Kommentar Muezzinruf-Verbot in Israel: Rassistischer Maulkorb
Eine rechte Partei will in Israel den Muezzinruf verbieten. Damit begibt sie sich auf das Niveau europäischer Rechtspopulisten.

A uch in Deutschland ist der Muezzinruf ein Politikum. An den wenigen Orten, wo vereinzelten muslimischen Gemeinden der Gebetsruf erlaubt wurde, achten die Behörden sorgsam darauf, dass er außerhalb der Moschee nicht oder kaum zu hören ist. Denn der islamische Gebetsruf ist für viele Deutsche ein Reizthema und wird von Rechtspopulisten gerne als Beleg für eine angebliche „Islamisierung“ angeführt. Die AfD würde den Muezzinruf deshalb gerne gleich ganz verbieten lassen.
Israels Rechtspopulisten heißen „Yisrael Beitenu“ und sitzen dort mit in der Regierung. Auf sie geht der Gesetzentwurf zurück, den 400 Moscheen in Israel künftig zu untersagen, den Ruf des Muezzin per Lautsprecher zu verstärken. Scheinheilig führen sie das Argument der „Lärmbelästigung an“ – doch Kirchenglocken und die Sabbat-Sirene sind vom Gesetz ausgenommen, es zielt nur auf Muslime.
Premier Netanjahu unterstützt den Gesetzesentwurf mit den Worten, Israel müsse in dieser Frage „nicht liberaler sein als Europa“. Dabei widerspricht das Gesetz der historischen Vielfalt seines Landes: Manche Moscheen im Land sind weit älter als der Staat Israel, und nichtjüdische Araber stellen dort rund ein Fünftel der Bevölkerung. Doch sie sollen sich der Mehrheit unterordnen.
Israels Rechte reiht sich damit ein in den islamfeindlichen Trend, der sich in vielen westlichen Ländern immer deutlicher zeigt – von Osteuropa, wo man keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen will, über Trumps „Muslim Ban“ in den USA bis hin zu Extremisten wie Geert Wilders in den Niederlanden, der den Islam am liebsten völlig verbieten möchte.
Mit ihrem rassistischen Maulkorb für Muezzine bewegt sich „Yisraeil Beitenu“ auf dem Niveau europäischer Rechtspopulisten wie Victor Orbán, Le Pen und der AfD. Die Partei arbeitet hart daran, den ohnehin kaum lösbaren Konflikt zwischen zwei Völkern um das gleiche Stückchen Land zum Religionskrieg eskalieren zu lassen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Habecks Dilemma mit der Gerechtigkeit
Robert und das Schulklo
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
Zukunft der Ukraine
Gewissheiten waren gestern
Klimastreik in Sachsen
Dem rechten Mainstream trotzen