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Übers „Allahu akbar“-RufenSchrei nach Liebe

Wenn, wie in München, jemand „Allahu akbar“ ruft, denken alle gleich an Terror. Dabei könnte man den Spruch vom schlechten Image befreien.

Täglich grüßt der „Allahu akbar“-Wecker Foto: imago/Jochen Tack

Ob der „Barfuß-Killer“ von Grafing wirklich „Allahu akbar“ gerufen hat, bevor er losstach oder nicht viel mehr die hawaiianische Variante „Aloha akbar“, ist immer noch unklar. Ob der Mann bloß ein verwirrter Irrer und Ungläubiger ist oder Anhänger einer diffusen Religion von IS bis NSU, auch.

Die polizeiliche Verwirrtheitsvermutung gilt in Deutschland bisher in der Regel für Nazi-Messerstecher. Allein deshalb sollte man vorsichtig sein. Nur weil es heißt, der junge Mann sei schon mal in der Psychiatrie gewesen, heißt das noch lange nicht, dass er nicht auch schon mal bei den Nazis gewesen ist.

Vielleicht aber haben wir es bei dem Mörder von Grafing tatsächlich nur mit einem Irren zu tun, dessen Allahu-akbar-Ruf nur ein Hilferuf, ein Schrei nach Liebe und Aufmerksamkeit war. Denn der Allahu-akbar-Ruf ist der letzte Schrei unter denjenigen, die einfach nur auf sich aufmerksam machen wollen.

Es herrscht große Verwirrung, seit die Terroristen den normalsterblichen Muslimen ihren Slogan abgeknöpft haben. Empört und beleidigt sind nun Letztere darüber, dass nun alle, die Allahu akbar sagen, unter Terrorverdacht stehen. Linke können das gut verstehen. Auch die sind immer noch beleidigt und empört, dass Che Guevara als Werbeträger für Biotee „Mountain Harmony“, der Pyramiden-Beutel für 3,80 Euro das Stück, instrumentalisiert wurde.

Aber es ist nun mal so, dass Allahu akbar und Che Guevara nicht Allahu akbar™ oder Che Guevara™ heißt. Allahu akbar ist nicht als Waren- oder Dienstleistungsmarke registriert, auch wenn sich diverse islamische Staaten und islamistische Gangs und auch normalsterbliche Gläubige das gern wünschen. Jeder in Deutschland darf Allahu akbar oder Aloha akbar sagen, ohne damit rechnen zu müssen, wegen Markenrechtsverletzung vor Gericht gestellt zu werden.

Der Moschee-Wecker rief „Allahu akbar“

Eine Zeit lang wurde ich in Kreuzberg mit dem Ruf „Allahu akbar“ geweckt. Er kam aus einem Moschee-Wecker. Den hatte ich geschenkt bekommen, weil ich immer verschlief und man hoffte, ich würde dem Ruf des Muezzin nicht ignorieren können. Der Wecker wurde Teil der Hate Poetry, einer Show, in der Journalisten mit komischen Nachnamen rassistische Liebesbriefe vorlesen. Ich ließ die Plastikmoschee „Allahu akbar“ ins Mikrofon singen und erzählte, wie der Wecker paradoxerweise Gegenstand eines Textes über die Islamisierung Kreuzbergs in einem linken Szeneblatt wurde.

Es herrscht große Verwirrung, seit die Terroristen den ­normalsterblichen Muslimen ihren Slogan abgeknöpft haben

Anstatt über die Paranoia der Linken zu lachen, gab es unter den linken Zuschauern Empörung, weil ich als „Weiße“ die Muslime beleidigt hätte. Nun argumentierte ich, dass dieser Plastikwecker als solcher die Beleidigung ist. Nichts gegen einen ordentlichen Muezzin-Gesang aus einer ordentlichen Moschee. Aber dieser scheppernde, gieksende, krächzende Ton, der aus dem Gerät kommt, ist doch keines Propheten würdig. Derartige Erklärungen halfen nichts. Die Beleidigten blieben beleidigt.

Lektion: Es führt kein anderer Weg aus dieser Misere, als ständig und überall Allahu akbar zu rufen. Nur der inflationäre Gebrauch von Wörtern wie Revolution hat schließlich auch dazu geführt, dass irgendwann niemand mehr Revolution machen wollte, weil keiner mehr genau wusste, was das eigentlich sein soll.

Und so muss man auch mit Allahu akbar verfahren. Wenn in U-Bahnen, Banken und Supermärkten ständig der Handyklingelton „Allahu akbar“ zu hören wäre, würde niemand mehr gleich an Terroristen denken. Und niemand würde sich dazu gezwungen fühlen, sich sofort nach einem Teppich und nach Mekka umzuschauen, um das Gebet zu verrichten.

Wenn der Bademeister im Schwimmbad seine Ansagen mit Allahu akbar beenden würde, das Martinshorn der Polizei durch Allahu akbar ersetzt würde, es würde kein psychisch Verwirrter und kein Terrorist mehr auf die Idee kommen, die Trademark für sich zu beanspruchen, und kein Gläubiger könnte sich daran stören, dass jeder Zivilist nun statt „voll krass“ oder „Achtung, Achtung“ lieber „Gott ist groß“ ruft.

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30 Kommentare

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  • Es ist oft auch ein Ausruf des Entsetzens bei der Explosion einer Fassbombe in Syrien. - so zumindest auf Videos zu hören.

    Genauso wird auch mein Denken schon eingeführt auf die immer einzige Spur.

    Nein, es ist ursprünglich kein islamistischer Schlachtruf, sondern eine verinnerlichte Auffassung.

    • @nzuli sana:

      Die Moderation: Beitrag entfernt.

  • Bei uns in der Pfalz sind die Begriffe "Allah guud" (für: OK) oder "Allah gema" (für: lasst uns aufbrechen" weit verbreitet und kein Mensch kommt auf die Idee, damit irgendwelche Gefahren zu assoziieren...

    • @Helmut van der Buchholz:

      Glaubt man der Band Fishmob und ihrem Song von 1995 berufen sich Schlägertypen in Hamburg schon länger auf Allah, damit assoziert man hier also schon Gefahren.

       

      Fishmob - Ey Aller: https://www.youtube.com/watch?v=vhEXsTge9xU

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Die Moderation: Kommentar entfernt

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Da haben Sie diejenigen hinter sich, für die Hitler Messias und Erlöser gewesen ist. Ist das Ihr Anspruch?

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Ich habe ganz bestimmt keine Lust, ständig in der Öffentlichkeit "Gott ist am größten" herumzuposaunen und halte die Idee der Autorin zudem auch für unangemessen, um das angesprochene Problem zu lösen.

       

      Ich denke aber auch, dass Ihr Vergleich hinkt:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Takb%C4%ABr

      • @Der Sizilianer:

        Mann muss das ja nicht 1:1 in die christlich-abendländische Kultur radebrechen.

         

        Aber gerade in den ländlichen Gebieten der katholisch infizierten Alpenanrainer ist "Gelobt sei der Herr" ein oft und nicht nur als Stoßseufzer zu vernehmendes Pendant.

  • Ich fände eine getunte Schwarzwälder Kucksuhr mit einem Ayatollah im Tutu der "Aloha akbar" vermeldet auch nicht schlecht.

    • @Justin Teim:

      Wie wär's mit einem Muezzin, der morgens "Kuckuck" ruft ?

      • @jhwh:

        Vor dem Hintergrund, dass Israels Premier Netanjahu vor drei Monaten Araber im allgemeinen und Palästinenser im besonderen als "Wilde Tiere" bezeichnet hat, vielleicht nur konsequent... wenn auch ein wenig demaskierend.

        • @cursed with a brain:

          Nachtrag:

          "Schrei nach Liebe" kennt heute nicht mehr jeder. Ist ja auch schon über 20 Jahre alt (1993): http://www.metrolyrics.com/schrei-nach-liebe-lyrics-die-arzte.html

          Achten Sie auf den Refrain ;)

          • @jhwh:

            Ich verstehe, dass Dir keine Argumente bleiben und Du deshalb von der Sachebene auf die persönliche Ebene wechseln musstest.

             

            Die Ärzte besingen da übrigens jemanden, der analog zu Dir eine klare Gruppenidentität und ein deutlich menschenverachtendes Feindbild gegenüber allen, die nicht zu seiner (sowohl ethnischen, als auch politischen) Gruppe dazugehören, besitzt.

             

            Du solltest daher wohl nicht nur den Refrain beachten.

            • @cursed with a brain:

              Na dann mal viel Spaß beim weiterraten, zu welcher ethnischen oder politischen Gruppe ich gehöre. Wenn Du Deine Mitmenschen auf diese Weise einordnest, bin ich mir da bei Dir ziemlich sicher.

              • @jhwh:

                Im Klartext: Während Du anderen grundsätzlich absprichst, sie könnten eine solche Einordnung auch nur näherungsweise zielführend vornehmen, nimmst Du eben diese für Dich selbst ganz selbstverständlich in Anspruch.

                 

                "Raten" muss ich da nicht mehr, Menschen, die sich selbst für "vollkommen" und anderen auf scheinbar natürlicher Grundlage überlegen halten, Menschen die ein solches Verständnis von sich selbst und dem Rest der Welt haben wie Du es hier an den Tag legst, lassen nicht viel Interpretationsspielraum.

        • @cursed with a brain:

          Sind Sie sicher, daß Sie den Text verstanden haben ?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @jhwh:

        &@JUSTIN TEIM

         

        Vollhumoristen, meine Schenkel sind schon gerötet vom Patschen...

        • @571 (Profil gelöscht):

          Da nich für

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Ich weiß nicht, ob ich das so humorvoll sehen will. Nach allem was zur Zeit im Namen Gottes durch den IS und seine Angänger getan worden ist. Ich bewundere Menschen die wahrhaftig an einen Gott glauben und nach seinen Geboten leben wollen ob ihres tiefen Glaubens, bin aber doch zu sehr der Vernunft - sprich Aufklärung - zugetan und würde in der derzeitigen Situation auf ein "Allahu akbar" dann doch lieber mit "Oder ein ganz großes Arschloch" antworten. Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit bin ich einfach humorlos. Deswegen halte ich Zurückhaltung zur Zeit für eine angebrachtere und sinnvollere Maßnahme.

  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    Tut mir Leid, Frau Akrap. Ich bin intellektuell nicht in der Lage, Ihren Ausführungen zu folgen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @33324 (Profil gelöscht):

      "Tut mir leid" und "sorry" hätten auch diese inflationäre Qualität - mindestens.

      • 3G
        33324 (Profil gelöscht)
        @571 (Profil gelöscht):

        ???

    • @33324 (Profil gelöscht):

      Ich schon, und ich musste mehrmals lachen. Danke für die gelungene Glosse!

      • 3G
        33324 (Profil gelöscht)
        @Earendil:

        Aha, eine Glosse also. Hmh.

  • Können wir den gleichen Ansatz für den Ruf "deus vult!" verwenden?

    • @TheBox:

      Klar - Die drei Betrüger -

      Sind - äquivalent! - siehe ~>

      Ringtausch by Lessings

      Nathan - Ansonsten -

      @Pluto - ist weise!

      Denn - Kein Mensch -

      Muß müssen;)

      kurz - besser is das!

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Ein weiser Beitrag...

    • @TheBox:

      Hm - ich glaube, das würde es nicht wirklich treffen.

       

      "Amen" wäre denke ich passender.