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Haft wegen Beleidigung einer BehördeBig Brother is watching Linke

Ein Mitglied der Linkspartei soll wegen Internetpöbeleien gegen Drogenfahnder in Haft. Den Hinweis lieferte die US-Armee.

Auf dem US-Stützpunkt bei Ansbach landen Hubschrauber – und anscheinend auch Facebook-Einträge von Linken Foto: dpa

Berlin taz | Drei Monate Freiheitsstrafe wegen Beleidigung – ohne Bewährung. So lautet das Urteil des Amtsgerichts Ansbach gegen Udo Hochreuter, aktives Mitglied der Linkspartei, weil er auf Facebook die Mitarbeiter des örtlichen Rauschgiftdezernats beleidigt haben soll.

Der Anstoß zum Prozess kam von einem Mitarbeiter der in Ansbach ansässigen US-Kaserne. Der hatte einen Screen­shot von Hochreuters mutmaßlichem Post gemacht und an die Kriminalpolizei weitergegeben – in seiner Arbeitszeit und mit dienstlicher Anweisung.

Der Mann arbeitet für die Army als Local National Investigator. Welche Tätigkeiten dieser Job umfasst, geht aus seinem Schreiben an die Polizeiinspektion Ansbach hervor: „Im Rahmen einer dienstlichen Internetrecherche bin ich am 12. November 2015 unter anderem auf den Facebook-Account der Partei „Offene Linke Ansbach“ gestoßen“, heißt es. Von dort sei der US-Aufklärer auf das Profil von Udo Hochreuter gelangt, wo „mir sofort seine Aussagen aufgefallen sind“.

Dabei beziehen sich diese Aussagen überhaupt nicht auf den Army-Mitarbeiter oder die US-Kaserne. Hochreuter soll lediglich die Ansbacher Rauschgiftermittler als „Staatsbüttel“, „verblödeten Scheißhaufen“, „Dreckspack“ und „Abschaum“ bezeichnet haben. Inzwischen ist der Post zwar nicht mehr öffentlich einsehbar, die Süddeutsche Zeitung berichtete allerdings, dass Hochreuter mit seinem Posting gegen die Festnahme eines Drogendealers protestiert habe.

Schwarz-Weiß-Ausdruck als Beweis

Tatsächlich scheint Hochreuter das Thema am Herzen zu liegen. Beim Deutschen Hanfverband ist er Ortsgruppensprecher und bei seinen vier Vorstrafen handelt es sich um Drogendelikte. Zuletzt war er 2010 wegen des Handels mit Hanf zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden.

„Mein Mandant bestreitet, für den Post verantwortlich zu sein und schweigt“, sagt jetzt aber seine Verteidigerin Christina Glück. Sie hatte vor dem Amtsgericht einen Freispruch gefordert und nennt das Urteil einen „Witz“. „Das einzige Beweismittel, das dem Gericht vorlag, war eine Schwarz-Weiß-Kopie eines Screenshots“, sagt sie und betont, dass niemand das Dokument auf seine Echtheit geprüft habe.

„Grundlage eines Strafverfahrens ist es, dass die Staatsanwaltschaft die Schuld des Angeklagten beweist. Niemand hat geprüft, ob dieser Post tatsächlich existiert und von wem er verfasst worden ist“, sagt sie und hofft deshalb auf den Berufungsprozess, der am 9. August verhandelt werden soll.

Derweil empört sich die Linkspartei im Ort über die politische Dimension der Angelegenheit. Boris-André Meyer ist Fraktionsvorsitzender der „Offenen Linken“ im Ansbacher Stadtrat. Er ist erklärter Gegner der US-Kaserne. Dass die Amerikaner sogar einfache Parteimitglieder überwachen, überrascht aber selbst ihn. „Das hat eine ganze neue Qualität. Was wir bundesweit unter dem Begriff NSA kennen, bekommt hier ein Gesicht“, sagt Meyer.

Einschüchtern lasse er sich durch den Vorgang nicht. Von der U.S. Army wünscht er sich aber mehr Transparenz. Schließlich wisse man nun lediglich, dass es einen Dienstauftrag gebe, eine Partei und deren Fraktion im Stadtrat zu überwachen. Ob auch die Oberbürgermeisterin oder andere Parteien betroffen seien, könne niemand abschätzen. Antworten auf diese Fragen wollte die Ansbacher US-Kaserne nicht geben. Eine Sprecherin wies eine taz-Anfrage ab. Ihre Begründung: Man äußere sich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren.

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17 Kommentare

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  • 2v2

     

    In den USA schützt das Recht und auch die Polizei und notfalls das Militär Menschen die andere so beleidigen.

    Im Ausland beteiligen sie sich an der Verfolgung, indem sie dem Regime gegenüber Menschen denunzieren.

    Das ist im Grunde politische Verdächtigung, also strafbar in Deutschland. Vom Text her sind auch Anzeigen gegenüber Deutschland nicht ausgeschlossen.

    Klare politische Verdächtigung ist wenn man einen Neonazi anzeigt, weil man sah wie der "Grüßte", und dazu noch einem toten Diktator Gesundheit wünschte...

     

    England zeigt, wenn Beleidigungen nicht strafabrt sind, bricht nicht die "Anarchie", Mord und Totschlag etc. aus.

    Und im Mittelalter war es normal sich zu beleidigen.

    Pfaffenfurz, stinkender... etc..

    Das war alltäglich. Aber nicht neckend zur Begrüßung wie es das bei "schlichteren" Menschen gibt, es war schon ernst gemeint.

     

    Geht auf Google Rezensionen, Yelp etc. und beleidigt diese Stelle!

    Ich finde über Googles Firmeneinträge auch Polizeiwachen, und da gibt es auch miese Kommentare.

    Traut euch. Auch bei Richter(innen).

    Siehe den Eintrag zum Amtsgericht Dorsten...

    Ich attestiere der Frau einen miesen Charakter etc.. Und das nicht mal als Betroffener, sondern nur aufgrund der Medienberichte und Zitate von ihr...

  • 1v2

     

    Ist der Name des US-Bürger bekannt?

    Wenn man die Story zusammen mit seinem Namen in US-Foren etc. verbreitet, das könnte Ihm schon "Social Shaming" einbringen.

    Denn die US-Bürger machen diesbezüglich keinen Unterschied ob ein US-Soldat jemand der Chinesischen oder der Deutschen Regierung verpfeift.

    Man bedenke, noch kein US-Promi der in South Park richtig derbe beleidigt wurde, wie z.B. die "Dumme verzogene Hure" (Stupid Spoiled Whore) hat in Deutschland gegen Comedy Central oder die Dt. Synchronstimmen persönlich Strafanzeige erstatte. Dabei könnten die das im Grunde. Was Erdogan kann, kann auch Hilton und Co...

    Das ist für die einfach ganz selbstverständlich zusammenarbeit mit Ländern die gegen Menschenrechte verstoßen.

    Laut Komitee für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sind Gesetze wie "Beleidigung" in Deutschland ein Verstoß gegen das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung..

     

    Wenn der Linke sich über Drogenfahnder im allgemeinen geäußert hätte, und keinen offensichtlichen Bezug zu lokalen Menschen hergestellt hätte, hätten die dem nichts gekonnt.

    Ich kann ungestraft "Die Polizei ist ein Sammelbecken für Asoziale und Kriminelle (Dr. Brosa)" hinten auf das Auto kleben.

    Eben weil Ich damit keinen Bezug zur einzelnen Dienststelle habe.

    AUch wenn Ich damit in der stadt parke, haben die keine Handhabe.

    Nur vor der Polizei sollte man nicht damit parken. Nicht weil die das dann sehen (das sollen sie ja), sondern weil dann Absicht unterstelt werden kann.

     

    In England, aber auch den USA kann Ich aus einem Gerichtssaal kommen und Kläger, Staatsanwalt und Richter derbe beleidigen, und ihnen sogar Beziehungen mit Tieren unterstellen.

    Letzteres ist auch zivilrechtlich nicht als Verleumdung zu verfolgen, da dies dafür jemand glauben können muss.

    Und in dem Szenario dient es ja offensichtlich nur der Beleidigung.

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    nicht richtig, dass Sie meinen Kommentar gekürzt haben!!!

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    Wie gut, dass die AMIS bei uns weiterhin aufpassen, dass alles seinen Rechten Weg geht. Ich fühl ich sicherer. Ah ja, und natürlich gut, wenn Leute andere einsperren, wenn sie Pflanzen verkaufen. [...]

     

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

  • Gesetze gelten dann auch für Linke. Im übrigen wurde rechte Hetze gerade diese Woche mit eine konzertierten Aktion angegangen. Zu behaupten es geschähe nichts, ist also Unsinn.

    • @ernstl:

      Gesetze, durchaus. Nach dem Gesetz ist aber nur das Beleidigung, was vom Objekt der Äußerung (also hier den Mitarbeitern der Drogenfahndung) als beleidigend wahrgenommen wird. Daher wird über die Beleidigung auch nur auf Antrag des Beleidigten ermittelt:

      https://dejure.org/gesetze/StGB/194.html

       

      "Anstoß" durch das amerikanische Militär ist im Strafgesetzbuch nicht wirklich vorgesehen.

       

      Letzten Endes habe ich aber mehr Mitleid mit dem amerikanischen Steuerzahler, der sein Militär dafür bezahlt, weltweit den Kapitalismus gegen jede Spur von Kommunismus, Sozialismus und sonstige linke Interessen durchzusetzen, obwohl er selbst unter eben diesem Kapitalismus leidet. Hat die TAZ eigentlich einen Amerika-Korrespondenten, der mal Bernie Sanders, Jill Stein und Noam Chomsky befragen könnte, was sie von der Aktion halten?

      • @ShieTar:

        Auch wenn die das nicht anzeigen wollten, erstens reicht nur ein einziger, zweitens kann so etwas ein Vorgesetzter gegen den Willen der beleidigten Person machen.

         

        Wir haben nur die Möglichkeit dem Mann öffentlich Sympathie für seine Tat auszusprechen.

        Und man sollte Geld sammeln, um es ganz offen vor den Augen der "Opfer" und Justiz zu belohnen.

        Für die Drei Monate sollte der eine Spendenentschädigung von sagen wir 2500 Euro pro Monat bekommen.

        Es wäre interessant wie viel man wohl zusammen bekommen könnte.

        Jeder Spender, auch mit 1 Cent könnte entscheiden ob er/sie in einer öfdentlichen Liste erscheinen will. Und zweitens ob die mit Betrag geschieht.

        Mir ginge es nicht um die "Ehre" einer Nennung, sondern ganz bewusst um den Mittelfinger den Ich der Polizeiwache in Ansbach und der Justiz damit zeigen würde.

        Dann könnten die ja darüber nachdenken jeden Spender wegen "Billigung und Belohnung einer Straftat" anzuklagen, aber das wäre Beabsichtigt. Das würde wieder Staub aufwirbeln, und könnte noch mehr für einen Streisand-Effekt eingesetzt werden, der die Geschichte auch in den USA publik machen könnte, und das Ansehen der BRD dort zu Recht beschädigt.

      • @ShieTar:

        Sehr guter Kommentar mit mehreren wichtigen Aspekten zum außer Kontrolle geratenen, kompetenzüberschreitenden US-Geheimdienst.

  • Die Redaktionsmitglieder sollten sich selbst mal fragen, ob sie als "Dreckspack", "Abschaum" etc. beleidigt werden wollen. Es gibt genug legale Kraftausdrücke, die man nutzen kann, um seinen Unmut über staatliches Handeln kund zu tun, aber beleidigen darf man einfach nicht. Natürlich werden die meisten nicht "erwischt", die via FB einfach mal irgendwelche Leute beleidigen. Wenn dann aber doch soll man sich nicht beschweren. Ein Facebook-Ausdruch/Screesnhot ist ein Beweismittel, dass der Richter als glaubwürdiges Indiz werten kann, insbesondere wenn es in den Zusammenhang passt. Das reichte hier bei uns vor Ort vor kurzem auch für die Verurteilung einer Rechtsradikalen (Volksverhetzung). Allein mit der Facebookhistorie hätte der Täter sich übrigens entlasten können. Das war ihm wohl nicht möglich.

    • @André Schlebes:

      Was haben die Redaktionsmitglieder damit zu tun?

      • @clarafcks:

        Die Beleidigung einer ganzen Berufsgruppe ist strafrechtlich irrelecant (siehe z.B. ACAB-urteil aus den letzten Wochzen), genauso könnte man sanktionslos die "Presse" bleiedigen, wenn aber z.B. konkret gegen die taz-Redaktion beleidigt wird, oder gar gegen Mitarbeiter eines Ressorts wäre dies strafbar. Die Redaktion sollte einfach mal "Drogenfahnder in Ansbach" durch "Innenpolitkredakteure bei der taz" als Beleidigungsziel ersetzen, etwas Empathie entwickeln und sich dann fragen, ob der Artikel immer noch so geschrieben werden würde.

        • @André Schlebes:

          Im Artikel kommt das Zitat "Drogenfahnder in Ansbach" gar nicht vor. Wenn man sich dennoch vorstellt, das fiktive Zitat komme in dem Artikel vor, stellt sich die Frage warum die Redaktion dieses durch "Innenpolitikredakteure bei der taz" ersetzen sollte um Empathie zu entwickeln. Der Artikel macht sich nicht für Beleidigungen jeglicher Art stark. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich der Artikel, auf den sich diese Kommentare beziehen fiktiver Art ist.

        • @André Schlebes:

          Ob die Beleidigung nun stattgefunden hat oder nicht sei einmal dahingestellt. Doch in diesem Artikel geht es doch rein überhaupt gar nicht um die Beleidigung (welche wohl kaum für Aufmerksamkeit gesorgt hätte), sondern um die Tatsache das ein Angestellter der US Army, ergo der US-Amerikanischen Regierung, Chefermittler spielt und die Deutsche Polizei "unterstützt" und das wärend seiner Arbeitszeit. Na irgendwer wird ihm doch die Aufgabe gegeben haben, sich mal genauer mit der "Offenen Linken" auseinanderzusetzten, die scheinbar gar nicht so überzeugt sind von der Präsenz der US-Army vor ihrer Haustür.

           

          "Big Brother is watching Linke" ist der Titel und nicht "Linker zu Unrecht wegen Beleidigung verurteilt - ohne Bewährung"

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Solche Strenge wäre wünschenswert, wenn es sich um rechte Hetze handelt. Doch das ist offenbar nicht so gefährlich, wie alles was nur links aussieht. Die Beleidigungen sind nicht hinnehmbar - Rassenhass und Volksverhetzung aber eben auch nicht.

  • Ist der Artikel Satire?

     

    - Er hat keine Institution beleidigt sondern die Angestellten von ihr.

    - NSA und Überwachung? Das war ein offizielles Facebookprofil, wenn man nicht verbreitet sehen möchte sollte man es nicht posten. Internetrecherche hat weder was mit Überwachung noch Geheimdienstmethoden zu tun, dass ist heutzutage halt ein Standardvorgang, und das die US-Armee jemanden hat der die politischen Strömungen am Standort im Blick hat ist glaube ich normal.

    - Beleidigung ist kein Kavaliersdelikt, war es noch nie, wird es auch nie sein.

    - Bei 4 (sic!) Vorstrafen gibt es halt irgendwann auch keine Bewährung mehr, das ist das Grundprinzip von Bewährung, offenbar hat der Herr sich nicht bewährt und für über 4 Jahre muss er schon ein bisschen mehr getan haben als 10gramm fürs Studentenwohnheim anzubauen.

    - Och der Angeklagte meint er wars nicht, na dem sollte das Gericht natürlich sofort und immer folgen.

    - Wenn dieser Screenshot so schlechtes Beweismaterial ist, wieso hat die Anwältin ihn dann nicht angefochten, hier Manipulationen nach zu weisen sollte dann ja ein leichtes sein mit einem Gutachter.

    • @Krähenauge:

      Ist der Kommentar Satire?

      • 2G
        2730 (Profil gelöscht)
        @clarafcks:

        Erklär mal, warum