piwik no script img

Trainerinnen im FrauenfußballProfessionalisierungsopfer

In der Frauen-Bundesliga sind die Trainerposten nur noch mit Männern besetzt. Ein Aufreger ist diese Entwicklung erstaunlicherweise nicht.

Immerhin Assistenztrainerin beim VfL Wolfsburg: Ariane Hingst. Aber wo ist die Perspektive? Foto: imago/foto2press

Die Auswahl ist eigentlich gar nicht so klein. Immerhin 72 Frauen haben nach Auskunft des Deutschen Fußball-Bundes die A-Lizenz, die sie berechtigt, einen der zwölf Trainerposten in der Frauenfußball-Bundesliga zu übernehmen. In keinem anderen Land, erklärt der DFB, würden mehr Trainerinnen ausgebildet. Die zwölf besten Klubs werden derzeit allerdings nur von Männern trainiert.

Vor 14 Jahren war das Geschlechterverhältnis auf den Chefstühlen der Bundesligisten noch fast ausgeglichen. Fünf Trainerinnen standen in der Saison 2002/03 in der Verantwortung. Siegfried Dietrich, der Manager des 1. FFC Frankfurt spricht von einem „gewissen Verdrängungseffekt“. Er stellt fest: „Es gibt viele Männer, die den Frauenfußball entdeckt haben.“ Im Winter nach dem Ausscheiden des Trainers Colin Bell, erzählt er, habe der Verein nur Bewerbungen von Männern vorliegen gehabt.

Tina Theune, die ehemalige deutsche Nationaltrainerin, die beim DFB unter anderem für die Trainerfortbildung zuständig ist, macht die Philosophie der Vereine und die Professionalisierung der Bundesliga für die Marginalisierung der Frauen verantwortlich. „Vor einigen Jahren haben sich entscheidende Faktoren verändert. In der Frauenbundesliga müssen TrainerInnen fest angestellt werden.“ Berufstätige Frauen, die ihren Job nicht verlieren wollten, stelle das vor große Herausforderungen.

Ein wirklicher Aufreger ist diese Entwicklung in der Frauenfußball-Bundesliga erstaunlicherweise nicht. Öffentlich wird sie kaum problematisiert. Die 174-malige Nationalspielerin Ariane Hingst, die im Januar beim VfL Wolfsburg als Assistenztrainerin eingestellt wurde, sagt, sie sei die falsche Ansprechpartnerin, weil sie sich mit dem Thema nicht näher befasst habe. „Natürlich ist Gleichberechtigung wichtig“, sagt Hingst, „aber im Endeffekt muss eine Position aufgrund von Qualität besetzt werden.“

Bedenken wegen Unerfahrenheit

Sie selbst hatte letzten Sommer ein Angebot, Trainerin beim schwedischen Meister FC Rosengard zu werden, sagte jedoch ab, weil sie gesundheitliche Probleme plagten und sie Bedenken wegen ihrer Unerfahrenheit hatte. Aufgrund ihrer noch fehlenden A-Lizenz wäre ein derartiges Angebot für Hingst aus der deutschen Eliteliga undenkbar.

Hingst verweist auf die vielen Nationaltrainerinnen weltweit und auf die DFB-Auswahlteams der Mädchen und Frauen, die ausschließlich mit Trainerinnen besetzt werden. Beim DFB und seinen Landesverbänden sind momentan 23 Trainerinnen hauptamtlich angestellt.

Kritischere Töne zur Verdrängung der Frauen aus dem Frauenfußball formulieren eher die jüngsten „Professionalisierungsopfer“. Doreen Meier, die in der Bundesliga einst den SC 07 Bad Neuenahr und Bayer Leverkusen betreute, erklärt: „Es ist schon frustrierend, dass in der Liga keine Frau mehr da ist.“ Die 47-Jährige hat gar den Lehrgang zur DFB-Fußball-Lehrerin abgeschlossen, mit dem sie Männerfußballprofiteams coachen dürfte. Ihre Trainerkarriere in Leverkusen hat sie jedoch 2012 aufgegeben, weil sie ihren Lehrerberuf, von dem sie sich beurlauben ließ, nicht verlieren wollte.

Strukturelle Nachteile

Sie hat die strukturellen Nachteile hautnah miterlebt. An der Sporthochschule Köln saß sie neben gestandenen Exprofis wie Bruno Labbadia und Marc Wilmots in der Schulbank. Während Meier sich die teure Ausbildung selbst finanzieren musste, bekamen die Fußballmillionäre die Kosten meist noch von ihren Vereinen bezahlt. Und während ihre männlichen Kollegen nach der Ausbildung geschlechterübergreifend die Angebote aus diversen Ligen sondieren konnten, war Meier klar, dass sie nur im Frauenfußball unterkommen konnte.

Der DFB müsse finanziell mehr anschieben, meint Meier, damit auch Frauen sich eine Ausbildung leisten könnten. Zudem sollte sich der Verband auch Frauen von der Basis öffnen und nicht vornehmlich ehemalige Nationalspielerinnen fördern. Sinnvoll fände sie auch eine eigene Trainerinnen-Ausbildung. „Zwei Frauen pro Lehrgang ist ja nicht sonderlich viel“, sagt Meier, die mit 27 Männern in einer Klasse war.

Der Verweis des Deutschen Fußball-Bundes auf seine Vorreiterrolle in Europa bei der Trainerinnenausbildung lässt jedoch vermuten, dass man derzeit keinen Handlungsbedarf sieht. Bereits vor zwei Jahren teilte der Verband mit: „Nichtsdestotrotz haben wir keine Sorgen, dass wieder Trainerinnen zurück in die Frauen-Bundesliga kehren werden.“ Das Warten geht weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 6G
    677 (Profil gelöscht)

    Für solche Fälle gibt es doch ein probates Mittel: die Quote.

  • Wahrscheinlich ist es hoffnungslos! Selbst für das ökolinksliberale Massenmedium taz häkelt Johannes Kopp mit an jenen Vorurteilen, auf die Entscheidungen gegründet werden.

     

    Frauen haben Angst vor der eigenen Courage, weiß Koop und zeigt mit seinem Mikrofon auf die 174-malige Nationalspielerin Ariane Hingst, die wegen "gesundheitliche[r] Probleme" und "Bedenken wegen ihrer Unerfahrenheit" eine Trainerinnenstelle beim schwedischen Meister FC Rosengard abgesagt hat. Wenn schon DIE Frau sich unterschätzt, soll unsereine denken,... Nun ja. Wer eine kennt, der kennt sie alle. Man(n) kennt das ja.

     

    Dass die angebliche Feigheit im Einzelfall womöglich was mit Verantwortung zu tun hat, die vermeintliche Kompetenz und der angebliche Mut von Männern hingegen oft schlicht Verantwortungslosigkeit ist, die sich mit Selbstüberschätzung und Egoismus paart – geschenkt. Von Männern, die selbst so gestrickt sind, wird sowas halt nachgefragt. Es geht nicht nur um die Bewerbungen. Es geht vor allem um die Auswahl. Und die treffen nun einmal vorwiegend Männer. Männer mit Vorurteilen. Männer mit Vorurteilen, die sie sich auch von der taz bestätigen lasen können. Von wegen: Rationalität!

     

    "Im Endeffekt muss eine Position aufgrund von Qualität besetzt werden", sagt Ariane Hingst. Welche Qualität sie damit meint, bleibt ihr Geheimnis. Womöglich könnte sie sie nicht einmal benennen. Sie hat sich ja "nicht näher befasst" mit dem Thema. Na, also dann... – sind Frauen höchstwahrscheinlich nicht nur feige, sondern auch noch denkfaul. Zumindest werden Frauen, die diesen Schluss nahelegen, zitiert in der taz. Andere nicht. Wieso? Gibt es sie nicht? Oder werden sie schlicht nicht gewählt von Männern wie Johannes Kopp, die schreiben, was sie selber lesen wollen?

    • @mowgli:

      Teil II:

      Auch Doreen Meier passt ins koppsche Beuteschema. Die Frau will lieber Lehrer sein als Coach. Vermutlich Grundschullehrerin. Dass ihr Arbeitgeber sie zwingt, sich zu entscheiden, ist offenbar völlig normal in den Augen des taz-Journalisten. Man(n) irrt ja nicht. Dass Doreen Meier sich angeblich falsch entschieden hat, ist da schon eher eine Nachricht. Frustrierend, ja. Man nennt so etwas Victim Blaming, glaube ich – und kann es ziemlich gut erkennen bei tazens, wenn es bunte Leute trifft und von "dummen weißen Männern" praktiziert wird. Von denen bei der taz nicht einer arbeitet, nicht wahr?

       

      Ach ja, da ist ja noch die Lieblingslösung. Es muss mehr Geld her, aber flott. Der DFB muss aus Sicht von Doreen Meier "finanziell mehr anschieben", weil Frauen zwar inzwischen eignes Geld haben, Männer ihrs aber nicht auszugeben brauchen. Frag ich mich nur, wozu der ganze Stress mit Job und so notwendig ist. Wenn Männer kein Problem haben damit, sich alimentieren zu lassen, wieso sollten Frauen es dann haben? Sind wir nicht alle gleichberechtigt laut Grundgesetz? Sieht fast so aus, als wäre Ariane Hingst nicht die einzige, die an Stelle des Kopfes einen Fußball hat.

       

      Die Frau, das Opfer. Sie war es, ist es und sie wird es sein, wenn es nach manchen Männern geht. Nun. Drei müssen ja nicht alle sein. Das Warten darauf, dass wer, der das darf demnächst mal etwas weniger verkehrt entscheidet, geht also vorerst weiter. Ich bleib' auf jeden Fall am Ball.

  • Stimmt - es ist eine durchaus auffällige und etwas irritierende Tendenz (bzw. in bezug auf die Spitzenliga: ein Sachstand). Ein Grund, der vielleicht mit am meisten zieht, ist im Artikel erwähnt: viele "Männer" haben in den letzten Jahrzehnten Frauenfussball als "neue" Ausprägung des Fussballsports (durchaus) "liebgewonnen". Nicht, dass ich hier mißverstanden werde: es ist reiner Fussballsport ohne jedes wenn und aber - eben mit eigener Note. Und da es nun mal seit über einem Jahrhundert Zigzehntausende "Männer" pro Jahrgang gibt, die nach ihrem "aktiven" Fussballerdasein dem Sport, dem Verein und dem Platz so nahe wie möglich sein wollen, auch wenn es für "auf'm Platz" nicht mehr reicht, ist der Frauenfussball eine weitere Möglichkeit der Aktivität. So wie es aussieht, wird es wohl nie eine auch nur näherungsweise zahlenmäßige Vergleichbarkeit bei dieser Passion geben - insofern fallen die engagierten "Frauen" von der Zahl her einfach zu sehr ab. Was die Landesverbände, die Vereine und der DFB fördern könnten (vielleicht), wäre der Anschub der "Gleichwertigkeit" der Geschlechter beim Trainerjob im Amateur-Umfeld. Wenn irgendwann mal völlig selbstverständlich ist, dass eine Frau oder ein Mann als Trainer neben dem Spielfeld stehen kann, egal welche Spielklasse auf dem Feld steht, dann wird es auch für die engagierten Fußballerinnen leichter sein, auch mal einen Spitzenverein zu coachen. Der DFB könnte/sollte vielleicht auch mal versuchen, Frau Steinhaus oder andere nicht nur als "Vierte" oder an der Linie einzusetzen, sondern eben auch mal auf dem Platz. Ich zumindest könnte mir gut vorstellen, dass Frau Steinhaus oder andere dazu sehr wohl bereit wären.