piwik no script img

Übergriffe auf Frauen in Hamburg„Handlungsspielraum war begrenzt“

Die Hamburger Polizei war von den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht überrascht. Mittlerweile zählen die Beamten 205 Strafanzeigen von 306 Opfern.

60.000 BesucherInnen verbrachten die Silvesternacht auf dem Hamburger Kiez. Foto: Christian Charisius/ dpa

Hamburg taz | Die Hamburger Polizei hat am Donnerstagabend eingeräumt, von den massiven sexuellen Übergriffen von Männergruppen in der Silvesternacht auf der Großen Freiheit auf St. Pauli überrascht worden zu sein. Das erklärte die Einsatzleiterin und Chefin der Davidwache, Cornelia Schröder, im Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft. Das Gedränge sei so groß gewesen, „dass der Handlungsspielraum der eingesetzten Kräfte sehr begrenzt war“.

Inzwischen liegen der Polizei 205 Strafanzeigen von 306 Opfern vor. Die betroffenen Frauen hätten die Täter, Kripo-Chef Frank-Martin Heise zufolge, fast ausnahmslos als „Südländer“ oder „Nordafrikaner“ beschrieben. Alle gemeldeten Übergriffe ereigneten sich auf der Großen Freiheit, einige wenige am Jungfernstieg.

Wegen des großen Gedränges hätte zudem die Gefahr bestanden, dass unter den 60.000 alkoholisierten KiezbesucherInnen Panik ausbricht. Aus diesem Grund hatte Schröder zeitweilig den Zugang zur Großen Freiheit mit einer Polizeikette absperren lassen. In der Nacht selbst habe es Schröder zufolge keinerlei Hilferufe gegenüber ihren Beamten oder über den Notruf gegeben.

„Vom Ausmaß der Übergriffe hatten wir in der Nacht keine Kenntnis“, so Schröder. Bis zum nächsten Morgen seien lediglich vier Anzeigen eingegangen, in denen neben einem geklauten Handy auch ein sexueller Übergriff eine Rolle gespielt haben soll. Die Polizei wertete das zunächst als kaum ungewöhnlich.

Dass die Polizei das neue Phänomen erst später als solches wahrgenommen habe, betonte auch der neue Vizechef des Landeskriminalamtes, Frank-Martin Heise. Erst im Verlauf des nächsten Wochenendes seien viele Taschendiebstähle angezeigt worden, wovon 14 Straftaten einen sexuellen Bezug zur Neujahrsnacht gehabt hätten. Erst nach einem Zeugenaufruf verzeichnete die Polizei eine deutlich steigende Zahl von Anzeigen.

Das hätte zur Einberufung einer speziellen Ermittlungsgruppe geführt, sagt Heise. Die 26-köpfige Soko hat inzwischen acht Tatverdächtige mit Migrationshintergrund ermittelt. Darüber hinaus hat sie noch eine Gruppe Nordafrikaner im Visier. Unter ihnen: „Flüchtlinge, aber auch Tatverdächtige, die schon seit Jahren in Hamburg wohnen“, sagt Heise. Zu allen namentlich bekannten habe die Polizei Kontakt aufgenommen und eine Opfernachsorge initiiert.

Wegen der geklauten Handys sei eine Funkzellenauswertung angeordnet worden, so Heise. Die Suche könnte schwierig werden: Im Tatzeitraum waren in dem Bereich 125.000 Handys unterwegs.

Während Innensenator Michael Neumann (SPD) ankündigt, dem Rechtsstaat durch konsequente Strafverfolgung Respekt zu verschaffen, erklärte eine Expertin der Justizbehörde, dass es wegen des laschen Sexualstrafrechts schwer werde, die Taten zu verfolgen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Während Innensenator Michael Neumann (SPD) ankündigt, dem Rechtsstaat durch konsequente Strafverfolgung Respekt zu verschaffen, erklärte eine Expertin der Justizbehörde, dass es wegen des laschen Sexualstrafrechts schwer werde, die Taten zu verfolgen."

     

    Am Besten Neumann richtet ein Gefahrengebiet um die große Freiheit und den Jungfernstieg ein, damit die 300 bis 600 Menschen, die sich als Gefahr darstellen, in Schach gehalten werden. Das wäre in Hamburg durchaus ein übliches Verfahren. Ob es was bringt? Viellicht mehr, als diese Ankündigung, die im Zweifel immer das bleiben wird: Eine Ankündigung und in Klammern Ausdruck der Verzweifelung. Hamburg machtr auf dem Kiez und mit den Touristen gutes Geld - da liegt der eigentliche Punkt. Deswegen tut sich die Polizei dort auch schwer, es soll ja so voll sein.

     

    Wäre das nicht so ein Anziehungspunkt gebe es diese Probleme auch nicht. In London gibt's jeden Tag in der U-Bahn (Tube) die Warnung vor Taschendieben. Das gehört dort zum Alltag. Wir werden bald auch in der U-Bahn und S-Bahn auf die Gefahren in St. Pauli und in der Innenstadt hingewiesen werden.