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Übergriffe gegen AsylbewerberWarum Sachsen?

Über zwei Jahrzehnte erzkonservatives Lebensgefühl: Das Bundesland führt die Statistiken zu fremdenfeindlichen Straftaten an.

Die weltberühmte sächsische Volkskunst strahlt Wärme und Weltoffenheit aus Foto: dpa

Ausgerechnet ein Zugereister aus „Westberlin“, der von einem Linksbündnis aus SPD, Linke und einem lokalen Bürgerbündnis aufgestellt wurde, schlägt die sächsische Staatspartei CDU in einer ihrer Hochburgen.

Es war eine Sensation, als der parteilose Alexander Ahrens im August 2015 zum Oberbürgermeister von Bautzen in der Oberlausitz mit ihren 40.000-Einwohnern gewählt wurde. Die CDU war nach 25 Jahren das Rathaus Bautzen los. „Mit mir wird es keine Politik gegen Flüchtlinge geben!“ Das hatte Ahrens immer wieder im Wahlkampf verkündet – in Bautzen, wo 2014 bei der Landtagswahl 14,8 Prozent der Wähler für die AfD und 10,9 Prozent für die NPD gestimmt haben.

Am Montag konnte man einen bedrückten Ahrens erleben, wie er vor Fernsehkameras nach Antworten suchte, warum in seiner Stadt unter Applaus ein Flüchtlingsheim abgefackelt wurde. Warum Bautzen? Warum Sachsen? Warum brennen, zündeln johlen und pöbeln ausgerechnet in Sachsen so viele Menschen? Warum haben so viele Gefallen daran, Flüchtlinge rassistisch zu beleidigen?

Dass in Sachsen etwas entgleitet, ist auch an Zahlen ablesbar: 1.547 rechtsextreme und fremdenfeindliche Straftaten registrierte die Polizei nach vorläufiger Zählung im vergangenen Jahr in Sachsen. Nur in Nordrhein-Westfalen gab es noch mehr Delikte – in dem Land leben allerdings auch weit mehr Einwohner als in Sachsen. Dazu erfolgten von den bundesweit 1.105 Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte 198 in Sachsen – jede sechste. 31 davon waren Brandanschläge. Seit Sonntag gehört Bautzen zur Statistik.

Gönnerhaft vorgetragene Verachtung

Es lohnt sich, den sächsischen Landtag zu besuchen. Im gläsernen Rondell am Elbufer kann man der CDU beim Walten zuschauen. Hier scheint die Erosion an der Peripherie weit weg. Zwischen einer marginalisierten SPD-Fraktion, der Linkspartei und den wenigen Grüne wandeln ihre Mandatsträger wie Gastgeber. Frank Kupfer ist Fraktionschef. Am 1. September 2015 fand er im Hohen Haus lobende Worte für Muslime: „Manche Regel, kein Alkohol, kein Schweinefleisch – „das kann man sogar noch tolerieren, ist ja gesund!“. Manchem hat es bei dieser gönnerhaft vorgetragenen Verachtung den Atem verschlagen. Ansonsten aber habe der Islam in Sachsen, einem Land mit christlicher Tradition, nichts verloren.

Die Töne im Landtag sind schärfer geworden. Das mag sicher auch an Frauke Petry liegen, die mit ihren AfD-Getreuen die CDU aufgescheucht hat. Allerdings spielt die sächsische CDU bereits viel länger auf der nationalen Partitur. Ein Meister ist Matthias Rößler. Der 61-Jährige ist seit der Neugründung des Freistaates Sachsen 1990 im Parlament. Rößler, seit 2009 Präsident des Landtags, betont seit Jahren schon die „Schicksalsgemeinschaft der Nation“.

Lutz Bachmann und Pegida konnten da anschließen, wo die CDU den Boden bereitet hat

Rößler, viele Jahre sächsischer Kultus-, später Wissenschaftsminister, wird nicht müde, die „Kulturrevolution von 1968“, ein Projekt des Westens, zu geißeln. Rößler preist demgegenüber das „tausendjährige Sachsen“, betont die Opfer der Ostdeutschen, welche die kommunistische Diktatur abgeschüttelt haben, und fordert heute „Momente kollektiver emotionaler Erhebung“. Weit entfernt ist Matthias Rößler da nicht mehr vom AfD-Mann Björn Höcke und von den Reden auf den montäglichen Pegida-Versammlungen.

Und Stanislaw Tillich? Inzwischen ist Tillich, 2008 ins Amt gewählt, der dienstälteste Ministerpräsident eines Bundeslands. Silbernes Haar, glatte Haut, faltenloser Anzug – sein Äußeres wirkt tadellos, keine Spur von Abnutzung. Und doch scheint das Äußere nur die Hilflosigkeit des 56-Jährigen zu verhüllen. Geradezu mechanisch wirkt Tillichs Wortwahl inzwischen. Freital, Heidenau, Clausnitz, Bautzen – dem Ministerpräsidenten kommen die immer gleichen Stereotype über die Lippen. „Widerlich – abscheulich – Verbrecher“ und: „Das ist nicht unser Sachsen!“

Doch. Es ist auch sein Sachsen und das Sachsen seiner CDU. Lutz Bachmann und seine Erfindung Pegida konnten da anschließen, wo die CDU den Boden bereitet hat. Die urbane, weltoffene Wählerschaft ist verloren. In Leipzig gewinnt die CDU keinen Blumentopf mehr. Doch im Vogtland, in der Oberlausitz, im Erzgebirge leben auch noch Wähler.

Kulturelle Absetzbewegung

„Wir wollen keine westdeutschen Verhältnisse“, schreiben die Patrioten von AfD und Pegida auf ihre Transparente. Westdeutsche Verhältnisse? Vor zwanzig Jahren konnte es damit nicht schnell genug gehen. Inzwischen betont man die Unterschiede zum degenerierten Westen, lobt Wladimir Putin und verachtet die Kompromisspolitik von Angela Merkel.

Die Klage über die westliche Gesellschaft, die unpatriotisch, unchristlich, bindungs- und heimatlos ist – ein Phänomen, das inzwischen in Polen und Ungarn Regierungspolitik ist. Monetär kann es mit den Zuweisungen aus dem Westen nicht schnell genug gehen, kulturell setzt man sich ab.

Was Victor Orbán undJarosławKaczyńskibeklagen, kann man sich – etwas weniger staatstragend – auf Pegida- und AfD-Veranstaltungen anhören. Ein Europa, geordnet, mit sicheren Grenzen und christlich geprägt. In Polen ist das stockkonservative Radio Marija längst zum Hetzsender geworden. Und es ist kein Ausrutscher, dass in Sachsen im vorigen Jahr – wenn auch mit knapper Mehrheit – ein Mann zum evangelischen Landesbischof gewählt wurde, für den Homosexualität eine Verirrung ist und der das Zusammenleben von homosexuellen Paaren in Pfarrhäusern grundsätzlich verbietet.

Krähwinkel in der Mitte Europas

Rentzing erhielt seine kirchliche Prägung in Sachsen, war Pfarrer im Erzgebirge und im Vogtland. Mit seinen selbst für die sächsische Landeskirche konservativen Einstellungen ist Rentzing nun die Speerspitze der Evangelischen Kirche in Deutschland. Keine Schwulen, keine Ausländer, erst recht keine Muslime – daraus spricht die Sehnsucht nach einem Krähwinkel mitten im satten Europa, der verschont bleiben möge von den Händeln der Welt: „Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten; dann kehrt man abends froh nach Haus und segnet Fried’ und Friedenszeiten.“ Goethe hat dieses erzkonservative Lebensgefühl, das die CDU in Sachsen kultiviert hat, im Faust schon gut beschrieben – viel Biedermeier, wenig Empathie.

Alexander Ahrens, Bautzens Oberbürgermeister, will in so einem Sachsen nicht leben. Ahrens kündigte am Montag an, die 300 Asylsuchenden in einer anderen Unterkunft in Bautzen einzuquartieren. „Wir lassen uns von einigen Hohlköpfen unsere Stadt nicht kaputt machen“, bekräftigte Ahrens. Das gilt auch für ein ganzes Land.

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41 Kommentare

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  • Ebend den Spiegel gelesen. Gibt es diesen Artikel nur deswegen, weil der Spiegel schon so einen hat?

  • Warum verurteilen Linke Verallgemeinerung, empfinden sogar die Ursachenforschung bei "stat. signifikanten Korrelationen" (z.B. "kriminelle Marokkaner" als Zumutung?

     

    Ich frage nur - denn ich finde die Taz-Verallgemeinerung "Rechtes Sachsen" als durchaus zutreffend - ich habe ja auch nichts gegen "stat. basierte Verallgemeinerungen".

     

    Als beschriebene Zielgruppe kann ich Eure Fragen sachgerecht beantworten. Ihr werdet mich nicht überzeugen und ich euch nicht. Einfach Faktenzulieferung für Euer Verständnis.

     

    Warum Sachsen?

     

    1. Sachsen haben eine starke eigene Identität. Sachsen ist das Bayern des Ostens, also kein Doppelnamen-Land.

     

    2. Sachsen ist erfolgreich. Porsche, BMW, Glashütte, Seriensieger in Pisa seit vielen Jahren.

     

    3. Die Sachsen hatten schon immer mehr Mut - 1989 lief fast nur in Sachsen - im Norden nichts. Ich war zu dieser Zeit an beiden Orten.

     

    4. "C": Bei uns heisst das einfach - alles soll gesellsch. so bleiben wie es ist. Auch wenn fast niemand in die Kirche geht.

     

    5. Pegida, Clausnitz etc. ist wirklich "das Volk". Einfach Querschnitt - arbeitsloser Wendeverlierer, junge Mutter, Ingenieur, Unternehmer. Ist bei "taz"-Lesern sicher nicht so.

     

    Glaubt mir die Fakten einfach mal so. Ich muss es als 89er Demonstrant, Studienstiftung des dt. Volkes, Pegida-Läufer und Unternehmer wissen. Bitte glaubt es einfach mal oder wir verabreden uns mal zu Pegida in DD und wir machen eine Studytour. Vielleicht eine gut Gesch.idee.

    • @Jarosh Viktor:

      Porsche, BMW. Ja, typisch sächsiche Unternehmen... VW in Zwickau und Chemnitz haben Sie noch vergessen.

       

      Wie erfolgreich wäre Sachsen, wenn diese Firmen beispielsweise in Brandenburg Ihre Werke hingestellt hätten?

       

      Die Sachsen hatten schon immer mehr Mut? Ja, sehr mutig, sich mit einhundert anderen vor einen Bus von Flüchtlinge zu stellen oder sich neben eine brennende Flüchtlingsunterkunft zu stellen um zu applaudieren.

       

      Alles soll gesellschaftlich so bleiben wie es ist, außer damals, als es die DDR gab. Da sollte es anders werden, denn da wollte man von der sozialistischen Mangel- in die kapitalistische Konsumgesellschaft, unbedingt. Facebook, WhatsApp etc. werden in Sachsen auch flächendeckend abgelehnt und finden keine Nutzer, weil gesellschaftlich alles so bleiben soll wie es ist und schon immer war. Und deshalb fahren heute hier auch alle immernoch nur Trabis und Wartburgs.

       

      Arbeitslose Wendeverlierer, junge Mütter, Ingenieure, Unternehmer, die finde ich auch bei den Pegidagegnern. Teil des Volkes, bestenfalls.

      • @anteater:

        1. Ich habe nur erklärt, wie es die Leute sehen. Porsche hat sich nun mal für Sachsen entschieden. Ich kenne die Wirt.förderung Sachsens.

         

        2. Ja, die Leute wollen die kap. Konsumgesellschaft, aber keine Wirt.flüchtlinge aus fremden Kulturen.

         

        3. Ja, das gibt es auch bei den Pegidagegnern. Aber - und wir gucken uns ja nur die Fakten an - die Bilder bei den Anti-Pegida-Demos sehen eben doch einen größeren Anteil schwarz Bekleideter und sehen eben nicht aus wie der typische Volks-Spießer wie bei Pegida.

        • @Jarosh Viktor:

          Zu 2. Ja, das nenne ich Rosienenpickerei möglicherweise gepaart mit völliger Ignoranz. Man muss ja nicht unbedingt besonders helle im Kopf sein, um zu wissen, dass der möglichst billige Konsum hierzulande zu Armut und dann zu sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen anderenorts führt. Im Prinzip ist das moderne Sklaverei, Ausbeutung. Hauptsache uns geht es gut, nach uns die Sintflut, die anderen, die unter unserem Verhalten leiden, drauf geschissen.

           

          Kommt darauf an, welche Pegidagegendemos Sie betrachten wollen. Hier im Osten mag das stimmen, aber wagt man den Blick zu Gegendemos in manche Stadt der alten BRD, dann sieht man dort eben einen breiten Querschnitt durch die Bevölkerung.

  • Liebe Sachsen! Erklärt mir nun doch bitte einmal, was Ihr unter christlichen Werten versteht. In dem, was wir von sehr vielen von Euch hören und sehen (sorry, der Rest fällt wohl als Minderheit hinten runter und sonst bewegt sich niemand, auch die Polizei nicht), ist so ganz und gar nichts christliches wiederzufinden. Oder wollt Ihr sagen, dass Ihr etwas verteidigt, was Ihr weder kennt noch je gelesen habt und wovon Ihr deshalb

    im Grunde überhaupt nicht überzeugt sein könnt?

     

    Wozu hat dann Eure Leib- und Magen-, Hauspartei überhaupt noch ein C in ihrem Namen? Und wenn wir schon Reinemachen, dann putzt doch gleich das überflüssige D für Demokratie auch mit weg. Den Rest, das P, könnt ihr dann behalten und Eure Einheitspartei wiederbeleben. Dann wart Ihr wenigstens ehrlich.

    • @noevil:

      Siehe Kommentar unten: 75 % der Pegidisten sind konfessionslos. Mag sein dass der eine oder andere darunter sich ein rechtes christliches Weltbild zusammengezimmert hat. "Christlich" ist kein Erklärungsmuster. Wer wie so oft unbedingt auf Deibel kom raus einen Glaubensgrund sucht, sollte vielleicht mal den Atheismus angraben. Ob es erfolgreich ist, bezweifele ich aber.

    • @noevil:

      Sie machen es sich zu einfach. Natürlich sind Nächstenliebe, Gastfreundschaft, Offenheit, Toleranz, etc. auch "christlich", bzw. in der christlich-abendländischen Kultur verwurzelt. Aber das Christentum hat auch immer schon eine restriktive Seite in Form eines strikten Moralkodex gehabt, der mit Menschen, die die Dinge einfach anders sehen und andere Werte verteten, nur sehr begrenzt umgehen kann.

       

      Vergleichen Sie es mit den Grünen: Ein konsequent vertretenes Idealbild von einer sozialen und ökologisch verträglichen, offenen Gesellschaft. Als Ziel steht ohne Zweifel das Gute, Richtige und Freundliche fest, aber der Weg dahin ist - leider, leider - gepflastert mit Verboten von allem und Jedem, was diesem Idealbild in die Quere kommt. Da wird dann aus "konsequent" schnell mal "intolerant".

       

      Aber das werden die Intoleranten NIE wahrhaben wollen oder auch nur begreifen. Für sie ist das Ziel so eindeutig "!RICHTIG!", dass der Weg dahin gar nicht falsch sein kann. Deshalb kommt man ihnen mit Ihrer Form von (Fang-)Fragestellung nicht bei.

  • 6G
    65522 (Profil gelöscht)

    Häuser anzuzünden um zu verhindern das Menschen in Not eine temporäre Bleibe finden ist garantiert nicht die Idee durchschittlich intelligenter Sachsen , aber alles hat auch eine Vorgeschichte und jeder Ort hat so sein Eigenleben, weit ab von Erfolgsgeschichten.

    Ständig mit dem Aufbau Ost zu drohen ist ebenso wenig eine Lösung wie Sachsenschelte. Vorallem weil ich glaube in keinem Land ist der Aufbau Ost so auf offene Ohren gestoßen und konsequent umgesetzt worden wie in Sachsen.

    Ich habe mal "Husarenhof Bautzen" gegoogelt, Vorgeschichte , Inhaber und so.

    • @65522 (Profil gelöscht):

      "Vorallem weil ich glaube in keinem Land ist der Aufbau Ost so auf offene Ohren gestoßen und konsequent umgesetzt worden wie in Sachsen."

       

      Stimmt. Groß im Nehmen, aber wenn es darum geht zu geben und sich an der Bewältigung von schwierigen Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen, dann heißt es all zu häufig "wollen wir hier nicht".

  • 6G
    64457 (Profil gelöscht)

    Zu "Warum Sachsen?", hat die H.-Böll-Stiftung die mir plausibelste Erklärung geliefert.http://www.boell.de/de/2015/01/14/dresden-staat-zivilgesellschaft-pegida Hinzufügen möchte ich, dass in der ZEIT gerade diskutiert wird, Sachsen unter Bundeszwang zu stellen. Das würde m.E. u.U. auch die Sicherheit dortiger zivilgesellschaftlich engagierter Bürger erhöhen bzw. herstellen.

  • In dem Artikel schwingt so ein Anspruch an die Union (als die absolut regierende "Staatspartei") mit, nicht den Rechten nach dem Maul zu reden sondern lieber der Bevölkerung beizubringen, dass sie gefälligst weniger rechts zu denken hat. Dieser Gedanke ist grundsätzlich richtig, überschätzt aber den Handlungsspielraum der Parteien und ihre Macht über die Wählerschaft.

     

    Die sächsische CDU versucht das, was die CSU in Bayern seit Jahrzehnten recht erfolgreich betreibt: Den politischen Raum rechts von sich so eng zu machen, dass dort kein Platz für demokratiefeindliche Extremisten ist, dauerhaft Fuß zu fassen. Das erklärt ein stückweit die Akzeptanz, die nationalkonservative Einstellungen in der Sachsen-CDU offenbar genießen.

     

    Man muss dabei aber eingestehen, dass diese CDU es mit dem Kurs nicht so leicht wie die bayrische Schwesterpartei hat: Zum einen ist sie als "CDU" nicht so ohne weiteres in der Lage, sich wirksam von den Kompromissen der Bundespartei abzugrenzen. Zum anderen ist Sachsen eben nicht Bayern, dessen Bevölkerung tendenziell mehr in sich ruht und weniger das Gefühl des "Zu-kurz-Kommens" an den Tag legt. In Bayern findet man zwar auch viel landsmannschaftlichen Chauvinismus. Nur wird die vermeintliche eigene Überlegenheit zwar auch, aber deutlich weniger in nationalen Egoismus verkehrt.

     

    Realpolitisch stellt sich in Sachsen daher die Frage vom Propheten und dem Berg: Kann es sich eine verantwortungsbewusste Volkspartei leisten, von ins Extreme driftenden Wählern zu erwarten, dass sie gefälligst auf ihren gemäßigten Weg einschwenken, (und dabei zu risikieren, sie an populistische Antidemokraten zu verlieren)? Oder tut sie gut daran, diese Wähler da abzuholen, wo sie stehen, und ihnen Mäßigung im Entgegenkommen abzugewinnen?

     

    Für meine Begriffe ist die erste Variante bei so gefährlichen Phänomenen wie Nationalismus, Rassismus und Ausländerhass - im wahrsten Sinne - ein Spiel mit dem Feuer.

    • @Normalo:

      Da ist doch mal wieder die Frage angebracht, ob Huhn oder Ei zuerst da war.

      • @Hanne:

        Warum nicht. Haben Sie eine Antwort?

  • Christlich geprägt? 75 Prozent der Pegida-Anhänger sind konfessionslos.

  • Hier noch zur allgemeinen Belustigung der Umgang Dresdens mit PEGIDA:

    http://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Dresdner-Spitzenkoeche-schwingen-am-Pegida-Montag-die-Kochloeffel

     

    "Dresden. Dresdens Einzelhandel und die Gastronomielandschaft leidet unter den wöchentlichen Demonstrationen von Pegida. Dresdens Citymanager Jürgen Wolf schätzt die Umsatzeinbußen an Montagen je nach Geschäftsbereich auf 20 Prozent.

     

    Doch wie die Innenstadt wiederbeleben? Mit der Initiative „Dresden geht aus“ versucht das Citymanagement gemeinsam mit dem ansässigen Einzelhandel, der Gastronomie und Hotellerie die Menschen wieder in das Zentrum zu locken – gerade an Montagen. So gibt es zwischen 17 und 21 Uhr vor allem spezielle Rabattaktionen in verschiedenen Geschäften."

     

    "Laut Wolf war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Das Restaurant war mit 150 Reservierungen bis auf den letzten Platz belegt. „Das ist keine politische Veranstaltung. Wir kochen nicht gegen Pegida. Aber wir wollen eine Alternative schaffen und auch ein anderes Bild von Dresden in die Öffentlichkeit tragen“, sagt der Citymanager."

     

    Nein, selbstverständlich nicht gegen PEGIDA, es geht mal wieder nur um's Geld (einnehmen).

     

    mehr davon: http://dresden-geht-aus.de/

     

    Unpolitischer und treffender geht es gar nicht. Das ist Dresden (in Sachsen).

    • @Hanne:

      Zielführender wäre es vielleicht gewesen, wenn die Geschäfte in der Stadt einfach kollektiv Montags ab um 17 Uhr geschlossen hätten.

  • Was ist das für eine Ausgeburt des häßlichen Deutschen, die sich in Sachsen zeigt? Natürlich sind nicht alle sächsischen Bürger über einen Kamm zu scheren, aber es ist schon eklatant, was gerade in diesem Bundesland an angeblich ausgestorbener völkischer Seele Auferstehung feiert, das ist schon bedrohlich.

     

    Damit keine Mißverständnisse aufkommen - Rassismus, dumpfen Nationalismus, Menschen- und Fremdenfeindlichkeit verurteile ich überall, wo er auftritt - nicht nur in Sachsen.

     

    Wenn man z. B. akut im Wahlkampf die Pamphlete und Plakate der AfD betrachtet, die an die niederen Instinkte des Nationalismus appellieren und Heimatgefühle instrumentalisieren, dann wird mir kotzübel.

     

    Nationalisten sind Hirntote, die über keine eigene persönliche Identifikation verfügen und auf verlogene fremdbestimmte Feinbilder angewiesen sind. Wer nicht fähig ist, wirklich zu unterscheiden zwischen Freund und Feind und auf noch auf die Schwächeren heruntertritt, der ist asozial doof.

     

    Heimat ist wichtig, aber Deutschland ist in Regionen mit unterschiedlicher Herkunft, Mentalität und persönlicher Einstellung gespalten. Von der Einzelperson abgesehen, stehen mir als Bewohner des westlichen Deutschlands Iren, Holländer, Franzosen oder Skandinavier wesentlich näher als Sachsen. Das nur zum Thema "Deutschsein".

    • @Peter A. Weber:

      der Abschließende Absatz ist ganz ausgezeichnet und beschreibt uns als aufgeklärte, offene Europäer. Mir als Bayern sind Franzosen, Schotten und Graubündener kultuerell weit näher als vieles was zu Deutschland zählt. Aber das macht nichts.

    • @Peter A. Weber:

      "...stehen mir als Bewohner des westlichen Deutschlands Iren, Holländer, Franzosen oder Skandinavier wesentlich näher als Sachsen."

       

      Auch der Front National, die Wahren Finnen, Partij voor de Vrijheid ect.?

    • @Peter A. Weber:

      (...) stehen mir als Bewohner des westlichen Deutschlands Iren, Holländer, Franzosen oder Skandinavier wesentlich näher als Sachsen.(...)

       

      Aber nur solange, bis der "Unfall" Liebe Sie erwischt, und Sie sich in eine Sächsin oder einen Thüringer verlieben...

      • @Gion :

        Wenn die völkisch, national, rassistisch ist, dann wird der Unfall "Liebe" nicht geschehen. Eines habe ich in Sachsen gelernt: Eine der ersten Fragen, die nach dem Kennenlernen zu klären ist, ist die der politischen Gesinnung. Ich möchte niemanden lieben, der von Hass getrieben und zerfressen ist.

      • @Gion :

        GION, Sie sind Sachse, oder?

    • @Peter A. Weber:

      Und den meisten Sachsen stehen sicher Tschechen, Polen, Ungarn, Russen etc. näher als z.B. Nordrhein-Westfalen.

       

      Aber wenn Sachsen genauer drüber nachdenken, mögen sie die östlichen Nachbarn eigentlich auch gar nicht (außer zum billigen Einkaufen von Zigaretten etc. und günstigen Urlaub machen), denn DIE "klauen ihnen ja die Autos und Maschinen weg oder nehmen ihnen sogar die Arbeit weg". Also auch die sind nicht so toll wie die Super-Sachsen. Fazit - und das habe ich hier in Sachsen gelernt: Die Sachsen sind überhaupt die tollsten und danach kommt lange, lange nichts und dann zuerst der Hass und die Verachtung auf alles andere.

      • @Hanne:

        Absolut richtig. Es gibt hier sogar Leute die meinen, außerhalb Sachsens könne keiner richtiges Bier brauen.

      • @Hanne:

        Hanne, Du bist immer noch dort? Deine Leidenfähigkeit ist wohl irre groß, oder?

         

        Ich finde, dass ein paar Sachen - zugegebenermaßen etwas abwegig - nicht thematisiert werden. Die plötzliche Sympathie für Putin.Und das hat nichts, auch garnichts mit den ehemaligen staatlichen Organen zu tun, mit der Stasi und sonstigen 'Truppenteilen'?

        Und dann der Rauswurf von allen SED-LehrerInnen nach der Wende durch Biedenkopf.Das war ein grandioser Fehler.In Brandenbrg sind sie drin geblieben wegen marianne Birthler und haben an Autorität verloren, weil ihre Autorität meist auf staatlicher Autoritätund Macht beruhte. Ich habe in einigen Schulen+Klassen in Chemie LK's unterrichtet und habe das von den Schülern quasi1:1 bestätigt bekommen.

        • @SUDEK:

          Ich kann nicht für Hanne sprechen, aber ich würde sofort gehen, wenn ich anderswo, vorzugsweise im Multikulti-NRW, einen Job bekäme.

           

          Hm, gute Frage das mit Putin. Die schräge, einseitige Berichterstattung hat hier sicher eine Rolle gespielt, aber wohl auch dass, wie analog im Westen mit den Amis, da eher ein Beisreflex ist. Im Westen hat man uns ja auch eingetrichtert, dass die Amis die Guten sind und entsprechend fällt es heute da eben einigen extrem schwer, selbst kritisch zu hinterfragen was die wirklich machen. Ich tat das schon zu Schulzeiten und habe dafür mächtig auf den Deckel bekommen (ich fand halt die globale militärische Intervention nicht grundsätzlich gut).

  • "(...) Rößler, viele Jahre sächsischer Kultus-, später Wissenschaftsminister, wird nicht müde, die „Kulturrevolution von 1968“, ein Projekt des Westens, zu geißeln. (...)

     

    Was wäre die alte BRD ohne die '68er Bewegung und ihren charismatischen Vor-Mit-und Nachdenker Rudi Dutschke, geboren bei Luckenwalde (DDR).

     

    Er wie auch viele andere aus der DDR stammende Menschen haben ein belebendes, veränderndes Ferment in die versteinerte alte BRD mit eingebracht.

     

    Herr Rößler hat natürlich Zugang zum Internet - auch das ehem. "Tal der Ahnungslosen" ist bestens vernetzt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Rudi_Dutschke

    •https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Zwerenz

    •https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhart_Baum

    • @Gion :

      Leider scheint zumindest Sachsen noch immer versteinert zu sein und das auch vehement bleiben zu wollen.

       

      Zu Dutschke (Ihr Link):

       

      "Durch den Ungarischen Volksaufstand im selben Jahr wurde Dutschke politisiert. Er ergriff Partei für einen demokratischen Sozialismus, der sich gleichermaßen von den USA und der Sowjetunion distanzierte. Der SED stand er ebenfalls ablehnend gegenüber. Im Gegensatz zum antifaschistischen Anspruch ihrer Staatsideologie sah er die alten Strukturen und Mentalitäten im Osten ebenso fortdauern wie im Westen.[2]

       

      1957 trat er öffentlich gegen die Militarisierung der DDR-Gesellschaft und für Reisefreiheit ein. Er verweigerte den Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee, der Oberschülern damals nahegelegt wurde, und rief andere dazu auf, es ihm gleichzutun."

       

      So haben sich leider nicht viele in der DDR politisiert und wenn ja, dann waren sie dort nicht mehr lange, sondern eben doch im Westen.

       

      Der Geburtsort alleine ist nicht aussagekräftig, es gehört schon auch noch etwas Persönlichkeit dazu.

      • @Hanne:

        "(...) dann waren sie dort nicht mehr lange, sondern eben doch im Westen.(...)"

         

        Dutschke wurde in Westberlin angeschossen durch einen aufgehetzten BILD-Leser. An den Spätfolgen starb er dann in Dänemark.

         

        - den Geburtsort Dutschkes nannte ich in Richtung des in Ostdeutschland geborenen Herrn Rößler.

    • @Gion :

      Umgekehrt leider undenkbar. Ich bin durch meine Freundin regelmäßig im Erzgebirge. Meinen Sie, dass ich durch mein Vor-Mit- und Nachdenken dort irgend etwas bewegen kann? Es ist halt normal, dass der Sohn in Thor Steinar rumläuft und völkisch ist. Klar, wenn der Vater (nein, nicht der meiner Partnerin) bei Familiengeburtstagen Lieder der Lunikoff Verschwörung singt. Soll ich Ihnen was sagen? Ich habe dann den Rest der Familie darüber aufgeklärt, was das ist und das "Da fährt ein Neger auf dem Fahrrad und keiner tut was dagegen" rassistisch und volksverhetzend ist. Da kam keiner von alleine drauf.

      • @anteater:

        ja, klar, Sie sind kein Rudi Dutschke - und die 68er fanden um 68 statt ;-)

        • @Gion :

          Und? Weil Dutschke nicht mehr ist müssen wir uns jetzt alle der in Sachsen weit verbreiteten Fremdenfeindlichkeit widerstandslos hingeben? Nur weil nicht mehr 1968 ist darf man nicht versuchen, Menschen zum selbständigen denken anzuregen, zum hinterfragen. Man darf jetzt nicht mehr Menschlichkeit einfordern?

        • @Gion :

          Was wollen Sie uns eigentlich sagen?

           

          Mich interessieren aktuell in Sachsen auch eher die intelligenten, politisierten und freundlichen Menschen, die andere versuchen umzustimmen, damit sich auch in Sachsen mal was ändert (nach 1968) - egal, wo sie ursprünglich herkommen.

           

          Wenn es die "Dutschkes" von heute in Sachsen geben sollte, dann kann ich ANTEATER nur zustimmen, sie finden sehr wenig Gehör. Und das ist das Problem, nicht die wenigen "Dutschkes", die es durchaus gibt.

  • Christlich geprägt wünscht man sich also. Ich habe in Bayern gelebt, in NRW, und jetzt in Sachsen. Am wenigsten christlich ist es, genau, in Sachsen.

     

    Dieser Jesus, auf den sich das Christentum beruft, hat sich übrigens der Fremden, Schwachen und am Rande der Gesellschaft stehenden angenommen. Er tat also genau das Gegenteil dessen, was heute auch (es gibt hier auch anständige Leute!) an der Tagesordnung ist. Ja Sachsen, fangt mal an christlich zu sein, mildtätig, gnädig, offenherzig.

  • Das tausendjährige Sachsen? Da scheint der gute Mann aber wenig Ahnung von seiner eigenen Geschichte zu haben. Jene, die sich heute Sachsen nennen und von denen manche diesen Namen durch den Dreck ziehen, das sind eigentlich Meißner. Den Namen "Sachsen" haben die nur geerbt sozusagen. Und ihr Land, das war größtenteils mal slavisches Siedlungsgebiet, wie man schön an Namen wie Chemnitz sehen kann. Franken gab es auch noch sehr viele, auch das sieht man an den Ortsnamen wie Frankenhain, Frankenstein etc. Eine geschlossene Gesellschaft, wie der Meißner sie sich heute wünscht, die gab es da eigentlich nie.

  • Die Auseinandersetzung mit rechter Hetze ist wichtig. Dennoch gehen wir den Rechten auf den Leim, wenn wir uns fast ausschließlich mit ihnen beschäftigen und alles andere darüber vergessen.

     

    Menschen in egalitären Gesellschaften sind toleranter als in ungleichen. Wo Arm und Reich Welten trennen, gibt es wenig Empathie mit und Vertrauen zu dem, der anders ist als man selbst. Wir müssen die wirtschaftliche Ungleichheit massiv bekämpfen, dann schwindet auch der Zulauf zu rechten Parteien. Wenn wir aber über all der Auseinandersetzung mit rechten Parolen die Vermögenssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz vergessen, dann haben die Rechten gewonnen.

     

    Wollen wir das?

    • @Smaragd:

      Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, dass wir etwas gegen die Ungleichheit unternehmen müssen. Und das wird sicher nicht mit den Unionsparteien und schon gar nicht mit der AfD geschehen (und mit den Grünen, der FDP und der SPD wohl auch nicht).

       

      Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass es keineswegs so ist, dass hier in Sachsen der Großteil der Bevölkerung am Hungertuch nagt. Es ist bei vielen eher ein den Hals nicht voll genug bekommen. Ja, in Düsseldorf oder München sehe ich mehr Porsches auf der Straße, aber hier hat man Geld für große, neue Autos und nicht gerade billige (Audi ist sehr, sehr beliebt, Volkswagen auch). Wohnraum ist vergleichsweise billig zu kaufen und es sieht dank großzügiger Unterstützung fast alles sehr toll aus, alte Gebäude wie neu. Und in NRW sieht es heute bald so aus wie zu Zonenzeiten. Wie gesagt, hier bekommen einige den Hals nicht voll genug.

       

      Nochmals, für jene die jetzt Schaum vor dem Mund haben. Es sind garantiert nicht alle Menschen hier so. Es gibt viele, auch unter den Älteren, die mit Fremdenfeindlichkeit, Neid, Gier und den anderen Antriebsfedern rechter Auswüchse nichts am Hut haben.

      • @anteater:

        "Und in NRW sieht es heute bald so aus wie zu Zonenzeiten. Wie gesagt, hier bekommen einige den Hals nicht voll genug."

         

        Meine Worte und Erfahrungen.

         

        Tillich war auch der größte Verfechter des Solidarpakts und zog alle Register, als es um dessen Abschaffung bzw. Änderung nach 2019 ging. U. a. sinngemäß mit diesen Worten "Wir müssen uns ja nicht um die Probleme, die es in NRW gibt, kümmern. Uns steht das Geld auf jeden Fall weiterhin zu. NRW soll selbst sehen, wie sie ihre Probleme in den Griff bekommen".

         

        Ich kann dann immer gar nicht glauben, was ich da lese und höre, was so aus Sächsischen Mündern und Gehirnen kommt.