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Kolumne German AngstDas Männerklo als Kapelle

Was haben deutsche Uni-Professoren und Toiletten-Vollschreiber gemeinsam: Sie fürchten die Gender-Studies.

Die Herrentoilette: Rückzugsort für Abgehängte und Humorlose Foto: Imago / Ralph Peters

„Genderist keine Wissenschaft“, steht da im Männerklo meiner Lieblingskneipe. Sechs Jahre nachdem ich mein Studium der Gender Studies abgeschlossen habe, stehe ich davor.

Die Buchstaben sind in großen Bögen gezogen, schnörkelig und wütend. Wer auch immer das da hin geschrieben hatte, tat mir etwas leid: ein letzter Dinosaurier, der seine verlorene Botschaft mit men only teilt.

Zwar ist der Laden voll mit metrosexuellen Jungs, die ihren Bart mit Ironie tragen. Aber mit der Ironie ist es ja so eine Sache, man hat es in den letzten Tagen gemerkt. Sie setzt voraus, dass man weiß, in welchem Kontext und aus welcher Position mach spricht. Sonst ist sie bloß ein Aprilscherz.

Ironisch kann der Slogan nicht gemeint sein. Schaut man nämlich ins Internet, findet man Ausformulierungen wie „Gender Studies – eine Pseudowissenschaft“, „eine quasi-religiöse Dogmatik“, von „Gender-Geldtöpfen“ ist die Rede oder schlicht von „Wissenschaftsbetrug“.

Das Lustige daran ist: Die Gender Studies sind tatsächlich ein Betrug an der Wissenschaft, zumindest an jener im altertümlichen Sinne einer unveränderbaren Erkenntnis verstandenen, einer, die an die Objektivität der ForscherInnen glaubt, an eine Wahrheit gar.

Der kleine Gott

Dieser geht die Selbstreflektion vollkommen ab. Denn diese Wissenschaft betreibt der kleine Gott – ein Mensch, der sich in dieser von Ausschlüssen und Hierarchien zerfressenen Welt nicht hinterfragen muss. In der Regel ist das der bürgerliche weiße heterosexuelle Mann.

Vor ein paar Monaten erzürnte sich einer von ihnen. Ulrich Kutschera, Professor der Biologie in Kassel, nannte die Gender Studies ein „Krebsgeschwür“. Seltsam, wie man gleichzeitig so böse und so ahnungslos sein kann.

„Die hoch qualifizierten Möchte-Gern-Alpha-Weibchen sterben alle kinderlos“, setzte er hinterher. Für diese humorlose Schmähkritik bekam er viel Applaus und wenige Lacher.

Woher auch? Die deutschen Unis sind traurige Orte, an denen alte Herren wahre, quasi naturgegebene Wissenschaft betreiben. Unbeleckt von der Unterscheidung von sex und gender, wie sie vor Jahrhunderten vollkommen normal war und seit einigen Jahren wieder ist. Je komplexer die Welt, umso einfacher die Wissenschaft.

Man stelle sich vor, Kutscheras Professur käme ihm gar nicht qua Natur zu, sondern durch veränderbare Machtverhältnisse? Nicht nur er müsste um sein Gehalt fürchten. Uni-Leitungen und Professuren sind schließlich fast vollständig männlich besetzt.

Zweigeschlechtlichkeit

Die Gender Studies sind da eine Ausnahme. Klar, schließlich beschäftigen die sich mit der Zweigeschlechtlichkeit und ihrer Hierarchien, ihrer symbolischen Ordnung.

Das ständige Bedürfnis jedenfalls, das als ideologisch zu brandmarken, was für die schwarzweiße Welt eine Gefahr sein könnte, ist Ausdruck des Zorns der Abgehängten – „angry white men“ hatte Michael Kimmel die genannt.

Dabei hat doch der wütende Glaube an die ewige Allmacht der Zweigeschlechtlichkeit etwas fundamental-religiöses. Das Männerklo einer Kneipe ist hierfür eigentlich eine schöne Kapelle.

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18 Kommentare

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  • Aus 'Wissenschaftler sind Menschen und Menschen können nicht objektiv sein.' sollte man eigentlich folgern, dass die Wissenschaft objektiver werden muss, und Möglichkeiten dafür gesucht werden sollten, dieses Ziel zu erreichen.

    Die Schlussfolgerung sollte doch nicht sein, die Wissenschaft der Objektivität zu berauben.

    Die Wissenschaft versucht doch gerade, ausschließlich objektive Kriterien und Ergebnisse gelten zu lassen, gerade im Kampf gegen die (männliche) Kirche und ihre unbelegbaren Dogmen.

     

    Frau Stokowski hat ja eigentlich sehr schön über das Thema 'unsachliche Diskussionen' geschrieben: Zitat: Oberste Regel: Argumente sind nicht gut. In "Argument" steckt das Wort "arg". Daran sieht man schon alles. Weg damit. Argumente diskriminieren Menschen, die es sich nicht leisten können zu denken. Lassen Sie deswegen in Ihrer Rede sämtliche logischen Herleitungen und nachvollziehbaren Begründungen weg und gehen Sie auch nicht auf die Argumente anderer Menschen ein.---------------- http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fluechtlinge-wie-man-mit-der-mistgabel-argumentiert-kolumne-a-1071937.html

     

    Ich bezweifel aber, dass Frau Vogel sich da angesprochen fühlt.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Sie entschuldigen die Unwissenschaftlichkeit ihres Nicht-Faches vorauseilend indem Sie sagen: Wiessenschaftler sind Menschen und Menschen können nicht objektiv sein, deshalb ist keine Wissenschaft objektiv und darum ist es auch in Ordnung meinen Aktivismus als Wissenschaft zu verkaufen. Das ist Unfug!

     

    Der Wert von Wissenschaft liegt in der Methode, die Subjektivität nicht verhindern aber entlarven kann. Einfache Pronzipien wie Falsifizierbarkeit und nachvollziehbare Versuche, Reviewing,... sollen ideologischen Unsinn verhindern.

     

    Die eigenen Thesen sollen auf den Theorien anderer Wissenschaftler aufbauen. Man soll der sprichwörtliche Zwerg auf den Schultern des Riesens sein aber die Gender Studies haben keinen Riesen.

    Das ganze "Fach" baut auf dem Sozialkonstruktivismus auf, der vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus anderen, harten Wissenschaften diametral entgegen steht.

    Anstatt aber erstmal die zugrundeliegende These zu untersuchen tut man einfach so als sei sie wiederspruchsfrei bewiesen und baut eifrig weiter, Schicht um Schicht und hofft das die klapprigen Storchenbeine auf denen die eigenen Thesen stehen nicht in sich zusammenbrechen.

     

    Die Thesen von Chemikern, Physikern, Mathematikern,... können eindeutig sein und die Physik, Mathematik, Chemie,... ist gnadenlos. Sie nimmt keine Rücksicht auf die Ideen oder Wünsche des Wissenschaftlers.

  • Wenn die Genderwissenschaft ernst genommen werden will, sollte sie die Argumente wiederlegen, die gegen sie vorgebracht werden und nicht durch Beschimpfung derjenigen, die diese Argumente ins Feld führen vom Thema ablenken.

     

    "Viel Feind viel Ehr" mag in der Politik funktionieren, in der Wissenschaft wird man sich von solchen Mätzchen nicht blenden lassen.

  • Die Frage wäre ist dieser Artikel ironisch gemeint? Denn ernst nehmen kann man einen Angriff auf andere Forschungsfelder, die rein ohne Belege und aus dem Bauchgefühl (die an die Objektivität der ForscherInnen glaubt), die nicht einmal bewiesen ist, nicht!

     

    Mal im Ernst, Kutschera hat Argumente gebracht, Thesen aufgestellt und diese mit Studien untermauert. Das kann man nun mit Gegenthesen und Studien kontern, oder auch nicht. Wer jedoch wie hier einfach auf die Person geht, wer eben NICHT liefert, der betreibt keine Wissenschaft. So einfach kann es manchmal sein...

  • Sehr gut geschrieben.

    Finde ich, als Mann und das auch noch mit arabischen Wurzeln... um mal die Klischees ein wenig durcheinander zu bringen...

    Dank an die Autorin.

    • @the fall:

      Bitte lass das! Da kommt doch keiner mehr mit.

  • Es gibt doch kein Studienfach das derart krasse Geschlechtsunterschiede aufweisst wie die Genderstudies. Es sollte eher Feminismusstudies heißen....

  • "Zwar ist der Laden voll mit metrosexuellen Jungs, die ihren Bart mit Ironie tragen."

     

    Diese mittlerweile superkonservative Attitüde, die doch im pubertären steckt, tut ja fast weh...

  • Hier sind Interessante Gedanken einer Professorin

    https://www.youtube.com/watch?v=vcntFZcpfII

  • Hoppla! "Ironisch kann der Slogan nicht gemeint sein", schreibt Sonja Vogel. Wissenschaftlich dürfte diese Aussage nicht zu halten sein.

     

    Dass der Wand-Beschrifter zugleich im Internet die Gender Studie geschmäht hat, kann Sonja Vogel sehr wahrscheinlich nicht beweisen. Der (Kurz-)Schluss, den sie zieht, ist also unzulässig. Es handelt sich um eine Unterstellung, die nur solche Leute glauben müssen, die alles glauben, was Frau Vogel sagt. Weil: Sie hat ja studiert.

     

    Ich will nicht hoffen, dass ein solches Vorgehen ausgerechnet unter der Überschrift Gender Studies gelehrt wird. Denn wenn die Werte der Wissenschaft (Eindeutigkeit, Transparenz, Objektivität, Überprüfbarkeit, Verlässlichkeit, Offenheit, Redlichkeit und Neuigkeit) allesamt überholt und nicht mehr gültig wären, nur weil sie mal von Männern in die Welt getragen wurden, fällt unsere Gesellschaft nicht nur vor die Aufklärung zurückfallen, sondern gleich da hin, wo Männer noch entweder "kleine Götter" oder halbe Tiere waren. Und Frauen kleine Göttinnen – oder Eigentum eines gottgleichen Mannes. Das kann nicht Zielstellung der Gender Sudies sein.

     

    Übrigens: Den "Kontext" und die "Position", aus dem bzw. der heraus ein Mensch ironisch spricht oder schreibt, kennt nur er selbst. Sein Publikum muss raten oder glauben. Das macht die Ironie sehr schillernd und sehr attraktiv – für Wenige. Bloßer "Aprilscherz" sein, kann Ironie allerdings nicht. Dafür hat sie zu viele Konsequenzen. Ironiker behaupten Dinge, die ihrer "wahren Einstellung oder Überzeugung nicht entspr[echen], diese jedoch [...] ganz oder teilweise durchscheinen" lassen. Wenn also das Publikum entweder unwillig oder unfähig ist, den Schein vom Sein zu unterscheiden, wird eingebaute Differenz negiert. Dann wird der Möchtegern-Ironiker entweder auf den Thron gesetzt oder erschossen. Im schlimmsten Fall wird alles, was er künftig sagt, zur Ironie erklärt. Nichts davon ist auch nur im Ansatz lustig.

  • 8G
    87203 (Profil gelöscht)

    Nahezu perfekt hat das schon vor einigen Dekaden Monty Python auf den Punkt gebracht :) https://www.youtube.com/watch?v=sFBOQzSk14c

    • 3G
      30404 (Profil gelöscht)
      @87203 (Profil gelöscht):

      wzbw

  • Vielen Dank für die angemessene Einordnung dieser Positionen. Das Bild des Männerklos als Kapelle der alten, saturierten, ihre Bedeutung schwinden sehenden "angry white men" amüsiert mich sehr!

  • Es ist schon anmaßend, etwas persönlich ungewisses zu behaupten.

    Wer sich damit befaßt, selbst betroffen oder konfrontiert ist, kann tatsächlich etwas zum Thema beitragen.

    Es gibt u.a. Menschen, die männliche und weibliche Geschlechtsteile besitzen, kein eindeutiges oder deren Selbstverständnis und Gefühl nicht mit ihrem körperlichen Geschlechtsteil zusammen paßt.

    Das ist den meisten Menschen fremd - aber die Betroffenen leiden trotzdem und daher ist es selbstverständlich notwendig, das die Wissenschaft in diesem Bereich tätig ist!

  • 8G
    87203 (Profil gelöscht)

    Wenn es Pavianen materiell gut geht, beginnen sie sich sozial zu stressen.

    Fuer mich beweisen unter anderem gender-studies, dass es uns als Gesellschaft gut geht und wir uns gar nicht so sehr von unseren genetischen Cousins unterscheiden,

  • "Das Lustige daran ist: Die Gender Studies sind tatsächlich ein Betrug an der Wissenschaft, zumindest an jener im altertümlichen Sinne einer unveränderbaren Erkenntnis verstandenen, einer, die an die Objektivität der ForscherInnen glaubt, an eine Wahrheit gar."

     

    Lustig ist daran gar nichts. Zunächst wird hier der Begriff der Wissenschaft falsch wiedergegeben, es geht um Erkenntnisgewinn durch überprüfen. Dann noch die unbegründbare Denunziation als "altertümlich". Es sind die Früchte der Aufklärung die die Autorin hier mit Füßen tritt.

     

    Es ist eben einer karzinogenen Erkrankung ähnlich wie sich da ein "Fach" ausbreitet das sich nur über Ablehnung von allem was nicht ihm entsprungen ist auszeichnet. Logik wird dann schon mal gerne als Mittel zur Unterdrückung bezeichnet.

     

    Was entgegnet man jemandem der die Ratio zurückweist? Was zeichnet denn diese vollmundigen "Gender Studies" aus? Welche Aspekte der Forschung konnten denn in der klassischen Sozial- und Verhaltensforschung nicht geklärt werden?

    Was studiert man da eigentlich ausser seinem eigenen ersprochenen?

     

    Ironie des Schicksals, den passenden Begriff für dieses Verhalten gibt es im englischen. Er ist äußerst maskulin: Circle Jerk.

     

    Fraglich ob das jetzt eine gute Idee war ausgerechnet dieses männliche Muster zu kopieren.

  • Was ein bißchen tragisch ist: die Autorin wehrt sich einerseits gegen den Vorwurf, Gender sei unwissenschaftlich und ideologisch - und bestätigt ihn zugleich, indem sie damit argumentiert, Gender sei "politisch wertvoll", weil es Machtstrukturen hinterfrage, die Zahl der männlichen Professoren kritisiert wird usw. - lauter poltisch-ideologische Argumente, aber nichts, das auf "Wissenschaft" hindeutet, also Verifizierung/Falsifizierung von Fragestellungen zum Erkenntnisgewinn.

  • Gut, dass man / frau sich da so gut auskennt.

    Da fällt dann auch nicht auf das Kutschera nicht in Leipzig ist.