Trainerinnen im Frauenfußball: Chancen nur im Nachbarland

Deutsche Trainerinnen sind im Schweizer Frauenfußball gefragt. Vier Erstligisten vertrauen auf deren Expertise. Deutsche Klubs bevorzugen Männer.

Trainerin Pochert gibt einer Spielerin am Rand Anweisungen

Die deutsche Trainerin Anne Pochert gibt ihrer Züricher Spielerin Emoke Patricia Papai Anweisungen Foto: imago

Es war das Spitzenspiel. Etwa 100 Fans wollten bei wohlwollender Schätzung kürzlich auf dem Trainingscampus des Grass­hopper Club Zürich das Duell gegen den Spitzenreiter Servette Chenois (2:2) ansehen. Der geringe Andrang hatte vielleicht auch damit zu tun, dass die Partie für den Fortgang des Meisterschaftskampfes unwesentlich war. Es war ein Spiel der Hauptrunde und in der Schweiz finden danach noch die Playoffs statt. „Ich bin kein Freund von diesem Modus“, sagt Anne Pochert geradeheraus. „Das wertet die Meisterschaftsrunde enorm ab. Die Spiele, die du vorher machst, sind nicht wirklich viel wert.“

Die 37-jährige Deutsche ist seit Sommer 2022 Trainerin bei den Grasshoppers, vorher war sie zwei Jahre beim FC Carl Zeiss Jena, davor 16 Jahre beim FF USV Jena als Spielerin und Trainerin beschäftigt. In Zürich wurde sie Nachfolgerin der Deutschen Theresa Merk, die in die deutsche Frauen-Bundesliga zum SC Freiburg gewechselt war.

Im Schweizer Frauenfußball machten in den Vergangenheit stets Servette, der FC Zürich und der FC Basel den Meistertitel unter sich aus. GC will nun mit Pochert mitmischen. Dafür hat der Verein einiges investiert. Die GC-Frauen, die seit zwei Jahren von der Generaldirektorin Lara Dickenmann gemanagt werden, genießen zudem die tollen Trainingsbedingungen auf dem schmucken GC-Campus in Niederhasli, rund 20 Kilometer nördlich von Zürich. „Optimale Bedingungen, von denen ich in Jena nur hab träumen dürfen“, sagt Anne Pochert.

Vor allem aber genießt sie die gestiegene Aufmerksamkeit ihrer Arbeit. Nachdem sie mit Jena in der letzten Saison quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus der Bundesliga abgestiegen war, steht sie bei GC im Blickpunkt. Das ist eine aufregende Aufgabe, auch weil der Schweizer Frauenfußball sich immens entwickelt.

Quantensprünge in der Entwicklung

Zwar fahren nahezu alle Spielerinnen der ersten Liga noch zweigleisig zwischen Sport und Arbeit, Vollprofis gibt es kaum. Aber die Liga hat mit einem Versicherungskonzern einen Hauptsponsor, zudem überträgt der Schweizer TV-Sender SRG SSR alle Partien entweder im Livestream oder im linearen TV.

Tatjana Haenni, die bis vergangenen Dezember den Posten der Direktorin Frauenfussball im Schweizer Fußballverband (Sfv) bekleidete und mittlerweile Sportdirektorin der US-Profiliga ist, findet: „Die Elite-Liga hat in den letzten Jahren Quantensprünge gemacht. Es gibt in den Klubs so viele Spielerinnen mit Nicht-Amateur-Verträgen wie noch nie und es gab so viele Spiele wie noch nie in den Stadien der Super League Klubs.“

In Deutschland haben nur zwei der zwölf Frauen-Bundesligisten Frauen als Trainerinnen engagiert. In der Schweiz dagegen haben bei fünf der zehn Erstligateams Frauen das Sagen. „Das ist schön für den Schweizer Frauenfußball“, sagt Pochert. Sie findet aber auch, dass das nicht unbedingt für den deutschen Frauenfußball spricht. „Ich denke, dass in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland die Zeichen der Zeit schon erkannt worden sind. Es ist ein wichtiger Schritt, den Mut zu haben, einer Frau auf dieser Position eine Chance zu geben.“

Aktuell profitieren neben Pochert drei weitere deutsche Trainerinnen von der Aufbruchstimmung in der Schweiz. Beim FC Zürich sitzt die ehemalige Leverkusener Co-Trainerin Jaqueline Dünker auf der Bank, die Frauen des FC Basel werden von der Leipzigerin Katja Greulich trainiert und Young Boys Bern setzt auf die Expertise von Imke Wübbenhorst, die beim BV Cloppenburg 2018 als erste weibliche Trainerin eines männlichen Oberligateams bekannt wurde.

Für Pochert bringt die weibliche Besetzung eines Trainerpostens einen entscheidenden Vorteil mit sich. Sie erklärt: „Man sieht nicht nur die Qualität der Arbeit, sondern auch, dass Frauen in der Arbeit mit Spielerinnen und jungen Talenten noch mal eine andere Empathie mitbringen.“

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