteien. - Im Übrigen finde ich den Kommentar von Herrn Beucker gut und berechtigt. Für meinen Geschmack - dem Herr Beucker ja nicht folgen muß - hätte er freilich noch schärfer ausfallen können: Die Sicherheitspolitiker unseres Landes nutzen die (zusätzlich zum tatsächlichen Geschehen noch geschürte?) Terrorhysterie aus, um einen (massenhaften) Bundeswehreinsatz im Innern zu ermöglichen, der im entscheidenden Fall nicht dem Einzelphänomen "Terrorismus", sondern massenhaften Sozialprotesten gelten wird. An der Peripherie Europas, aber auch in Frankreich konnten unsere Beherrscher beobachten, wie schnell solche Massenproteste entstehen - das fürchten sie, dem wollen sie vorbeugen. Mit Bundeswehreinsatz - denn gegen "Terroristen" wäre der bloß ineffektiv.

    • @Albrecht Pohlmann:

      - korrekt -

       

      Das ist des Pudels Kern.

  • Sehr gute Sache.

    Endlich werden wie weniger "deutsch" und mehr "europäisch".

    Ist ja nunmal Fakt, dass in der EU die strikte Trennung von Innen und Militär nur in Deutschland so stark ausgeprägt ist.

     

    Wenn wir also ein einer gemeinsamen europäischen Identität arbeiten wollen müssen wir nationale Egoismen überwinden.

    Es sei denn man möchte ein "deutsches" Europa und setzt seine Definition von richtig über den des größten Teils Rest Europas ☺

     

    Ihr solltet vielleicht mal eure unberechtigten Ängste abbauen. Wieviel Zivilisten wurden jetzt in Frankreich seit dem Ausnahmezustand von Soldaten erschossen? Ich glaube keine - das sind nur Vorurteile.

     

    ///

    Spaß bei Seite. Es gibt gute Gründe warum das getrennt ist. Ich seh aber kein Zusammenhang zwischen der Bundesrepublik deswegen heute und der Wehrmacht damals. Von daher glaube ich ist es recht sinnvoll - schon allein deshalb damit keine Verfassungsklage droht wenn man mal nen Hubschrauber braucht.

  • Tja, unsere "Friedenbewegung" ist momentan leider an vielen anderen Fronten beschäftigt... so wie alle sozialen und gesellschaftlichen Bewegungen momentan für andere Themen eingespannt sind... ein Schelm wer böses denkt

  • Das stimmt doch gar nicht, dass es keine warnenden Stimmen gebe. Sowohl Grüne als auch Linke im Bundestag haben dazu diverse sehr eindeutige Stellungnahmen und Pressemitteilungen abgegeben. Was sollen die denn noch tun, wenn sie von den populismusgierenden Massenmedien denn nunmal leider nicht die Präsenz eingeräumt bekommen wie andere Akteure.

    • @Soda:

      Wobei speziell die Grünen extreme Wackelkandidaten sind, wenn es darum geht, sich für mögliche Regierungsbeteiligungen mit den C-Parteien hübsch zu machen- siehe Kretsche in BaWü als (IMHO) Sargnagel für den ursprünglichen "Markenkern" der Grünen, so wie Agenda-Schröder die SPD (auch IMHO) zum Sterben reifgeschossen hat. Was die Grünen betrifft, Kelly & Bastian rotieren in ihren Gräbern.

  • - alles korrekt -

     

    Der NoNoNotstandsNo-Kampf

    War eine jahrelange gesellschaftliche

    Auseinandersetzung - Profs. wie

    Horst Ehmke (später - Willy aufstehn - Regieren!)

    Konrad Hesse (später BVerf-Richter)

    Mit Benda* haha & Benda wir kommen

    Arm in Arm durch Bonn an der Schranke!

    In der Tat - " Eine keine kleine radikale Minderheit!"

    (*IM & später BVerfG-Präsi mit inform.Grundrecht!)

     

    & Bitte! - 's Friedensklärchen mit Kapotthut -

    Unvergessen!! Unbedingt!

     

    (ps Kretschi?! - exPersetter &

    urK-Schrägschisser - kurz

    Dschugaschwilli läßt grüßen -;((

    Pascht scho!)

    • @Lowandorder:

      "Dschugaschwili läßt grüßen",

       

      dann können Sie ja sagen, wann es die ersten Schauprozesse und "Säuberungen" im Ländle geben wird. Passen soe bloß auf, dass es Sie nicht selber erwischt.

      Wenn sie inflationär werden nutzen sich Stalinvergleiche genauso ab wie die mit Schicklgruber.

      • @Joba:

        …;() & nochens

         

        & nur zu Ihrer besorgten Orientierung!

         

        Es geht nicht - um einen Vergleich!

        K-Schrägschisser & das entspricht bei solch Geistesheroen - wie -

        Antje Vollmer - Jürgen Trittin - & grad

        Kretschi - meiner Erfahrung ganz prima - mit solcher Spezies!

        Sind durch die Bank -

        Keine in der Wolle gefärbten Demokraten - & Ha noi!

        Mit der Verfassung/Grundgesetz

        "Fußball spielen" - wie hier!

        Dess pascht scho!

        Hier & Anderwo ah! - gell!

        • @Lowandorder:

          Trotzdem nervt mich Ihr Hang, gegenwärtige Sauereien, die ich gar nicht beschönigen möchte, in der Vergangenheit der Akteure determiniert zu sehen. Bei Vollmer und Tritiin fällt mir nichts aktuell Undemokratisches ein. Anders sieht es mit Kretschmanns Mauscheleien (Nebenabsprachen) und Unterstützung von Uschis Bundeswehrplänen aus. Da hat er in der Tat auch mich enttäuscht, obwohl seine Vergangenheit für mich dabei keine Rolle spielt. Wer ist in der Politik absolut frei von Makeln und wenn ja, hat so jemand überhaupt eine Chance irgend etwas Positives zu bewirken?

          • @Joba:

            What makes them tick!?

             

            Determiniertheit - Makel - Nerv¿!

            Ach Gottchen - Leevs Lottchen.;)

             

            kurz - bei der von mir ab 68 erlebten

            Mentalität so mancher exK-ler & -

            K-Orgs mit bekannt stark Sektiererischer Prägung - schonn!

            Wundert das aktuelle -

            Gelinde gesprochen - unemphatisch Demokratiedefizitäre Gehabe eines

            Herrn Kretschmann - Kein Stück!

             

            Determiniertheit¿ - Nö!

            Dafür kenn ich zu viele aus der Ecke

            Die solches abgelegt oder nie

            Angezogen haben!

            (Die im übrigen meine Einschätzung

            Durchaus hie wie da teilen!;)

             

            (ps Altjusos¿ - übrigens - Gern nicht Unähnlich - Stamokappe Schröder!;)

            Basta! - gell! & Hartz IV - ff -

            Bis hin zum Klassenverrat!)

      • @Joba:

        's Ländle?

         

        "Wieviel Armeen?!"

        • @Lowandorder:

          "Badisch-Sibirien" gibt es schon. Hardheim und Tauberbischofsheim werden remilitarisiert und in Külsheim wird der Gulag eingerichtet. Dafür sorgt "Kretschi-Dschugi" schon. Passen Sie also bloß auf, was Sie hier noch behaupten.